Parlament ermöglicht Sonderklagerecht für Investoren in EU-Abkommen
Abstimmung zum ISDS-Verfahren
16.04.2014
Das Europaparlament hat am 16.4.2014 gegen die Stimmen der Linksfraktion und der Grünen eine Verordnung beschlossen, durch die das Verfahren bei künftigen Klagen von Konzernen gegen neue Gesetze der EU oder ihrer Mitgliedstaaten geregelt wird. "Wenige Tage nach Eröffnung eines öffentlichen Konsultationsverfahrens zum Konzernklagerecht in Handelsabkommen wie dem TTIP mit den USA oder dem CETA mit Kanada sind nun vorab Fakten geschaffen worden." kritisiert der linke Europaabgeordnete Helmut Scholz den Mehrheitsbeschluss scharf.
Scholz hatte zuvor beantragt, die Abstimmung von der Tagesordnung zu nehmen. "Ich finde es falsch, zeitgleich mit der Befragung der Bürgerinnen und Bürger Europas, ob sie ein Investor-gegen-Staat Streitbeilegungsverfahren (ISDS) überhaupt wollen, bereits ein Gesetz zur Umsetzung von ISDS in die Praxis zu beschließen." erläutert Scholz seinen Zorn. "Selbst die EU Kommission hat angekündigt, ihren Ansatz zu ISDS grundsätzlich überarbeiten zu müssen, um nicht mit Klagen überrollt zu werden. Die heute beschlossene Verordnung verfestigt ein völlig veraltetes Modell und könnte hohe Kosten für die EU und ihre Mitgliedstaaten nach sich ziehen. Aus welchem Budgetbereich das dann bezahlt werden soll, ist völlig unklar."
Hintergrund:
In ISDS-Verfahren können Konzerne gegen neue Gesetze oder Regulierungen klagen, wenn sie durch diese ihre Gewinnerwartungen gefährdet sehen. Über die Klage entscheidet dann kein nationales oder europäisches Gericht, sondern ein Tribunal aus drei Fachanwälten für Investitionsrecht. Gegen deren Urteil ist keine Revision möglich. Staaten wie Kanada, Australien, Ecuador oder Südafrika haben mit solchen Verträgen sehr schlechte Erfahrungen gemacht und wurden zum Teil zu Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe verurteilt. Daraufhin beschlossen die Regierungen der letzteren drei, nie wieder Verträge abzuschließen, die ISDS beinhalten.
Die neue Verordnung regelt, ob Mitgliedstaat oder EU Kommission in einem Verfahren als Beklagte auftreten und wer die Kosten trägt und für Schadensersatzansprüche aufkommt. Sie gibt der Kommission auch das Recht, Mitgliedstaaten unter Umständen anzuweisen, einen Vergleich zu akzeptieren. Nach langen Verhandlungen hatten sich eine Mehrheit im Rat und eine Mehrheit im Parlament auf den Gesetzestext geeinigt. Die Kommission drängte auf ein Ergebnis noch vor den Europawahlen, da die Verordnung für sie Voraussetzung ist, um in aktuellen Verhandlungen über Freihandelsabkommen ein Investorenschutzkapitel mit ISDS Verfahren festzuschreiben.