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Die Energiewende - eine globale Aufgabe

24.01.2013

Wachstum und Energiesicherheit auf der einen Seite, Schutz der Umwelt und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen auf der anderen - wie kann das zusammengehen? Ein Beitrag von Helmut Scholz.

Es ist wenige Tage her, dass wir erschreckende Bilder von der Luftverschmutzung über Beijing auf unseren Bildschirmen sahen, oft mit nahezu hämischen Kommentaren versehen. Viele dieser Bildschirme sind wahrscheinlich in China produziert worden - so günstig, dass wir sie uns dadurch überhaupt erst in unser Wohnzimmer stellen konnten.

Die für die Produktion benötigte Energie wird in China noch immer zu einem sehr großen Anteil (80%) in veralteten Kohlekraftwerken erzeugt. Die Kehrseite des industriellen Booms, von dem wir nicht nur durch die günstigen Erzeugnisse profitieren, sondern immer mehr auch durch die Nachfrage für unsere Qualitätsprodukte durch die neue chinesische Mittelschicht, wird bei entsprechender Wetterlage mit ihrer ganzen katastrophalen Umweltbelastung sichtbar. Ohne einen schnellen Umstieg auf schadstoffarme, erneuerbare Energiegewinnung sind die neuen Dimensionen globaler Produktion für den Planeten nicht weiter tragbar. Jüngste politische Entscheidungen chinesischer Entscheidungsträger setzen hier auf schnelle Veränderung.

Um bereits heute verfügbare Technologien zu installieren, braucht es jedoch viel Know-how und kostengünstige Bauteile. Win-Win, sollte man meinen. Ein Dutzend großer Konzerne aus der EU, den USA und China, die derzeit den Weltmarkt für Wind-, Wasser-, Solar- und Bioenergie unter sich aufteilen, setzen jedoch nicht auf Kooperation und gemeinsame Projekte, sondern liefern sich mit Unterstützung der Politik einen knallharten Konkurrenzkampf zulasten von Umwelt und Gesellschaft.

Wir können hier exemplarisch beobachten, dass der Politik sehr wohl Stellschrauben zur Verfügung stehen, durch die sie positiv oder eben auch negativ auf wirtschaftliche Entwicklungen Einfluss nehmen kann. Die Einführung eines Anreizsystems zur Förderung erneuerbarer Energien war richtig und wurde auch von der Linken befürwortet. Das System war in Deutschland so erfolgreich, dass es weltweit Nachahmer fand. In kurzer Zeit entstand ein großer und attraktiver Markt. Die erwartete Marktentwicklung führte zu hohen Investitionen in Produktionseinrichtungen für Photovoltaik und Windenergie, darunter auch an ostdeutschen Standorten, in erheblichem Volumen aber auch in China. Die Konkurrenten taten einander zunächst kaum weh, da der Markt groß genug für alle schien. Leider verschliefen deutsche Hersteller in diesem Gefühl der Sicherheit jedoch die Notwendigkeit, weitere Forschung zur Qualitätsverbesserung ihrer Produkte zu betreiben. Das alte Qualitätsniveau konnten chinesische Unternehmen irgendwann selbst herstellen, allerdings zu wesentlich geringeren Kosten, aufgrund bislang noch viel geringerer Löhne und fehlender Umweltauflagen.

Die schwarz-gelbe Koalition verschärfte die Konkurrenzsituation, indem sie den Markt durch mehrere abrupte Verringerungen der Beträge für eingespeisten Strom künstlich wieder verkleinerte, so kurzfristig, dass Investitionsentscheidungen der Hersteller nicht mehr korrigiert werden konnten. Andere Länder in Europa folgten dem Beispiel des einstigen Solarvorreiters Deutschland.

Die chinesische Regierung reagierte mit Subventionen für ihre großen Produzenten und brachte damit die Hersteller in Europa und in den USA an den Rand des Ruins. Die US-Regierung reagierte darauf mit Strafzöllen für chinesische Solarzellen, die EU-Kommission prüft derzeit auf Druck europäischer Hersteller, ebenfalls Strafzölle zu verhängen.

