Das EU-Parlament hat am Mittwoch die Debatte über das Freihandelsabkommen TTIP verschoben. Linke und Grüne sind empört.
Empörung und Tumult am Mittwochmorgen in Straßburg: Nachdem Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) am Vorabend bereits die Abstimmung von der Tagesordnung gestrichen hatte, wollten Konservative und Liberale auch die angesetzte und von vielen Aktivisten mit Spannung erwartete Debatte verschieben. Ihr Argument: Beides sollte nicht getrennt voneinander stattfinden. Eine knappe Mehrheit von 183 Abgeordneten unterstützte das Anliegen, 181 stimmten mit Nein, 37 enthielten sich.
In der kurzen Aussprache kam es zu tumultartigen Szenen. Die Vorsitzende der Linksfraktion (GUE/NGL), Gabi Zimmer, erklärte, es sei »nicht hinnehmbar, wenn das Parlament seine eigenen Rechte beschneidet und sich hinter Paragrafen versteckt«.
Im Mittelpunkt der Kritik stand die Entscheidung von Parlamentspräsident Schulz. Der LINKE-Europa-Abgeordnete Helmut Scholz bezeichnete die Verschiebung der Abstimmung als den »entscheidenden Fehler«. Die Grüne Abgeordnete Rebecca Harms erklärte: »Martin Schulz lässt eine Parlamentsentscheidung verschieben, weil er nicht sicher ist, wie seine Fraktion abstimmt.«
Schulz hatte am Dienstagabend gesagt, es gebe zu viele Änderungsanträge und verwies die Resolution zurück an den Handelsausschuss. Formal ist dies ab 50 Anträgen möglich, im Fall TTIP sollen es trotz enger Abstimmung zwischen Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) mehr als 200 gewesen sein.
Tatsächlich spaltet die Haltung zum Investorenschutz die Sozialdemokraten. Das spiegelte sich auch in der Abstimmung: 33 Abgeordnete der S&D-Fraktion enthielten sich, 41 stimmten für eine Verschiebung, 11 dagegen. »Wir wollen keine privaten Schiedsgerichte«, sagte der EP-Berichterstatter und Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD) anschließend auf einer Pressekonferenz. Die EVP habe dieser Position nicht zustimmen wollen. »Offensichtlich will sie sich eine Hintertür offenhalten.« Eine Verschiebung sei notwendig gewesen, weil eine deutliche Mehrheit private Schiedsstellen »ohne Wenn und Aber« ausschließen müsse, so Lange. Darauf werde der Handelsausschuss, der bereits am 15. Juni in Brüssel tagt, nun hinarbeiten. Kritiker hatten dem Resolutionstext bereits im Vorfeld bescheinigt, keine klare Position gegen Investorenschutzklauseln zu beziehen.
Die nun ausgesetzte Resolution des Parlaments ist zwar nicht bindend, aber ein wichtiges Signal Richtung EU-Kommission - dem Ergebnis der Verhandlungen müssen die Abgeordneten zustimmen.
Linke und Grüne sehen in der Verschiebung auch einen Erfolg der TTIP-Kritiker. »Die Panik ist Ergebnis des großen öffentlichen Drucks und damit auch ein Erfolg der Zivilgesellschaft«, sagte Ska Keller, handelspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion.
Auch Vertreter der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative »Stopp TTIP« zeigten sich erfreut. »Offenbar war sich die große Koalition im Europaparlament ihrer Mehrheit nicht mehr sicher und hat die Reißleine gezogen. Der Protest der europäischen Bürgerinnen und Bürger ist im Europaparlament angekommen«, erklärte ihr Sprecher Ernst-Christoph Stolper.
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