Diese Website dokumentiert mein Mandat als Abgeordneter des Europäischen Parlaments von 2009 bis 2024 und wird nicht mehr aktualisiert.

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Plastik im Kreislauf

Unternehmen in die Pflicht nehmen!

19.10.2018
Frederike-Sophie Gronde-Brunner

Zu Beginn des Jahres präsentierte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft. Ein wichtiger Vorstoß, der an das bereits seit einigen Jahren wachsende Umdenken vieler Bürgerinnen und Bürger, die zunehmend auf Kunststoffe verzichtet, anknüpft. Doch leider wird diese „Wende“ auch von der Kunststoffindustrie behindert, die dafür sorgt, dass unsere alltäglichen Gebrauchsgüter zum größten Teil aus Kunststoff bestehen oder in diesem verpackt sind. Von den 58 Millionen Tonnen Kunststoff, die in der EU jährlich produziert werden, liegt der Anteil von Verpackungen bei 40 Prozent und jener der Gebrauchsgüter bei 22 Prozent. Für die Verbraucher*innen ist somit der Weg zu umweltbewussten Handeln erschwert. Langjährige eingeschliffene und tradierte Konsumgewohnheiten und die vom Handel entsprechend entwickelte Logik einer ständigen Verfügbarkeit von Waren (praktisch jederzeit und überall) auf der einen Seite sowie sinnvolle und wichtige, aber auch überregulierende sanitäre Vorschriften und Normen auf der anderen Seite tragen das Übrige dazu bei, diese Wege zu einem bewussten Umdenken schneller und erfolgreicher zu gehen. Und leider ist es oftmals auch eine Frage des Geldbeutels, da nachhaltig produzierte Produkte weit über dem Budget liegen und für viele Menschen einfach nicht erschwinglich sind und sie somit selbst bei aller Bereitschaft, hier anders zu handeln, in der praktischen Realisierung scheitern (müssen).

Wattestäbchen, Kaffee-Rührstäbchen, Trinkhalme, … von den 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfällen, die jährlich anfallen, werden nur 30 Prozent recycelt. Der große Rest wird verbrannt oder landet auf Mülldeponien (31 Prozent). Diese befinden sich zum großen Teil in Drittstaaten, denn die Abfallunternehmen zahlreicher EU- Mitgliedstaaten verkaufen ihre Kunststoffabfälle zu einem großen Teil ins Ausland. Andere Standards, andere Entsorgungsrichtlinien, andere Abfallwirtschaftskapazitäten, andere ökonomische Umsetzungsmöglichkeiten für oftmals sehr moderne und umweltbewusste Gesetzeslagen in diesen Ländern: Auch das führt dazu, dass die Abfälle – ja, auch unser europäischer „Müll“ und unser „Elektronik-Schrott“ in Plasteummantelungen, der gar nicht aus der EU heraus gelangen dürfte, weil nach geltenden, aber zu lasch umgesetzten und zu wenig kontrollierten Richtlinien nicht statthaft – in den Weltmeeren landen. Bis zu 13 Millionen Tonnen Kunststoffe gelangen jährlich weltweit in die Weltmeere, derzeit befinden sich dort bereits mehr als 150 Millionen Tonnen.

Die Auswirkungen für das Ökosystem sind verheerend. Plastik hat eine Lebensdauer von bis zu 300 Jahren, zerfasert in seine Einzelteile, sogenanntes Mikroplastik, und setzt sich auf Korallen ab, was zu deren Absterben und somit zur Verringerung der Artenvielfalt und dem Zusammenbruch des Ökosystems beiträgt. Plastik wird in ganzen Teilen und in Form von Mikroplastik von den Meeresbewohnern mit der Nahrung aufgenommen und landet am Ende wieder in Europa, auf unserem Teller!

Zur nun vorliegenden Strategie der Kommission gab es am 12. September in der Plenarsitzung des Europaparlaments in Straßburg eine Aussprache. Der belgische Abgeordnete Mark Demesmaeker hatte dazu einen Bericht vorgelegt. Mit großer Mehrheit wurde dieser von den Abgeordneten angenommen. Auch ich habe dafür gestimmt. Zudem gab es einen Entschließungsantrag des Umweltausschusses zu möglichen Verknüpfungen zwischen Chemikalien-, Produkt- und Abfallrecht, welcher sich explizit auf die von der Kommission vorgeschlagene Strategie bezieht. Auch dieser wurde mit großer Mehrheit angenommen. Im weiteren parlamentarischen Verfahren ist die EU-Kommission nun gefordert, ihren Vorschlag gemäß der Änderungsvorschläge der Abgeordneten zu überarbeiten und einen angepassten Vorschlag vorzulegen, der dem Parlament erneut zur Prüfung und Bewertung vorgelegt werden soll.

