Gerade die Landwirtschaft wird massiv durch Entscheidungen auf europäischer Ebene beeinflusst – kein Wunder also, dass Helmut Scholz ein gefragter Gesprächspartner für den Brandenburger Landesbauernverband (LBV) war, als er am 23. März für einen Besuch in der Landesgeschäftsstelle des LBV im Teltower Orststeil Ruhlsdorf vorbei schaute.
Gesprächspartner waren für den Brandenburger Europaabgeordneten an diesem Vormittag der Präsident des Landesbauernverbandes, Henrik Wendorff, der Hauptgeschäftsführer, Wolfgang Scherfke, sowie der für die Agrarpolitik zuständige Fachreferent, Ulrich Böhm.
Ohne Umschweife wurden die aktuellen Positionen und Forderungen ausgetauscht. So machte der LBV klar, dass es hilfreich wäre, wenn von Seiten der Europäischen Union (EU) die Verordnungen flexibler und regional passender ausgestaltet würden, sprich auch Ausnahmen von der Regel möglich wären. Auch sei es erforderlich, die (alten) Regelungen an die Wirkungen des Klimawandels anzupassen – Düngegaben für Pflanzenarten machen nur zu bestimmten Zeiten ihrer Vegetationsperiode Sinn. Wenn die vorgegebenen Düngezeiten aber streng an Monaten ausgerichtet sind, wird es schwierig. Ebenso machten die Bauern klar, dass sie natürlichem Dünger gegenüber dem mineralischen aus der chemischen Industrie gern den Vorzug geben würden, der Systemkreislauf Natur sei schließlich klar zu favorisieren. Nur gilt es dann von Seiten der europäischen Förderinstrumente auch die schwankende Qualität des Naturproduktes Naturdünger zu berücksichtigen und ggf. auszugleichen. An dieser Stelle schlossen sich die Bauernvertreter an die von Helmut Scholz geäußerte Kritik an der Fusion der Chemieriesen Bayer und Monsanto an, da der steigende Fokus auf die Chemie in der Landwirtschaft von Nachteil sei.
Allgemein machte der LBV deutlich, dass sich die Landwirte als Europäer verstehen. Vieles aus der Verwaltung bzw. Inhalte von Verordnungen treiben aber eher die Landwirte in Europa auseinander. Ein Beispiel: Mutterkuhhaltung im Brandenburgischen Oderbruch wird mit keiner Prämienzahlung von Seiten der EU versehen. Nur 25 km weiter in Polen wird für die gleiche Mutterkuhhaltung aber eine Prämie gezahlt. Ferner wurde mit Blick auf die geplante Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU betont, dass die Landwirtschaft standortgebunden sei, die Industrie nicht. Eine Neuausrichtung wird daher wenig positiv erwartet.
Nachvollziehbar war des Weiteren die Position des LBV zu den oft nötigen Kompromissen auf EU-Ebene, welche in ihren Ergebnissen leider kaum noch sachbezogen seien. Wenn im Ergebnis der Kompromisse es zu immer mehr Freiheiten und Flexibilisierungen käme, sei es im Umkehrschluss ebenso nötig, die Kontrollen bzw. Auflagen durch die EU zu reduzieren. Kritisch wurde in dem Zusammenhang angemerkt, dass von den Flexibilisierungen zumeist die großen, jetzt schon sehr gut aufgestellten Mitgliedsländer profitieren würden – Ungleichgewichte so also eher verstärkt als abgebaut würden. Beim Fokus auf regionale Bedingungen sei also immer die Frage zu stellen, wie stark der regionale Player schon aufgestellt sei, um für alle Regionen das Bestmögliche herauszuholen.
Zweiter Schwerpunkt des Gespräches waren die Freihandelsabkommen der EU mit anderen Teilen der Welt. Insbesondere das MERCOSUR-Abkommen mit Lateinamerika kam hier zur Sprache. Schon jetzt sind die Bauern damit konfrontiert, dass aufgrund der riesigen Auflagen und zurückgehenden Gelder/ Subventionen die Tierproduktionen verstärkt abwandern würden. Die in den Freihandelsabkommen vorgesehenen Marktöffnungen bzw. Zugänge nach Europa für Regionen und Länder, die ganz anders (mit weniger Standards) die Tierproduktion betreiben, macht den hiesigen Landwirten Sorgen. Mit MERCOSUR käme beispielsweise, was den Preis betrifft, Edelfleisch nach Europa, Stichwort Rind aus Argentinien. Was Vorgaben zu Genfutter oder Antibiotikaeinsätzen beträfe, liegen in Lateinamerika aber ganz andere Maßstäbe an als in der EU. So bleibt die Edelfleischproduktion im Brandenburgischen sicherlich nicht mehr wettbewerbsfähig. In diesem Zusammenhang sprach Helmut Scholz an den LBV die Einladung zur Teilnahme an der MERCOSUR-Konferenz Anfang Mai in Brüssel aus.
Abschließend stellte Helmut Scholz fest, dass Landwirtschaft Teil der ländlichen Struktur sei und der Fokus auf regionale Kreisläufe, Herkünfte und saisonale Verfügbarkeit liegen müsse. All dies sei im Kontext der EU aber mit großen Herausforderungen verbunden, da bedauerlicherweise die einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedliche Sichten auf das Projekt EU haben: Für die einen sei es nur eine Möglichkeit, europäische Gelder in den eigenen Nationalstaat zu holen. Für andere Länder sei es selbstverständlich, nicht nur etwas aus der EU herauszuziehen, sondern auch etwas hineinzugeben. Mit Blick auf die Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 lässt der erstarkende Nationalismus Ernüchterndes erahnen …