Der heute nach dem EU-Japan-Gipfel angekündigte Deal über das Freihandelsabkommen EU-Japan bedeutet das größte Freihandelsabkommen, das die EU bisher abgeschlossen hat. Es geht um die Beseitigung der Zölle auf 99% der zwischen Japan und der Europäischen Union gehandelten Waren. In der Endphase gab Japan auch seine Vorbehalte gegenüber den Einfuhren von Agrar- und Nahrungsmittelprodukten in einem Kompromiss mit der EU auf, die nach einer siebenjährigen Übergangszeit den bestehenden 10% -igen Einfuhrzoll für Autos aus Japan abschafft. Dazu Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament: "Japanische Landwirte, aber auch die bereits in Schwierigkeiten steckenden Automobilhersteller in Italien und Frankreich gehören zu denen, die heute den Deal nicht feiern werden.“
“Der EU-Rat hat sich bis heute geweigert, den jahrelangen öffentlichen Forderungen des Europäischen Parlaments, der Journalisten und der Bürger zu folgen, das Mandat für die Verhandlungen mit Japan zu veröffentlichen. Die Transparenz bleibt eine unserer Kernforderungen. Ich hatte gehofft, dass die Tage der geheimen Hinterzimmer-Handelsverhandlungen vorbei waren, aber leider beweisen die Verhandlungsführer der Kommission, dass ich mich irrte," so Scholz.
"Eines der Hauptziele der Verhandlungen war die Beseitigung von nichttarifären Barrieren für den Marktzugang in Japan", erklärt Scholz. Die europäischen Industrieorganisationen hatten zwei lange Listen von Vorschriften und Anforderungen in Japan zusammengestellt, die abgeschafft werden sollten. Unter dem Druck der zwischen der EU und dem japanischen Konkurrenten Südkorea geschlossenen Vereinbarung hat sich Japan weitgehend den EU-Forderungen ergeben, um einen gleichberechtigten Zugang zum europäischen Markt für seine PKW-Exporte und elektronischen Unterhaltungsgeräte zu erhalten.
"Mit Bezug auf das, was in der Mitte des 19. Jahrhunderts passiert ist, hat Premierminister Shinzo Abe einmal die Reihe von Freihandels-Deals seiner Regierung mit Australien, dem TPP und nun JEFTA, die ‚zweite Öffnung Japans‘ genannt. Ich kann nur hoffen, dass es nicht wie damals zu einer massiven wirtschaftlichen Instabilität führen wird," kommentiert Scholz.
Um sicherzustellen, dass künftig keine neuen Regelungen geschaffen werden, die Marktzugang, Handel und Investitionen behindern könnten, schlug die Europäische Kommission ein Kapitel über Regulierungszusammenarbeit vor, das über das hinausgeht, was in CETA vereinbart wurde. In Zukunft soll ein gegenseitig angewandtes Notiz- und Kommentarsystem den Unternehmen ein Recht geben, Besorgnis über neue Regelungen bereits in der Planungsphase zu äußern. Die Regulierungsbehörden sollen bereits frühzeitig über Änderungen informieren. Die Verhandlungen über dieses Kapitel, aber auch über die institutionellen Komponenten, wie zum Beispiel einen JEFTA-Rat, der innerhalb des Abkommens geschaffen werden soll, werden noch verhandelt.
"Das Europäische Parlament sollte die Versuche der EU-Kommission ablehnen, quasi ‚CETA+‘ Vorschriften im Abkommen mit Japan für eine Reihe von Themen unterzubringen, die sie aufgrund der höheren öffentlichen Aufmerksamkeit nicht im Kanada-Abkommen durchgesetzt haben", warnt Helmut Scholz. "Auch Elemente der abgelehnten ACTA-Vereinbarung über den Schutz des geistigen Eigentums im Internet sollen nicht besser in das Japan-Abkommen geschmuggelt werden."
Beide Seiten stimmten auch grundsätzlich zu, die öffentlichen Beschaffungsmärkte weitgehend zu öffnen, während es jedoch noch weiterer Verhandlungen bedarf, ob dies auch die subzentrale Ebene beinhaltet. Es gibt Besorgnis unter Dienstleistern und Dienstleistungsgewerkschaften in Europa, da Gerüchte besagen, dass die Ausschlussklausel für öffentliche Dienstleistungen, die von ihnen in CETA erreicht wurde, nicht durch Kopieren/Einfügen in den Text des Japan-Abkommens übernommen wurde. "Da dieses Kapitel anscheinend auch noch verhandelt wird, kann ich in diesem Stadium nur die Kommission warnen, noch einmal zu versuchen, unsere öffentlichen Dienstleistungen in den normalen Markt zu überführen", betont Scholz. "Wasser ist einfach keine Ware. Jede Vereinbarung, die eine groß angelegte Liberalisierung des öffentlichen Auftragswesens beinhaltet und einen Weg zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen eröffnet, wird in der EU28 auf heftige Opposition der europäischen Bürger und Gemeinden treffen."
