Gipfelpomp ersetzt keine demokratische Regelsetzung
Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher von DIE LINKE im Europaparlament und Cornelia Ernst, energiepolitische Sprecherin erklären zum heutigen EU-Lateinamerika-Gipfel:
18.07.2023
Helmut Scholz, Cornelia Ernst
„Das Ziel des EU-Lateinamerika-Gipfels ist klar: Länder wie Brasilien, Argentinien und Mexiko sollen die Freihandelsabkommen der EU-Kommission endlich durchwinken. Zu groß der Hunger der europäischen Mitgliedstaaten auf kritische Rohstoffe, Wasserstoff und andere Ressourcen, um eigene Klimaneutralitätsziele zu erreichen und Wettbewerbspositionen europäischer Produzent:innen gegenüber China und den USA auf den lateinamerikanischen Binnenmärkten auszubauen. Für die lateinamerikanische Wirtschaft steht ebenso viel auf dem Spiel: bei öffentlichen Ausschreibungen werden mittelständische Unternehmen bald den Kürzeren gegenüber europäischen Weltmarktführern ziehen. Schwellenländern wie Argentinien, Brasilien und Chile droht damit mittelfristig eine De-Industrialisierungswelle. Zum Nutzen europäischer Abnehmer: Denn so wächst der Druck, Europa noch mehr Soja, Kupfer und Lithium zu liefern.“
LINKE-Politiker Scholz fordert weiter: „Bei der Ratifizierung der Abkommen sind die vorgesehenen Verfahren zu beachten. Gipfeltreffen – so wichtig Dialog und ehrlicher Meinungsaustausch auch sind - ersetzen keine ordentlichen Entscheidungsverfahren. Feierlich unterzeichnete Abkommen später dann im Eilverfahren durch die Parlamente zu peitschen, ist undemokratisch und umgeht die berechtigte Mitsprache vieler zivilgesellschaftlicher Akteure und Akteurinnen."
"Dies bietet Rechtspopulist:innen Vorschub, wie am Beispiel Bolsonaros gesehen. Angesichts der Tragweite und völkerrechtlichen Verbindlichkeit der Verträge sind neben Politiker:innen und wirtschaftlichen Akteurinnen und Akteuren, gerade von KMU , Bürger:innen, Gewerkschaften, Landwirtschaftsverbände und Umweltaktivist:innen und Akademiker:innen zu hören und mit ihren Bedenken ernst zu nehmen.“
Cornelia Ernst, Verantwortliche von DIE LINKE im EP für das europäische Gesetz über kritische Rohstoffe, ergänzt: „Neue strategische Partnerschaften im Bereich strategischer Rohstoffe sowie die Förderung von Rohstoffprojekten im Rahmen der Global-Gateway-Initiative müssen auf Augenhöhe begangen werden: das Ziel muss sein, regionale Wertschöpfung in den Exportländern zu stärken. Außerdem müssen höchste Umweltstandards und soziale Sorgfaltspflichten gewahrt sowie insbesondere die Rechte indigener Gruppen geachtet werden.“
Ernst fordert abschließend: „Das Parlament und die Berichterstatterin für das Gesetz zu kritischen Rohstoffen sollten an dieser Stelle dringend nachbessern. Bekenntnisse zu Menschenrechten und Sorgfaltspflichten sind derzeit noch zu oberflächlich und blenden die Rechte indigener Gemeinschaften aus. Schließlich sollten wir auch unsere eigene Nachfrage nach strategischen Rohstoffen reduzieren, bevor wir in anderen Ländern alles umgraben. Ein gutes Beispiel hierfür könnte der Verkehrssektor im Bereich der E-Mobilität sein: weniger Autos, kleinere Autos, mehr öffentlicher Personennahverkehr und eine angepasste Stadtplanung könnten die Nachfrage für Batterierohstoffe ganz merkbar reduzieren.“