In der Plenardebatte des Europäischen Parlaments zu gedumpten Einfuhren aus Nicht-EU-Ländern warnte Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der Delegation DIE LINKE. im EP, am Dienstag in Straßburg von einer ‚Lex China‘. Vorausgegangen waren Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission über einen neuen Ansatz für Handelsschutzinstrumente (TDI). Dieses Gesetzgebungsverfahren wurde am Mittwoch mit großer Mehrheit vom Plenum bestätigt.
„Der Rat und das Parlament haben sich erstmals darauf geeinigt, Fälle von Sozialdumping und Umweltdumping zu bestrafen. Das ist ein wichtiger Durchbruch, für den meine Fraktion lange gearbeitet hat“, betonte der Abgeordnete, ergänzte jedoch: „Diese Gesetzesänderung zielt vor allem und mit Druck auf unser Verhältnis zu China. Die Gesetzgebung, welche die Modernisierung der Handelsschutzinstrumente und aus Sicht meiner Fraktion endlich auch Umwelt- und Sozialstandards generell regeln soll, hängt hingegen in nicht enden wollenden Verhandlungen mit dem EU-Rat fest.“
Zu Beginn des Jahrtausends habe die EU den Beitritt Chinas zur WTO für wichtig gehalten. Daher sollte China ab 2017 wie eine Marktwirtschaft behandelt werden. „Heute sieht die EU das anders“, so Helmut Scholz. Anstelle einer Liste mit Ländern, die nicht als Marktwirtschaft betrachtet werden, führe die EU-Kommission jetzt Länderberichte als Referenzdokumente ein. „So weit, so gut, aber bislang gibt es nur einen solchen Bericht, quasi eine ‚Lex China‘. Und dieses Dokument ist marktwirtschaftlicher Purismus in Reinform, der jedes staatliches Eingreifen, jede politische regulatorische Weichenstellung als Störung des Marktes einstuft. Wenn das bei der WTO durchkommt, könnte auch jede industriepolitische Maßnahme in einem EU-Mitgliedstaat künftig verklagt werden.“
Generell werde die bevorstehende Ministerialkonferenz der WTO im Dezember in Buenos Aires (WTO-MC 1) vor die wichtige Aufgabe gestellt sein, das multilaterale Welthandelssystem gegen erwartete Angriffe aus den USA zu verteidigen, sagte Scholz bei einer weiteren Debatte zur Vorbereitung der WTO-MC 11, ebenfalls im Plenum. „Als Linke fordern wir, dass sich die WTO durch eine Neuausrichtung hin zu fairen Welthandelsbeziehungen eine neue Legitimierung erarbeiten muss. Dazu gehört auch, dass Umwelt- und Sozialnormen künftig durch globales Handelsrecht gestärkt werden müssen.“
„Globale Wertschöpfungsprozesse, die Veränderung der traditionellen Warenproduktion, datenbasierte Produktion in Industrie und Landwirtschaft, Dienstleistungen und neue Regelsetzungen bestimmen zunehmend die Agenda der Handels- und wirtschaftlichen Zusammenarbeit aller Länder und regionalen Kooperationsstrukturen“, hob der Handelsexperte hervor. Vor diesem Hintergrund müssten die Interessen der Menschen auf allen Kontinenten in den Mittelpunkt gestellt und zugleich die Welthandelspolitik auf die konsequente Erfüllung der UN-Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 ausgerichtet werden. Die Hausaufgaben eines erfolgreichen und längst überfälligen Abschließens der Doha-Entwicklungsrunde seien zugleich Voraussetzung für das in Angriff nehmen neuer Aufgabenstellungen, auf das vor allem die Industriestaaten drängten. „Und hier muss auch die EU liefern.“