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Soziale Verantwortung wahrnehmen - ein Brief an die "der freieberuf" GmbH

15.01.2013

In einem Schreiben an die Geschäftsführerin der GmbH "der freieberuf" ruft Helmut Scholz Wirtschaft, Unternehmen und freie Berufe auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Wir dokumentieren den Brief.

Helmut Scholz

Mitglied des Europäischen Parlaments

Frau Dr. Stephanie Bauer

Geschäftsführerin

"der freieberuf" GmbH

Reinhardtstrasse 34

10117 Berlin

Sehr geehrte Frau Dr. Bauer

in der November-Ausgabe der Zeitschrift "der feiberuf" haben Sie unter der Überschrift "CSR: Heißer Herbst 2012?" einen Artikel meines Kollegen Thomas Mann veröffentlicht. Wie immer hat er in diesem seine persönliche Meinung klar zum Ausdruck gebracht. Überrascht hat mich diese aber schon, weil sie mit relativ leichter Hand Verkürzungen vornimmt, die ein Bild suggerieren welches so gar nicht mit dem korrespondiert, was wir im Parlament diskutieren und was der Verordnungsvorschlag der Kommission beinhaltet. Vielleicht finden sie den Platz, die folgenden Zeilen in einer Ihrer nächsten Ausgaben zu platzieren.

In seinem Artikel zur laufenden parlamentarischen Debatte um die Corporate Social Responsability (CSR) signalisiert mein Kollege Thomas Mann Kampfeswille gegen den aus seiner Sicht nicht zu bändigende Willen der Kommission, die kleinen und mittleren Unternehmen und "speziell die Freien Berufe" mittels einer "Zwangs-CSR" von ihrer eigentlichen Arbeit abzuhalten. CSR übersetzt mein Kollege Mann kurz mit freiwilligem sozialen Engagement und führt für ein besseres Verständnis in der Sache folgende Beispiele an: Firmenkindergärten, humanitäre Projekte, zusätzlicher Umweltschutz oder die Unterstützung des Jugendfussballs. Damit ist seine Botschaft: es gehe um zusätzliches und das dürfe nur freiwillig sein. Genau darum geht es bei CSR aber nicht.

CSR steht für die soziale Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft und das vor allem in unserer globalisierten Welt. Schaut man sich die betreffenden Verordnungen der Europäischen Kommission genau an, fällt unschwer auf, dass Freiberufler überhaupt nicht im Fokus stehen. Es geht vor allem um die in den globalen Märkten agierende Unternehmen, welche sich in Deutschland selbstverständlich an verschiedenste rechtliche Vorgaben aber auch an relevante Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsnormen und -standards halten müssen. In Deutschland gibt es in dieser Frage keine Freiwilligkeit, dass mußten letztlich jüngst auch Konzerne wie Siemens begreifen und am Ende teuer bezahlen.

Wirtschaftliches Agieren zum Beispiel deutscher Unternehmen findet aber nicht nur in Deutschland oder im europäischen Binnenmarkt statt. Die Wertschöpfungsketten vieler Unternehmen sind heute global und den Weltmeistertitel im Bereich Export hält Deutschland auch, weil sich die Werte der erzielten Wertschöpfung in diesen Ketten statistisch als Aussenhandel darstellen. Unter diesen Bedingungen muss eine Politik der sozialen Verantwortung der Unternehmen sehr wohl auch das Ziel verfolgen, die in Deutschland oder im Binnenmarkt geltenden Standards auch in den anderen Ländern der Wertschöpfungsketten durchzusetzen. Dabei wird primär der Ansatz verfolgt, dass die Wirtschaftsakteure selbst sich an entsprechende Normen und Standards zu halten haben und weniger die Standards in die Rechtsgrundlage der betreffenden Länder einzubringen sind. Ginge das ohne Zwang so wäre es allemal besser. In den letzten Tagen ausgestrahlte Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland haben allerdings noch einmal konkret aufgezeigt, dass der Weg der Freiwilligkeit extreme Schwächen aufweist. Die Erfahrungen mit der angeblichen Ächtung der Kindersklavenarbeit in der Kakaoproduktion für einen führenden Lebensmittelhersteller in der Elfenbeiküste, die tragische Brandkatastrophe in der Näherei eines deutschen Textildiskounters in Bangladesh oder die konkreten Arbeits- und Lebensbedingungen der überwiegend nordafrikanischen Tagelöhner in der spanischen Gemüsefertigung für einen führenden deutschen Lebensmitteldiskounter sind Beispiele wie es konkret um die Wahrnehmung der soziale Verantwortung großer Unternehmen für ihre Arbeitskräfte steht. Das es bei der Umsetzung der CSR in den europäischen Unternehmen noch einen sehr großen Handlungsbedarf gibt ist eine im Europäischen Parlament auch von den großen Parteien nicht abgestrittene Tatsache.

Die der CSR zugrunde liegenden Leitlinien und Normen sind keine Erfindung der Europäischen Kommission sondern das Ergebnis langer ernsthafter Arbeit unter anderem in den Gremien der UNO oder der OECD. Die Bundesregierung ist hier konkrete internationale Verpflichtungen eingegangen. Es gehört allerdings zu den Aufgaben der Kommission, sich im Rahmen ihrer Kompetenzen um ihre Umsetzung zu kümmern.

Wie vieles in der EU ist die CSR-Mitteilung der Kommission, auf die sich mein Kollege Mann bezieht durchaus wiedersprüchlich. Das was es aber hervorzuheben gilt ist: sie zeigt auf, dass verantwortliches Handel die Einhaltung von geltenden Rechtsvorschriften und Tarifverträgen voraussetzt. Ob wir für den Fall einer Verletzung der besagten Standards durch Unternehmen oder den gezielten Mißbrauch der CSR für Marketingzwecke (das sogenannte green-washing) einen starken "Zwangsmechanismus" brauchen ist in der Tat im Parlament noch in der Diskussion. Einen möglichen Ausweg hat die Kommission selbst gewiesen, indem sie erstmalig die Forderung aufstellt, "soziale, ökologische, ethische, Menschenrechts- und Verbaucherbelange" in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern" in der Betriebsführung und der Kernstrategie der Unternehmer zu verankern.

Das könnte ein klarer Weg der "Freiwilligkeit" sein, wer diesen Weg scheut, hat aber offensichtlich Angst vor einem deutlichen Mehr an Transparanz und dafür muss es dann Gründe geben. Warum sollten Unternehmen die Umsetzung von Grundsätzen des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich eigentlich nicht transparent machen? Warum sollten Unternehmen eigentlich nicht offenlegen, ob und wieweit sie sich den internationalen Standards wie der Kernarbeitsnorm ILO und den Kernumweltnormen der UN unterwerfen?

Brüssel, 08. Januar 2013

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