Scholz betont: "Es ist nicht akzeptabel, dass Textvorschläge und vereinbarte Komponenten des Abkommens von Greenpeace öffentlich gemacht werden müssen. In 13 Sitzungen der Kommission mit den Mitgliedern des Europäischen Parlaments haben wir nur langwierige mündliche Zusammenfassungen des Standes der Verhandlungen gehört. Ein Text wurde uns nicht vorgelegt. Auf der Website der Kommission wurden nur zwei EU-Textvorschläge veröffentlicht, einer zur Regulierungszusammenarbeit und einer zu KMU. Dies bedeutet, dass die Kommission weit hinter dem Transparenzstandard zurückbleibt, der unter öffentlichem Druck in den TTIP-Verhandlungen etabliert wurde. Die altmodische und die falsche Methode, hinter dem Vorhang zu verhandeln, kann nur die Ängste erhöhen, dass der Deal die sozialen, ökologischen und arbeitsrechtlichen Normen abschwächen wird", warnt der Europaabgeordnete.
Scholz formuliert eine klare Forderung: "Jetzt wollen wir die Texte der Vereinbarung sehen! Wir wollen auch die Textvorschläge der vielen Kapitel sehen, zu denen noch verhandelt wird. Wir wollen, dass die Öffentlichkeit in der Lage ist, zu beurteilen, ob das JEFTA-Abkommen auch weitreichende Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die allgemeine Entwicklung in den ländlichen Gebieten, auf Umwelt, Dienstleistungen und den Automobilsektor haben wird. Wir wollen Antworten darauf, welcher einklagbare Mechanismus innerhalb der regulatorischen Zusammenarbeit vorgesehen ist, um zu gewährleisten, dass auf beiden Seiten hohe Standards hinsichtlich der Arbeitsrechte, der ökologischen Nachhaltigkeit und des Datenschutzes bestehen bleiben. "
Anscheinend bleibt die Verhandlung weiterhin offen in der Frage, ob Investoren das Recht erhalten sollen, eine Regierung vor einem Schiedsgericht verklagen zu können, sei es unter dem alten ISDS-Format oder mit dem neueren Modell eines ‚Investment Court Systems‘.
"Von dem, was ich hörte, drängte die Kommission auf das Investment Court System. Dieser Mechanismus wurde in ganz Europa kritisiert, als er in die CETA- und Vietnam-Abkommen eingeführt wurde. Japan hat sich lange Zeit geweigert, ein neues System zu übernehmen, an dessen Gestaltung sie nicht beteiligt waren. Japan präferiert die noch schlimmere ISDS-Struktur des Investitionsschutzes, vermutlich unter US-Einfluss, da sie scheinbar immer noch auf ein bilaterales Handelsabkommen mit den USA hoffen, nachdem Trump den US-Rückzug aus TPP befahl. "
"Die heutige Verkündung einer ‚Prinzipiellen Einigung‘ ist ein politischer Showeffekt. Es ist eine PR-Übung. Die Wahrheit ist: Die Verhandlungen gehen weiter. Da das Abkommen mit einem großen Mangel an Transparenz ausgehandelt wird, ist es nun zu einer Aufgabe für die Bürgerinnen und Bürger und für die Medien in den 28 EU-Mitgliedstaaten und noch mehr in Japan geworden, den Zugang zu den Verhandlungsdokumenten und die Entscheidungsfindung über den Deal einzufordern. In Japan ist bislang sogar die Diet (Nationalversammlung) überhaupt nicht in den Prozess einbezogen."
"Die Kommission beabsichtigt offensichtlich, die legitimen Sorgen, die in der Öffentlichkeit und in den Parlamenten auf europäischer und Mitgliedstaatenebene im Zusammenhang mit TTIP, CETA, Mercosur und anderen Handelsgeschäften aufgeworfen wurden, zu ignorieren. Wann wird die Kommission endlich verstehen, dass es bei Fair Trade nicht nur darum geht, Zahlen für den Austausch von Waren und Dienstleistungen festzulegen. Eine faire Regulierung des Handels bedarf der Einbeziehung all jener, die durch Handelsabkommen in Produktion und Verbrauch betroffen werden, da diese die Volkswirtschaften in einer Zeit globalisierter Märkte und globaler Wertschöpfungsketten gestalten," erklärt der Abgeordnete Helmut Scholz abschließend.