Helmut Scholz sieht das externe Handeln von Präsident Biden als von innenpolitischen Motiven getrieben an: „Trump wurde abgewählt. Die tiefe, langfristig verursachte Spaltung der US-Gesellschaft bleibt aber real. Die Sorge der Biden - Harris Regierung ist offenbar groß, dass er ein Comeback versuchen wird. Man will sich keine Schwäche, kein Einlenken vorwerfen lassen. Besonders gegenüber China mit seiner wirtschaftlichen und technologischen Stärke und Herausforderung des US-Rivalen setzt deshalb auch die demokratische US-Administration mit ihrem Konfrontationskurs die Strategie Trumps fort. Die Handelspolitik bietet eine zentrale Bühne für den Schaukampf.“
In der Grundsatzdebatte im Europaparlament zum Verhältnis Europas zu den USA unterstrich Scholz: „Das Verhältnis zur Europäischen Union wird in Washingtons daran gemessen, ob die EU sich aktiv an der Eindämmungsstrategie gegenüber dem Hauptrivalen China beteiligt.“
Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai habe am Vortag das US-amerikanische Herangehen detailliert dargestellt. „Man will das Phase I Handelsabkommen nicht kündigen, sondern China zur Kasse bitten. Man behauptet, China habe keinerlei öffnenden Reformen geliefert und droht mit neuen Strafzöllen zum Schutz amerikanischer Arbeitsplätze.“, fasste Scholz zusammen.
Scholz weiter:
„Ich finde es ja gut, die Arbeiterinnen und Arbeiter ins Zentrum der Handelspolitik zu stellen, aber eben bitte nicht nur die eigenen. Denn diese Argumentation trifft für alle Seiten zu, auch für die notwendiger Weise auf grüne Energien umzustrukturierende Stahlbranche in Deutschland und anderswo in der EU - und darüber hinaus.“
Scholz mahnte eine Verlagerung der Prioritäten an: „Wir sollten deshalb über solchen Hahnenkampf hinausdenken. Viel grundsätzlicher sind die globalen Herausforderungen. Es bleibt wenig Zeit, die Erderwärmung durch den Klimawandel aufzuhalten. Es bleiben nur noch 9 Jahre, um die in der UNO vereinbarten Nachhaltigkeitsziele für alle Länder der Erde zu erreichen. Armutsbekämpfung, Umweltschutz, Zugang für alle zu Gesundheitsdiensten und Bildung und Abrüstung müssen deshalb die gemeinsamen Ziele unserer Partnerschaft mit den USA sein.“
Doch selbst EU und USA zusammen würden diese Ziele nicht schaffen können, ohne weitere Partner zu gewinnen. Kooperationen seien notwendig, auch mit China.
„Hier beginnt das neue Narrativ. Statt Konfrontation Kooperation, statt Wir/Ich jeweils First, Synergien schaffen und gemeinsames Vertrauen wiederherstellen und Regeln setzen. Auch in der WTO.“, betonte Scholz abschließend.