Drei Fragen – drei Antworten
zu den laufenden Verhandlungen für das Freihandelsabkommen EU – Japan (JEFTA)
Im Juli haben sich die japanische Regierung und die EU grundsätzlich auf eine strategische Partnerschaft und ein umfassendes Freihandelsabkommen geeinigt. Nach den Vorstellungen beider Vertragsseiten soll der Freihandelsvertrag noch 2017 unterschriftsreif sein und 2019 in Kraft treten. Welche Bedeutung hat das sogenannte JEFTA-Abkommen?
Die Bedeutung ist kaum zu überschätzen. Europa und Japan sollen zur weltweit bedeutendsten Freihandelszone mit insgesamt mehr als 600 Millionen Menschen zusammenwachsen. Japan ist nach den USA, China und der EU die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Es geht bei JEFTA um die Beseitigung der Zölle auf 99 Prozent der zwischen Japan und der Europäischen Union gehandelten Waren. Und inzwischen gab Japan auch seine Vorbehalte gegenüber den Einfuhren von Agrar- und Nahrungsmittelprodukten in einem Kompromiss mit der EU auf, die ihrerseits nach einer siebenjährigen Übergangszeit den derzeit bestehenden zehnprozentigen Einfuhrzoll für Autos aus Japan abschafft und den Zugang elektronischer Produkte auf den europäischen Markt weiter erleichtert. Offiziell wird aus EU-Kommissionskreisen z.B. erwartet, dass allein der Export von verarbeiteten Nahrungsmitteln nach Japan um bis zu 180 Prozent steigen könnte; dies würde einem zusätzlichen Umsatz in Höhe von zehn Milliarden Euro entsprechen.
Das klingt doch für sowohl für VerbraucherInnen als auch exportierende wie importierende Wirtschaftszweige gar nicht schlecht und ist sicher auch eine klare Absage an den von der Trump-Administration in den USA verfolgten Protektionismus.
Zunächst einmal: Die publicityträchtig am Vorabend des G20-Treffens im Sommer beim EU-Japan-Gipfel in Brüssel verkündete „Einigung“ ist de facto noch gar keine, denn noch gehen die Verhandlungen – auch in substantiellen Bereichen – weiter. Es sind noch einige schwergewichtige Themen offen, und das sind vor allem jene, die ein ganz anderes Licht auf die Bilanz werfen. Nehmen wir die Frage der europäischen Agrarexporte nach Japan. Zwar könnten dadurch zunächst einmal die Preise für Lebensmittel in Japan sinken. Als mittel- und langfristige Folge allerdings wird eine auf allen bisherigen Erfahrungen mit solchen Abkommen basierende negative Auswirkung auf die japanische Landwirtschaft und die konkrete Situation der dortigen Landwirte durch die europäische Konkurrenz bei Agrarprodukten, die bekanntlich gestützt werden, zu erwarten sein. Auch die vor gewaltigen Herausforderungen einer grundlegenden Umstrukturierung, Überwindung eigener betriebswirtschaftlicher Fehler und Versagen angesichts verschärften globalen Wettbewerbsproblemen stehenden europäischen Automobilhersteller, und damit in der Konsequenz auch die Gewerkschaften und Betriebsräte von Citroen bis Skoda und Volkswagen, dürften über die im Deal getroffenen Regelungen nicht gerade glücklich sein. Beide Seiten stimmten ferner im Sommer grundsätzlich zu, jeweils gegenseitig die öffentlichen Beschaffungsmärkte weitgehend zu öffnen, aber es bedarf jedoch offensichtlich noch weiterer konkreter Verhandlungsschritte, ob und inwieweit dies auch die subzentrale Ebene beinhalten wird. Es gibt aber bereits wachsende Besorgnis unter Dienstleistern und Dienstleistungsgewerkschaften in Europa, da die Ausschlussklausel für öffentliche Dienstleistungen, die im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) durch entsprechenden Druck ihrerseits erreicht wurde, nicht übernommen worden sein soll. Wasser als öffentliches Gut ist einfach keine Ware, deren „Handel“ in die Hände von profitorientierten Unternehmen gegeben werden darf. Der Zugang muss also frei bleiben – dies gilt es immer wieder neu zu garantieren und zu regeln.
