Die Europäische Kommission hat ihren Vorschlag für eine überarbeitete Version des ISDS (Investor-Staat-Streitbeilegung) veröffentlicht. Der deutsche Europaabgeordnete Helmut Scholz, Koordinator der Linksfraktion GUE/NGL im Ausschuss für internationalen Handel, verurteilte den Vorschlag als einen Versuch, die Öffentlichkeit zu täuschen.
"Sie nennen es 'Investitionsgerichtshof-System', aber in der Substanz bleibt es schlicht ein ISDS-Gericht. Die Entscheider werden nun zwar als Richter bezeichnet, aber um sich für diesen Posten zu qualifizieren, ist es ausreichend, ein ‚Jurist mit anerkannter Kompetenz‘ zu sein (Artikel 9.4)."
"Es ist höchst bedauerlich, dass die Kommission die Stimmen der Bürger ignoriert", fügt Scholz hinzu, "angesichts der Tatsache, dass in der von der Kommission selbst durchgeführten Konsultation zu ISDS 97% der Befragten dem ISDS eine klare Absage erteilten. Fast 2,8 Millionen Menschen haben bereits gegen TTIP und ISDS unterschrieben. Offensichtlich hat die Kommission die Bedenken nicht verstanden oder will sie nicht verstehen."
"In dem vorgeschlagenen neuen ISDS-System, werden weiterhin drei Schiedsrichter entscheiden, und zwar auf der Basis des TTIP-Vertragstextes und nicht etwa auf der Grundlage unserer Verfassungen oder basierend auf den Werten der vereinbarten Konventionen der Vereinten Nationen. Ein obskurer ‚Dienstleistungs- und Investitionsausschuss‘ soll entscheiden, ob ein Fall begründet ist und was als 'faire und gerechte Behandlung' gelten soll. (Artikel 3.3).“
Scholz betont, wie wichtig die Definition der Bedeutung des Wortes "Investitionen" ist. "Die Menschen hören von Investitionen und denken an einen netten Kerl, der nebenan eine Fabrik erbaut und damit Arbeitsplätze schafft. Aber was die Kommission vorschlägt, geht weit darüber hinaus. Die Auslandsinvestitionen sollen in der weitesten Definition geschützt werden, einschließlich des Erwerbs von Aktien oder eines Darlehens an ein Unternehmen, oder jede andere Art von Interessenlage an einem Unternehmen“. (Artikel "Definitionen" 2, b), d) und e)). „Gewinnerwartungen in Verbindung mit Konzessionen für das Suchen und das Gewinnen oder Erschließen von natürlichen Ressourcen sollen ebenfalls geschützt werden, wahrscheinlich zur großen Freude der Fracking Industrie."
"Das vorgeschlagene neue ISDS versagt auch vor der Aufgabe, die Verpflichtungen der Investoren zu benennen. Für die Bürger bietet sich keine Möglichkeit, einen Investor für die Verschmutzung der Umwelt, die Vernachlässigung von Gewerkschaftsrechten oder die Destabilisierung einer Währung zu verklagen" führt der Europaabgeordnete der Linken weiter fort.
"Außerdem diskriminiert das System lokale Unternehmen, da es nicht für ihre Ansprüche geöffnet ist. Lokale Unternehmen müssten nach Gerechtigkeit im normalen Rechtssystem suchen, und das ist genau das, was ausländische Investoren ebenfalls zu tun haben sollten."
Scholz stellt jedoch auch eine Wirkung der starken öffentlichen Kampagne gegen ISDS fest: "Nach unseren eigenen Analysen sind einige Elemente des neuen Vorschlags besser als das, was wir in CETA haben. Dennoch erklärt die Kommission bereits, dass diese Änderungen nicht auf CETA anzuwenden sind. Davon könnten die 40.000 US-Unternehmen mit Büros in Kanada profitieren, die dann in der Lage sein würden, die CETA Vereinbarung zu verwenden, um europäischen Regierungen zu verklagen."
In einer aktuellen schriftlichen Antwort auf eine Frage des MdEP Fabio De Masi (LINKE) räumte die Kommission ein, dass es keine Beweise dafür gebe, dass ein ISDS-System dazu beitrage, Investitionen anzuziehen. „Warum also versucht die Kommission weiterhin, ISDS etablieren? Ich gehe davon aus, dass die Grundidee ist, fortschrittliche Gesetzesprojekte einzuschüchtern. Dieses neue ISDS verdient es, zurückgewiesen zu werden, genau wie TTIP und CETA als Ganzes," stellt MdEP Scholz abschließend fest.