 

Die Strategie der Kommission weist insgesamt den richtigen Weg und ist insbesondere jetzt von großer Bedeutung, da China aufgrund eigener strengerer Umweltgesetzgebung seit Anfang des Jahres Plastikmüll aus Europa nicht mehr abnimmt. Allein Deutschland exportierte jedoch jährlich 570.000 Tonnen Plastikmüll nach China. Wie also sehen die nationalen Maßnahmen aus, um sich den daraus ergebenden Herausforderungen einer modernen Kreislaufwirtschaft zu stellen, Müll zu vermeiden, viel sorgsamer mit Ressourcenerwirtschaftung und -verbrauch umzugehen?

Auch fehlen nach wie vor verbindliche Regelungen in der internationalen Handelspolitik sowie Kontrollmechanismen für diesen Bereich, denn allein über den Binnenmarkt ist das Problem nicht zu lösen.  Ich meine, auch international müssen über die in internationalen Handelsverträgen zwingend vorgeschriebenen „Nachhaltigkeitskapitel“ entsprechende durchsetzbare Instrumente vereinbart und verbindliche Mechanismen durch die Vertragspartner geregelt werden.

Zugleich ist eine international breite gesellschaftliche Diskussion über diese Fragen unseres Alltags anzukurbeln: Verbindliche Ziele für höhere Umweltstandards sowie neue Produktionstechnologien, die den Ressourcenverbrauch entscheidend absenken, Energiekosten und auch den Plastikeinsatz in die Warenproduktion einrechnen und somit auch wirtschaftlich die mögliche Abfallvermeidung in der Produktion berücksichtigen;  dies sind Schritte in die richtige Richtung. Aber dazu gehört sicherlich auch die konsequente Einrechnung von Transportkosten in Preisbildung von Waren. Was auch gerade bei Lebens- und Futtermittelproduktion und -handel berücksichtigt werden muss, einschließlich der Fragen der Entsorgung bzw. stofflichen Wiedergewinnung in wirtschaftlichen Kreisläufen.

Sicherlich wird es dadurch viel schneller möglich, statt Kunststoffen natürliche Rohstoffe zu verwenden und die unabdingbare Verpflichtung zu Recycling festzuschreiben, in der EU, aber auch in Drittstaaten. Dies sind unverzichtbare Bestandteile einer aufgezeigten Strategie in Bezug auf die Entwicklung einer   nachhaltigen und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft, die die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt.

Damit bleibt auch klar, dass die Unternehmen, ob große, transnationale - die aber vor allem -  oder kleine und mittelständische, und in der Region produzierende Unternehmen weltweit in die Pflicht genommen werden müssen und hierfür der Staat, die Gesetzgeber, eine entscheidende Verantwortung tragen; denn die Last ist nicht auf die Verbraucher*innen abzuwälzen.

Es bleibt eine große gesellschaftliche Aufgabe: Neben den Institutionen, Agenturen und Fachbereichen auf EU- und Mitgliedstaatlicher Ebenen sind natürlich auch die politischen, wirtschaftlichen, aber auch die gesellschaftlichen Akteure in den Regionen und Kommunen gefragt, was die Abfallwirtschaft betrifft. Das beschriebene Umdenken fängt mit Einsichten an, mit der Vermittlung von Wissen und mit der Bereitschaft darüber nachzudenken, wie wir eigentlich leben wollen, wie wir produzieren und konsumieren. Und dazu gehört dann in den Städten, Dörfern und Kreisen sicherlich auch ein auf Recycling ausgerichtetes Abfallsystem, ohne das auch beste internationale Regelungen nichts nutzen. Wir sind als Politiker*innen und Verbraucher*innen alle angehalten, zu einer nachhaltigen kreislauforientierten Kunststoffwirtschaft beizutragen. Und da heißt es für mich als Abgeordneter im Europäischen Parlament mitzuwirken, dass der europäische Müll nicht in andere Staaten ausgelagert wird, sondern wir uns über unseren Abfall und seine Beseitigung bzw. stoffliche Wiedergewinnung vor Ort den Kopf zerbrechen und Lösungen schaffen.

 

Plastikstrategie der Kommission:

http://ec.europa.eu/environment/circular-economy/pdf/plastics-strategy-brochure.pdf

 

Bericht über eine europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft (2018/2035(INI)) des zuständigen Ausschusses:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A8-2018-0262+0+DOC+PDF+V0//DE

 

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. September 2018:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2018-0352+0+DOC+PDF+V0//DE

 

gesamter Prozess:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&mode=XML&reference=A8-2018-0262&language=DE#top

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