Oder ein anderes Beispiel: Um sicherzustellen, dass künftig keine neuen Regelungen geschaffen werden, die Marktzugang, Handel und Investitionen behindern könnten, schlug die Europäische Kommission ein Kapitel über Regulierungszusammenarbeit vor, das über das hinausgeht, was in CETA vereinbart wurde. In Zukunft soll ein gegenseitig angewendetes Notiz- und Kommentarsystem den Unternehmen ein Recht geben, Besorgnis über neue Regelungen bereits in der Planungsphase zu äußern. Die Regulierungsbehörden sollen bereits frühzeitig über Änderungen informieren. Ein ähnlicher Ansatz also wie bei den ggw. auf Eis gelegten TTIP-Verhandlungen. Aber: Die Verhandlungen zu diesem Kapitel dauern noch an, wie auch über die institutionellen Komponenten, u.a. einen JEFTA-Rat, der innerhalb des Abkommens geschaffen werden soll. Aber weitgehend entschieden ist, dass ein ursprünglich beabsichtigter Abkommensteil zu Investitionspolitik und Investorenschutz nicht länger im JEFTA verbleiben, sondern in einem gesonderten Abkommen geregelt werden soll. Damit allerdings wird dann JEFTA als ein ausschließlich auf EU-Ebenen zu ratifizierendes Abkommen angestrebt – ohne die schwierige Ratifizierungsphase auf den nationaler Ebenen – wie bei CETA gegenwärtig zu verfolgen – durchlaufen zu müssen. Was wiederum die Verantwortung der nationalen Parlamente in Bezug auf Kontrolle ihrer Regierungsvertreter im Handelspolitischen Rat des EU-Rates erhöht. Ähnlich soll mit dem gegenwärtig noch nicht final verhandelten Problem des digitalen Handels im JEFTA umgegangen werden: ein gesonderter Abschnitt, der später verhandelt und entsprechend in das bilateral geregelte kommerzielle Abkommens Gefüge eingefügt werden soll. In Bezug auf das Investitionsabkommen ist offen, wie beide Seiten mit bestehenden unterschiedlichen Positionen hinsichtlich des zu regelnden Streitschlichtungsmechanismus umgehen werden: unter dem alten, von Japan favorisierten ISDS-Format – mit Blick auf die TPP-Verhandlungen und notwendige Einigungsmöglichkeiten mit den USA – oder das von der EU mit CETA und dem EU-Vietnam-Freihandelsabkommen eingeführte neuere Modell eines ‚Investment Court Systems‘.
Gegen das CETA-Freihandelsabkommen und gegen das geplante umfassende transatlantische Abkommen mit den USA (TTIP) gab es breite Proteste, in Deutschland, in vielen EU-Mitgliedstaaten, aber auch in den USA und anderswo. Ist das Im Falle JEFTA auch so?
Das ist zumindest in den kommenden Wochen und Monaten zu erwarten. Notwendig ist jedoch auch, sowohl über den konkreten Inhalt als auch über die möglichen negativen Auswirkungen auf den sozialen und wirtschaftlichen Alltag hierzulande wie in Japan, die mit JEFTA ebenso wie dies mit CETA und TTIP eintreten können, aufzuklären. So bringen Umwelt- und Verbraucherschützer ihre Befürchtungen, dass über JEFTA europäische Standards im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes ausgehebelt werden könnten, in die Öffentlichkeit. Ebenso wie dies z.B. japanische Bauernvertretungen in Bezug auf die beabsichtigten Agrarpolitik- und Handelsabschnitte des JEFTA tun. Die Linksfraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament wird gerade deshalb auf einer internationalen Konferenz am 7. November tiefer in die bislang bekannt gewordenen Abkommenstexte des JEFTA Einblick verschaffen und auf mögliche Folgen und langfristige Auswirkungen aufmerksam machen.
Leider erleben wir bei JEFTA ein ähnlich intransparentes Vorgehen in Bezug auf die Öffentlichkeit in den EU-Mitgliedstaaten wie bei TTIP und CETA. Der EU-Rat hat sich bis heute geweigert, den jahrelangen öffentlichen Forderungen des Europäischen Parlaments, der Journalisten und der Bürgerinnen und Bürger zu folgen, das Mandat für die Verhandlungen mit Japan zu veröffentlichen. Damit bleibt das Herstellen von Transparenz über Ansatz, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen eine unserer Kernforderungen. Ich hatte gehofft, dass die Tage der Hinterzimmer-Handelsverhandlungen vorbei waren, aber erneut zeigt sich: es bleibt noch viel zu tun – auf EU- und Mitgliedstaatlicher Ebene.