Europäisch denken – lokal handeln
29.03.2017
Das kommunalpolitische forum Brandenburg e.V. (kf) ist ein Bildungsverein für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in Brandenburg und hatte als solcher vom 19.-22. März zu einer Bildungsreise nach Brüssel eingeladen. Die Europäische Union hat mit ihren Entscheidungen Auswirkungen auf die Kommunalpolitik in den Ländern und Regionen Europas. Ziel der Bildungsfahrt war daher, Verständnis für die Auswirkungen europäischer Politik auf die Kommunalpolitik vor Ort zu entwickeln und aufzuzeigen, wie europäische Politik beeinflusst werden kann und wird.
Die Reisegruppe hatte mehrere Stationen in Brüssel auf ihrem Programm. So waren der Städte- und Gemeindebund, der Sparkassen- und Giroverband, der Ausschuss der Regionen, die Brandenburger Landesvertretung in Brüssel und natürlich auch das Europäische Parlament (EP) fest eingeplant. Letztgenannte Station wurde am 20. März besucht. Helmut Scholz als Brandenburger Mitglied des Europäischen Parlaments begrüßte die Gruppe gern, berichtete über die Arbeit im Parlament und aktuelle Projekte der politischen Agenda. Im Anschluss wurde die Gruppe vom Besucherdienst des Parlaments betreut und mit der Funktions- und Arbeitsweise der europäischen Institutionen vertraut gemacht. Dazu gehörte selbstverständlich auch die Besichtigung des Plenarsaales.
Am Abend hatte die Gruppe des kf dann in ihrem Hotel die Abgeordneten Martina Michels (Berlin) und Helmut Scholz (Brandenburg) zum Gespräch geladen. Martina Michels berichtete über ihre Themenfelder und Tätigkeiten im EP. Darunter sind Kulturpolitik, regionale Entwicklung oder auch die Außenbeziehungen zwischen dem EP und der Türkei sowie Israel. Nachdem sich auch Helmut Scholz mit einem kurzen Abriss seiner Arbeitsschwerpunkte vorgestellt hatte, ging es in die inhaltliche Diskussion mit den Brandenburger Kommunalpolitikerinnen und –politikern.
Ein Thema waren die von EU-Kommissionspräsident Juncker vorgelegten fünf Szenarien zur Reform und Weiterentwicklung der EU. Dort wird der Fokus stark auf die Förderung staatlicher Aufgaben durch private Investitionen gelegt – Stichwort Privatisierung. Damit hat DIE LINKE natürlich ein Problem und artikuliert hier deutlich ihren Widerspruch. Denn immer mehr privates bedeutet natürlich auch einen Kontrollverlust für die Politik und somit weniger demokratische Kontrolle.
Es wurde aber von den beiden Abgeordneten deutlich gemacht, dass die vorgelegten Szenarien zumindest erstmalig eine Diskussion über die Zukunft der EU angestoßen haben. Man hat begonnen, sich über die Weiterentwicklung der EU, auch mit Blick auf den nahenden Brexit, Gedanken zu machen. Nichtsdestotrotz ist DIE LINKE mit keinem der zur Debatte gestellten fünf Szenarien einverstanden und wird wohl ein eigenes, sechstes Szenario entwerfen.
Helmut Scholz stellte auch die Frage, was uns allen der Integrationsprozess der einzelnen Staaten in der EU qualitativ wert ist. Wieviel der nationalen Souveränität soll nach Brüssel im Sinne einer gemeinsamen Stimme Europas abgegeben werden? Auch die linken Parteien der Fraktion GUE/NGL (der DIE LINKE aus Deutschland angehört) sind hier sehr plural in ihrer Meinung aufgestellt. Von allen wird aber ein Europa mit mehreren, unterschiedlichen Geschwindigkeiten (so ein Szenario von Juncker) als schlecht angesehen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Abends waren sich darin einig, dass EU-Politik viel volksnäher kommuniziert werden müsse. Mit der Frage „Was bringt Europa mir persönlich?“ und den massig vorhandenen Antworten dazu (Freizügigkeit in den Ländern beim reisen/ arbeiten/ studieren, kultureller Austausch, Frieden in Europa, einheitliche Umweltstandards, …) ließe sich wohl auch die Wahlbeteiligung steigern. DIE LINKE muss Europa neu denken und leben! Wir wollen den Kapitalismus abschaffen und das ja in Gänze – also kann man auch dafür nicht nur allein in Deutschland oder Spanien streiten, sondern muss dies vereint tun. Eine Forderung der LINKEN im EP ist auch das Gesetzesinitiativrecht für das EP. Bisher kann es sich nur mit Gesetzentwürfen befassen, die die EU-Kommission ihm vorgelegt hat. Mit einem eigenen Initiativrecht ließe sich viel mehr politisch im EP agieren – was wiederum den Fokus und das Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf das EP lenken würde. Auch muss der Blick viel mehr auf die Wissensgesellschaft gelegt werden, die Jugend gilt es für Europa zu gewinnen um aus ihnen so überzeugte Europäerinnen und Europäer zu machen.
Letztlich muss uns allen klar sein: Das ist nicht DAS Europa, DIE Europäische Union, sondern UNSER – gestalten wir es also!
Felix Thier