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Handelszusammenarbeit mit Lateinamerika: EU braucht adäquate und faire Ansätze

15.12.2016

Das Europäische Parlament gab am Mittwoch dem Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors mit 544 Stimmen seine Zustimmung. 114 Gegenstimmen kamen von der Fraktion der Grünen, aus der EP-Linksfraktion GUE/NGL, von der französischen Delegation in der S&D Fraktion, von der ENF sowie einigen fraktionslosen Abgeordneten.

Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der Linksfraktion und EP-Berichterstatter für die Handelszusammenarbeit mit Ecuador, plädiert stattdessen dafür, alternative und stärker entwicklungsorientierte Ansätze in den Handelsbeziehungen mit Ecuador zu prüfen und aufzugreifen.

„Die Zurückhaltung der Kommission gegenüber einem neuen Herangehen ist ein Fehler. Das Abkommen mit den Staaten der Region muss in den kommenden Jahren dringend überarbeitet und verbessert werden, gerade wenn es um die Begleitung gesellschaftlicher Veränderungen wie den Friedensprozess in Kolumbien geht. Die nach wie vor sensiblen und fragilen Situationen in den Ländern der Andenregion und ihrer Nachbarstaaten sollten gerade auch in den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der EU zu Lateinamerika Berücksichtigung finden.“

„Viele Kleinbauern in Kolumbien haben bereits ihre Existenz als Folge der doppelten Konkurrenzbelastung durch die Abkommen mit den USA und der EU verloren. Das gilt beispielsweise auch hinsichtlich neuer Bergbauaktivitäten, gefährden doch gerade sie den Lebensraum und traditionelle Lebensformen indigener Bevölkerungsgruppen. Darüber hinaus stellt der Bergbau auch eine enorme Umweltbelastung dar. Durch eine vorausschauende und partnerschaftlich ausgerichtete, faire Handelspolitik müssen ähnliche Auswirkungen auf Ecuador vermieden werden. Wohlwissend sieht die moderne, beispielhafte Verfassung Ecuadors für diese äußerst sensiblen Bereiche hohe Schutzniveaus vor - ein egoistischer, rein interessengeleiteter Druck durch EU-Unternehmen verbietet sich hier eigentlich!“

„Das Europäische Parlament und sein Handelsausschuss (INTA) stehen in der Verantwortung, die wirtschaftlichen und die sozioökologischen Folgen des Abkommens in den nächsten Jahren genau zu evaluieren. Wenn nötig, werden wir entsprechende Änderungen im Abkommen fordern: Das Europäische Parlament wird in Bezug auf die Handelszusammenarbeit mit Ecuador, wie bei allen anderen Abkommen, seine Verantwortung nicht mit der Ratifizierung ablegen, sondern dessen Umsetzung im Alltag aktiv begleiten.“

Zum Hintergrund:

Ecuador hatte sich 2009/2010 aus den Verhandlungen mit der EU zurückgezogen und darauf bestanden, zunächst den Kampf gegen Armut, für die verfassungsrechtliche Verankerung von Menschen-, Sozial- und Umwelt-Standards und eine eigenständige nachholende und zugleich nachhaltigere Wirtschaftspolitik und -Entwicklung auf den Weg zu bringen. Dies in Anbetracht der Herausforderung, dass Ecuador bis heute den US-Dollar als Währung hat und somit auch nur bedingt über währungs- und finanzpolitische Steuerungsmöglichkeiten zu sich verändernden weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verfügt.

Dennoch konnten erste Voraussetzungen geschaffen werden, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Staaten auf neue Grundlagen zu stellen, einschließlich von Projekten mit anderen lateinamerikanischen Staaten. Ecuador ist Ko-Initiator und Verhandlungsführer bei den laufenden Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat über ein bindendes UN-Abkommen zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards durch Unternehmen.

Das Handelsübereinkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedern einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits wurde am 26. Juni 2012 in Brüssel unterzeichnet, und einige seiner Bestimmungen wurden seit März 2013 zwischen der EU und Peru und seit August 2013 zwischen der EU und Kolumbien angewandt. Das EP hatte seine Zustimmung mit der Aufnahme und Realisierung einer Roadmap zur Verbesserung insbesondere menschenrechtlicher und beschäftigungs- wie umweltpolitischer Standards konditioniert.

In Artikel 329 des Handelsübereinkommens ist die Möglichkeit eines Beitritts von weiteren Mitgliedstaaten der Andengemeinschaft zu dem Abkommen vorgesehen. Die EU und Ecuador haben am 17. Juli 2014 die Verhandlungen über einen solchen Beitritt abgeschlossen.

Am 20. November 2015 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung zum Beitritt Ecuadors zu dem Handelsübereinkommen an, in der es den Abschluss der Verhandlungen mit Ecuador begrüßte und die zügige und uneingeschränkte Inkraftsetzung und Durchführung dieses Übereinkommens forderte, wodurch es Ecuador ermöglicht würde, seinen neuen Ansatz, Maßnahmen für die wirtschaftlich und sozial nachhaltige Entwicklung des Landes anzuregen, unter den auf regionaler wie internationaler Ebene schwierigen Rahmenbedingungen und nach Wegfall des GSP+ Status und dem damit bis 2014 eingeräumten präferentiellen Zugangs zum EU Binnenmarkt weiterzuverfolgen. Eine vom EP danach noch erkämpfte Übergangsperiode endet am 31. Dezember 2016. Die Kommission kalkulierte erfolgreich, dass Ecuador nach Wegfall seiner GSP+ Präferenzen für den Europäischen Markt an den Verhandlungstisch werde zurückkehren müssen. Käme zum 1. Januar 2017 kein Abkommen zustande, wären die Folgen für die Erwerbstätigen in Ekuador dramatisch, umso mehr, als von dem verheerenden Erdbeben 2016 und seinen Folgen bis heute viele wichtige Exportgüterproduktionen in Ekuador betroffen waren. Seine direkten Konkurrenten konnten zu deutlich niedrigeren Tarifen in die EU exportieren. Gleichzeitig hat der künftige Präsident der USA, Herr Trump, bereits angekündigt, den vergünstigten Marktzugang in die USA für Ecuador zu beenden, während zugleich der Ölpreis im Keller bleibt. Der Regierung würden die Einnahmen fehlen, um wichtige Sozialprogramme fortführen zu können. Das vergleichsweise hohe Lohnniveau - auch im Bananensektor - wäre kaum zu halten.

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