Im Ergebnis bricht der Ausbau der Solarenergie ein. Das vergiftete Klima gefährdet auch die Kooperation in anderen Bereichen wie der Windenergie. Die Kohleschlote rauchen derweil weiter. Denn der Energieverbrauch steigt. Die Energiewende wird gefährdet, was im Interesse der alten Energiekonzerne ist, deren Geschäftsmodell von dezentralen Modellen der Energieerzeugung untergraben würde.

Als Betreiber der Stromnetze können absurder Weise jedoch genau diese Großkonzerne dafür sorgen, dass die Einspeisung dezentral gewonnener Energie aus erneuerbaren Ressourcen immer teurer wird, um ein Kippen der Stimmung in der Bevölkerung zu bewirken.

In der Tat brauchen wir dringend eine Veränderung des Anreizsystems, damit es 1. nicht alle Privathaushalte belastet und soziale Ungerechtigkeit vergrößert, 2. den Markt nicht zum Stagnieren bringt, sondern die Installation erneuerbarer Energieerzeugung weiter beschleunigt, und 3. die Feinde der Energiewende von den Stellschrauben entfernt.

Wir vergeben hier sonst wider besseres Wissen eine Chance zur politischen Steuerung der Energiewende, aus der sich auch hoher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Nutzen ableiten würde. Mit ihrer Mitteilung zur Zukunft der erneuerbaren Energien auf dem europäischen Energiemarkt hatte die Europäische Kommission eine Reihe richtiger Thesen formuliert, inklusive der Bedeutung dezentralisierter Versorgungsstrukturen. Im Europäischen Parlament werden die Thesen derzeit weiter diskutiert und ergänzt.

Der Gedankenhorizont der Kommission und der meisten EU-Abgeordneten endet jedoch leider an den EU-Grenzen plus der Länder südlich des Mittelmeers. Damit leisten sie zwar mehr als die Bundesregierung, denn die denkt kaum weiter als bis Bayern. Aber auch die EU-Kommission will nicht anerkennen, dass die Energiewende eine gemeinsame, globale Kraftanstrengung erfordert, für die entsprechende gemeinsame Mechanismen in Kraft gesetzt werden müssen.

So werden zum Beispiel aus unserem gemeinsamen EU-Haushalt 4,5 Milliarden Euro in die Forschung zu erneuerbaren Energie investiert. Parallel forschen auch Amerikaner, Chinesen und Inder, jedoch ohne Synergieeffekte anzustreben, wodurch viel Geld doppelt ausgegeben wird.

Die globalen Herausforderungen im Umweltschutz können wir nicht durch Handelskriege bewältigen und dürfen sie auch nicht der Konkurrenz der Großkonzerne unterordnen. Politik hat die Aufgabe zu vermitteln und Handlungsrahmen vorzugeben. Konkret könnte sie Kooperation und Gemeinschaftsunternehmen von europäischen, chinesischen, brasilianischen oder amerikanischen Firmen - gerade auch den klein- und mittelständischen - fördern, um die Verbreitung umweltverträglicher und dennoch bezahlbarer Technologien zu fördern und zur Anwendung zu bringen. Diese Kooperationen werden auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit hoher Sozial- und Umweltstandards heben, deren Festschreibung wir Linke als Gesetzgeber international umsetzen wollen.

Vergessen wir nicht, dass die Verringerung der Bedeutung von Öl, Gas und Uran auch erhebliche Bedeutung für unsere Friedenspolitik hat. Die Kontrolle über diese Rohstoffreserven war und ist eine der wichtigsten Motivationen, um letztlich auch militärisch für ununterbrochene Produktions- und Absatzketten zu sorgen, wenn nötig auch durch Krieg. Öl- und Gasimporte sind zugleich der größte Faktor für negative Handelsbilanzen vieler EU-Mitgliedstaaten und Entwicklungsländer; haben also gravierende Auswirkungen auf die gesamtweltwirtschaftlichen Entwicklungen. Der weltweite Ausbau alternativer Energiequellen und regionale, dezentrale Energieversorgung, die auch eine für alle Menschen sichere und nachhaltige Energieversorgung gewährleistet, kann auch hier viel verändern.

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