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Trotz Protesten von Gewerkschaften und Linken: Europäisches Parlament ratifiziert Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru.

11.12.2012

Helmut Scholz/Jürgen Klute: Keine Abkommen auf Kosten der Menschenrechte und der Lebenssituation der Bevölkerungsmehrheit!

Das Europäische Parlament hat am 11. Dezember 2012 mit 486 Ja-Stimmen, 147 Nein-Stimmen (Linksfraktion, Grüne und einzelne MdEP anderer Fraktionen) bei 41 Enthaltungen die Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru ratifiziert. Die Linksfraktion (GUE/NGL) hatte zuvor vergeblich eine Rückverweisung in den Ausschuss zur Vertiefung der Debatte beantragt.

„Die Zustimmung der Mehrheit des Europäischen Parlaments zum Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru stellt die Weichen der europäischen Handelspolitik mit Drittstaaten in die falsche Richtung“, so der Europaabgeordnete und Handelsexperte der Linksfraktion Helmut Scholz am Dienstag nach der Abstimmung. „Die Partnerländer der EU sind in einem komplizierten Übergangsprozess und die Vereinbarungen nehmen viel zu früh den Druck von Politik und Wirtschaft, dauerhaft und rechtlich überprüfbar die notwendige tiefgehende Demokratisierung der Gesellschaften und einen sozial wie ökologisch nachhaltigen Alltag für alle Menschen in den Vertragsstaaten zu gewährleisten. Die Aufarbeitung der massiven Menschenrechtsverletzungen in den beiden lateinamerikanischen Staaten und entsprechende juristische Schritte verbleibt vage und die weitere Verarmung insbesondere von Kleinbauern und ohnehin schon benachteiligter Bevölkerungsschichten akzeptiert.“

Finanzmarktexperte Jürgen Klute, MdEP der Linksfraktion, befürchtet zudem, dass durch das Abkommen Geldwäsche, Steuerflucht und Drogenhandel stark zunehmen werden. "Es kann nicht im Interesse der EU-Abgeordneten sein, Beihilfe zur Geldwäsche zu leisten und kriminellen Banden die Arbeit zu erleichtern", kritisierte Klute. Am vergangenen Mittwoch hatte er gemeinsam mit der Wissenschaftlerin Myriam Van der Stichele eine Studie vorgestellt, in der basierend auf den Erfahrungen mit der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA die Risiken bewertet werden, die sich aus dem Kolumbien-Abkommen ergeben (Link am Textende).

„Die Tragödie in Kolumbien währt seit Jahrzehnten“, erklärte Helmut Scholz am Dienstag in Straßburg. „Tausende Menschen sind den Interessen der Mächtigen in Politik und Wirtschaft zum Opfer gefallen. Teile der Bevölkerung haben erfolglos versucht, die Verhältnisse durch bewaffneten Kampf zu verändern. Ich begrüße ausdrücklich, dass derzeit ernstzunehmende Friedensverhandlungen laufen, für deren Erfolg sich die Europäische Union allerdings noch zu wenig einsetzt.“ Durch den bewaffneten Konflikt in Kolumbien wurden bis zu vier Millionen Menschen vertrieben, allein zwischen 1986 und 2011 wurden 2.914 Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen ermordet, in diesem Jahr bereits über 30.

„Tausende andere haben einen friedlichen und demokratischen Weg gewählt, um die herrschende Willkür im Land zu bekämpfen und der Bevölkerung endlich Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit zu bringen“, so Helmut Scholz weiter. „Die Kräfte, die sich in Kolumbien, aber auch in Peru, außerhalb und innerhalb der Parlamente für einen demokratischen Wandel einsetzen, hoffen auf Unterstützung von außen. Viele von ihnen darauf, dass die Verhandlungen über ein Abkommen mit der Europäischen Union dazu führen könnten, dass ihre Regierungen für die Aussicht auf einen lukrativen Abschluss tatsächlich wirksame gesetzliche und institutionelle Änderungen vollzogen werden. Die EU-Außenbeauftragte Ashton nannte dieses Ziel als Legitimation für ihre Politik des kritischen Engagements. Heute müssen wir konstatieren, dass dieses Ziel noch nicht erreicht ist. Das Morden ist nicht beendet, die Strukturen sind nicht irreversibel demokratisiert. Das Abkommen könne bei der kolumbianischen Regierungen sogar als ein Signal zum ‚Weiter-so‘ verstanden werden, zumal ein Großteil der Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen mit der Ausbeutung von Rohstoffen verbunden ist, die nun durch die Freihandelsabkommen nicht nur verstärkt, sondern auf vertragliche Grundlagen gestellt werden soll. Dass die wirtschaftlichen Folgen gravierend den Lebensalltag vieler Menschen verändern werden, ist bereits in mehreren Studien belegt.“

„Sämtliche bedeutende Gewerkschaften in Lateinamerika und Europa, Menschenrechts- und Umweltorganisationen, bedeutende Vertreter der Kirche und viele Parlamentarier sagen Nein zu diesen Abkommen. Mit der auf Druck des Europäischen Parlaments von den Regierungen Kolumbiens und Perus vorgelegten Roadmaps zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit der Konflikte gibt es nur unkonkrete Versprechungen: Das Nichterreichen der Ziele bliebe ohne Folgen – das Abkommen selbst sieht keinerlei verbindlichen und rechtlich zwingenden Sanktionsmöglichkeiten vor, sollten die Bestimmungen des Nachhaltigkeitskapitels missachtet werden. Schlimmer noch, viele Wirtschaftsexperten sagen voraus, dass das Abkommen den Druck auf Teile der Bevölkerung in Kolumbien und Peru sogar noch steigern wird.

Angesichts dieser Umstände ist die Ratifizierung des Abkommens ein Blanko-Scheck in der Hoffnung auf spätere gute Taten. Die USA hatten eine ähnliche Nebenvereinbarung bereits als Legitimation für ihr Abkommen verkauft, ein Jahr nach Inkrafttreten ist der Erfolg gleich Null. Beeindrucken können wir die Regierung nur durch konsequente Loyalität gegenüber den Verfechtern der Demokratie und sozialen Gerechtigkeit.“

Materialien: Die Studie liegt hier für Sie zum Herunterladen bereit: www.dielinke-europa.eu/article/8345.freie-fahrt-fuer-kokain-kartelle-handelsabkommen-mit-kolumbien-und-peru-koennte-organisierter-kriminalitaet-auftrieb-geben.html

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