Bei CETA, TTIP und TISA geht es längst nicht allein um den Abbau von Hindernissen für Handel und Dienstleistungsverkehr, wie von den Verhandlungspartnern immer vorgegeben wird. Mit diesen Abkommen ist ein Angriff auf Demokratie, Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte sowie die öffentliche Dienstleistungen verbunden.
Bei den Protesten gegen gegen die neoliberale Handelspolitik der Europäischen Union sind sie zu Tausenden zu sehen: Plakate und Transparente, auf denen der Stopp von CETA, TTIP und TISA gefordert wird. Die Freihandelsverträge zwischen der EU und Kanada (CETA), mit den USA (TTIP) und das Abkommen zum weltweiten Handel mit Dienstleistungen (TISA) werden den Lebensalltag von Millionen Menschen dies- und jenseits des Atlantik, ja weltweit verändern.
Blaupause für Freihandelsabkommen: CETA
Seit 2014 liegt der Vertragstext des CETA-Abkommen – Comprehensive Economic and Trade Agreement – vor. Das Handels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Kanada kann als Blaupause für weitere Freihandelsvereinbarungen gelten, über die die EU derzeit verhandelt.
Mit CETA wurde das bisherige Vorgehen bei Freihandelsvereinbarungen umgedreht: Nicht jene Bereiche werden aufgeführt, die zu liberalisieren sind, sondern nur die Ausnahmen – eine sogenannte Negativliste. Dies bedeutet ganz praktisch, dass nahezu alle Bereiche künftig dem Zwang zu Privatisierung und Deregulierung unterworfen werden. Dazu gehört ausdrücklich auch der öffentliche Dienstleistungssektor. Zudem wird mit CETA das in der EU geltende Vorsorgeprinzip ausgehebelt: Potentiell gefährliche Produkte und Technologien können demnach erst aus dem Verkehr gezogen werden, wenn ihre Schädlichkeit zweifelsfrei nachgewiesen ist. Dann dürfte es jedoch in vielen Fällen zu spät sein.
Damit jedoch nicht genug: Deregulierte und privatisierte Bereiche dürfen nicht mehr zurückgenommen werden – eine Verpflichtung, die auch in alle anderen derzeit verhandelten Freihandelsabkommen der EU aufgenommen werden soll. CETA ist zugleich der erste Handelsvertrag der EU, der private Schiedsgerichte vorsieht. So könnten Unternehmen Staaten vor „Sondertribunalen“ verklagen, wenn sie ihre Profiterwartungen, beispielsweise durch Gesetzgebungen zu Umweltfragen, gefährdet sehen. Und nebenbei bemerkt: Mit dem sogenannten ISDS-Verfahren (Investor- Staat- Schiedsgerichtsverfahren) erklären die kanadische Regierung und die EU Kommission, dass sie kein Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit des Partners haben.
Europäische Standards und Errungenschaften in Gefahr: TTIP
Die EU-Kommission meint, dass das Einkommen eines durchschnittlichen EU-Privathaushalts durch den „TTIP-Effekt“ um über 500 Euro pro Jahr steigen würde und beruft sich dabei auf einen Londoner Think Tanks. Ein von der Bertelsmann-Stiftung beim ifo-Institut in Auftrag gegebenes Gutachten verspricht den am TTIP beteiligten Ländern Exportzuwächse bis zu 76 Prozent. Nur: Diese Prognosen regierungsnaher Institute stehen auf tönernen Füßen. Da im transatlantischen Handel inzwischen kaum noch Zölle erhoben werden, fällt deren Wegfall praktisch nicht ins Gewicht. Der Wirtschaftswissenschaftler Jeronim Capaldo, der mögliche Folgen von TTIP untersucht hat, rechnet zudem mit einer Verschärfung des Wettbewerbs- und Kostendrucks, der Europa durch das Freihandelsprojekt drohe. Um mit niedrigen Arbeitskosten der US-Konkurrenten mithalten zu können, müssten Unternehmen in Europa massive Lohnkürzungen vornehmen. Capaldo sagt der EU sogar den Verlust von etwa 600 000 Jobs voraus – weit mehr als in den Krisenjahren 2010/2011.
In der Öffentlichkeit diskutiert werden allerdings vor allem die Konsequenzen von TTIP für den Verbraucherschutz. Und die sind tatsächlich gravierend. Niemand in Europa möchte zum Beispiel gentechnisch veränderte Lebensmittel auf den Tisch bekommen, die in den USA nicht unüblich sind und mit TTIP auch diesseits des Atlantiks zugelassen werden sollen.
Es geht jedoch um noch weitaus mehr als „nur“ Verbraucherschutz oder Arbeitsstandards. Mit der so genannten regulatorischen Kooperation geht es darum, dass künftig alle neuen EU-Gesetze einer Prüfung unterzogen werden müssen, wie sie sich auf Handel und Investitionen auswirken. Diese Prüfung wird von einem in TTIP verankerten Beamtengremium vorgenommen. Es ist zu erwarten, dass Wirtschaftsvertreter in diesem Gremium „die Notbremse ziehen“ würden, wenn Gesetze, beispielsweise durch hohe Umweltauflagen, den Profit zu schmälern drohen. Auch das ISDS-Verfahren findet sich, wenn auch modifiziert, in TTIP wieder.
Angriff auf die Öffentliche Daseinsvorsorge: TiSA
Streng geheim verhandeln die EU und 24 weitere Staaten das Dienstleistungsabkommen TISA.
„Trade in Services Agreement“ – so lautet die offizielle Bezeichnung für TISA, das zum Ziel hat, den weltweiten Handel mit Dienstleistungen zu deregulieren und nationale Dienstleistungsmärkte für ausländische Investoren und Konzerne zu öffnen. Verhandelt wird darüber – hinter verschlossenen Türen – bereits seit 2013. Zusammen erbringen die Verhandlungspartner knapp 70 Prozent des globalen Handels in Dienstleistungen.
TISA stellt einen direkten Angriff auf öffentliche Dienstleistungen und die öffentliche Daseinsvorsorge dar: auf die Gesundheitsversorgung und Bildung, auf Abfallentsorgung und Wasserversorgung, auf die Post und verschiedenste Dienstleistungen, die in die Zuständigkeit der Kommunen fallen. Denn was bislang für alle und bezahlbar angeboten wurde, soll künftig den Marktgesetzen unterworfen werden. So soll ausländischen Dienstleistern der Zugang zu nationalen Märkten erleichtert und diese sollen mit einheimischen Anbietern gleichgestellt werden. Ganz praktisch bedeutet dies, dass staatliche Subventionierung öffentlicher Dienste entweder wegfallen oder den gewinnorientierten privaten Anbietern in gleicher Weise zukommen müssten.
Was das für die Kommunen heißt, ist klar. Nicht nur kleine und mittelständische Unternehmen, die öffentliche Dienstleistungen ausführten, könnten auf der Strecke bleiben. Gleichzeitig könnten Standards sinken oder das Angebot „ausgedünnt“ werden – schließlich soll sich die Dienstleistung ja rechnen. Und könnten Sie sich vorstellen, dass über die Wasserversorgung künftig von CocaCola verhandelt wird oder unsere Kindergärten von der Spielzeugkette Toys"R"us betrieben werden?