In einem Gastkommentar für die Tageszeitung "neues deutschland" nahm Helmut Scholz Stellung zu den Verhandlungen zwischen den USA und der USA über ein Freihandels- und Investitionsabkommen.
Man mag kurz schmunzeln über das Gebaren der amerikanischen Rechten, mit ihrer Haushaltsblockade das Land weltweit zu blamieren. Sollten sie ihr Spiel jedoch tatsächlich bis auf die Spitze treiben, also bis zur Zahlungsunfähigkeit der USA in der kommenden Woche, so würden uns die Folgen in kürzester Zeit treffen und die europäische Wirtschaftskrise erneut anfachen.
Schon heute sind beide Wirtschaftsräume sehr eng verzahnt. Das Volumen der Investitionen aus den USA allein in den Niederlanden übersteigt das Volumen der Investitionen aus China in der gesamten Europäischen Union. In einer Art Flucht nach vorn und in einer Interpretation der Wirtschaftskrise als quasi »günstiger Gelegenheit« haben Verhandlungen begonnen, um einen transatlantischen Markt zu schaffen. Das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) ist in seiner Konzeption aber erheblich mehr als ein gewöhnliches Freihandelsabkommen.
Ins Zentrum der Verhandlungen wollen beide Seiten Handelsschranken stellen, die sich aus den unterschiedlichen Gesetzen und Regulierungen auf beiden Seiten des Atlantiks ergeben. Ein Beispiel: In der gesamten EU ist es verboten, Kosmetikartikel an Tieren zu testen. Seit März 2013 ist es auch verboten, Kosmetik einzuführen, die an Tieren getestet wurde. In den USA gibt es ein solches Verbot nicht. In den Verhandlungen schlägt die EU-Kommission jetzt vor, für Kosmetikartikel das Prinzip der wechselseitigen Anerkennung einzuführen. Was auf dem einen Markt zugelassen wurde, darf dann auch auf dem anderen Markt verkauft werden. Das Tierversuchsverbot wäre komplett unterlaufen.
Das Prinzip der wechselseitigen Anerkennung wollte man schon oft durchsetzen. 30 Mal wurde es versucht, mit Ausnahme von Sicherheitsbestimmungen für Gummiboote ist es immer gescheitert. Jetzt schlägt die Kommission vor, das Prinzip u.a. für die Sektoren Finanzdienstleistungen, Chemikalien und Medizin im TTIP festzuschreiben. Gerade große Konzerne könnten sich dann den jeweils schwächeren Schutzstandard heraussuchen und Produkte zuerst dort auf dem Markt platzieren.
Das Verfahren wäre auch eine Gefährdung unserer demokratischen Strukturen. Als Linke fordern wir, dass Bürgerinnen und Bürger sich einbringen können und spätestens am Wahltag ihre Parlamente so zusammensetzen können, dass diese sozialen Schutz, Verbraucher, Gesundheits- und Umweltschutz in Gesetzen verankern. Diese Dinge dürfen nicht von Unterhändlern der Exekutive entschieden werden.
In ihren Positionspapieren geht die Kommission sogar noch weiter: Sie schlägt vor, über das Abkommen Angleichung der bestehenden Regulierungen vorzunehmen. Störende Unterschiede gibt es aus Sicht von Konzernen etwa in der Gentechnik und im Datenschutz.
Ich möchte klarstellen, dass ich nicht gegen Handel zwischen der EU und den USA bin. Doch die Bedingungen, zu denen produziert wird, müssen beide Seiten demokratisch und nach Verbesserung strebend definieren können. Im EU-Parlament habe ich daher für die Linksfraktion Änderungsanträge eingebracht. Durchsetzen konnten wir allerdings nur die Ausklammerung des Kultursektors. Schutz vor Hollywood also.
Bei der am Mittwoch beschlossenen Position des EU-Parlaments zu den bevorstehenden Verhandlungen der EU mit China über ein Investitions- und Marktzugangsabkommen, für deren erste Konzeption ich verantwortlich war, sieht das hingegen ganz anders aus. Hier konnten wir für die meisten unserer Forderungen eine Mehrheit finden, wohl weil die Skepsis gegenüber den amerikanischen Konzerninteressen irrationalerweise viel geringer ist als gegenüber China.
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