In einer Plenarrede zur den Handelsbeziehungen zwischen der EU und Japan hat Helmut Scholz auf die großen Chancen und Potenziale einer wechselseitigen Integration der beiden Ökonomien verwiesen. Allerdings sei der Entwurf eines entsprechenden Abkommens weniger vom Geist einer realen Partnerschaft als von Forderungen an die japanische Seite geprägt.
"Ein intelligentes Abkommen zwischen der EU und Japan würde zu einer verstärkten wechselseitigen Integration beider Ökonomien führen. 128 Millionen potenzielle Kundinnen und Kunden im Hochlohnland Japan sind selbstverständlich sehr interessant für europäische Unternehmen und ihre Beschäftigten in einer ganzen Reihe von Sektoren. Die wechselseitige Integration von Knowhow in die Produktionsketten könnte für Tausende von Zulieferunternehmen zu einer verbesserten Stellung im weltweiten Wettbewerb führen.
Sie hören, ich spreche im Konjunktiv. Denn sowohl die Äußerungen von Kommissar De Gucht als auch wichtige Paragrafen in der uns vorliegenden Resolution des Parlaments sind kein Angebot für eine Partnerschaft, sondern ein Diktat von Forderungen an die japanische Seite. Das lässt nichts Gutes erwarten für den Beginn einer langfristig gegenseitigen Nutzen bringende Zusammenarbeit.
Ich bin vielmehr dafür, die bestehenden Differenzen zwischen der EU und Japan am Verhandlungstisch anzusprechen. Und zwar ergebnisoffen. Reale Partnerschaft kann nicht auf dem Diktat von Vorbedingungen entstehen. Daher werde ich meiner Fraktion empfehlen, dem vorliegenden Resolutionstext nicht zuzustimmen.
Schauen wir in den Text: In zentralen Elementen wirkt er, als wäre er von der Automobilindustrie geschrieben worden. Wie können wir in Zeiten der Klimakrise ernsthaft eine Selbstverpflichtung der japanischen Regierung einfordern, die Sonderbehandlung von elektrischen und Hybridfahrzeugen zu streichen sowie Vergünstigungen für Kleinstwagen (Kei Cars), nur damit wir mehr Diesel-Fahrzeuge exportieren können?
Die Überbetonung der Beseitigung von nicht-tarifären Maßnahmen in der Resolution widerspricht auch den Ergebnissen der Kopenhagen Studie zum Handel EU-Japan. Die Studie erkennt sehr wohl an, dass viele dieser Maßnahmen der Steigerung des Gemeinwohls dienen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Wir sollten die fraglichen Regulierungen von ihrer Aufgabenstellung her analysieren und ein Ergebnis anstreben, das den gesellschaftlichen Nutzen erhält und dennoch den Handelsaustausch begünstig.
Zudem äußern die befragten Unternehmen andere Gründe, die sie beispielsweise vor Investitionen in Japan zögern lassen. Ganz oben rangieren dabei die Sprachbarriere, kulturelle Unterschiede, welche auch die Auswahl der Verbraucher bestimmen, sowie hohe Steuern und die hohen Lohnkosten. Wer zögert, Übersetzungsfachleute zu bezahlen, ein in Japan erfolgreiches Marketing zu entwickeln und ortsübliche Löhne und Steuern zu bezahlen, der sollte halt lieber zuhause investieren. Diese Handelshemmnisse kann und darf auch ein Abkommen nicht beseitigen. Der INTA Ausschuss hatte letztes Jahr durchaus interessante Einsichten in dieser Richtung in die Strategie des IKEA-Riesen gewinnen können: der sich auf japanische Konsum- und Sozialstandards auch kulturell eingelassen hat.
Diese Verhandlungen müssen sensibel und im beiderseitigen Interesse geführt werden. Die Resolution erkennt für die EU die Erhebung so genannter "strategischer" Zölle an. Japan erhebt im Allgemeinen nur sehr geringe Zölle. Hohe Zölle wendet es an bei Agrargütern, bei verarbeiteten Nahrungsmitteln und bei Getränken. Dies sind zwar Bereiche, in denen die europäischen Produzenten ein starkes Exportinteresse haben. Wir müssen jedoch in den Verhandlungen anerkennen, dass die japanischen Bauern in einer Hochlohnumgebung produzieren. Aus ihren Einnahmen müssen sie ihre Kosten für Dienstleistungen und andere Produkte refinanzieren. Wenn wir Japan in den Verhandlungen zu drastischen Zollabsenkungen zwingen und seine Bauern der viel billigeren europäischen Konkurrenz aussetzen, zerstören wir dieses Preisgefüge und leiten ein Bauernsterben in Japan ein.
Auch die Resolutionsforderung nach einem eigenen Streitbeilegungsmechanismus lehnen wir ab. OECD Mitglieder sollten ihren Gerichten hinreichend vertrauen.
Wir brauchen vielmehr ein Abkommen mit nicht-tarifären Kooperationselementen. Gemeinsame Programme können Unternehmer und Gewerkschafter, Verbraucherverbände, Wissenschaftler, Verwaltungsfachleute und junge Menschen aus Europa und Japan zusammenführen. Bauen wir doch gemeinsam eine neue Kooperationskultur auf - darüber ließe sich auch mit Blick auf z.B. Energieeinsparung eine hochtechnologische Kooperation mit praktischem Nutzen auch für europäische KMU herleiten.
Die Zukunft der europäischen Handelspolitik kann nur in der Integration von Ökonomien liegen. Eine radikale Marktöffnungsstrategie wie von der Kommission betrieben ist der falsche Weg. Das Schleifen von Stadtmauern war eine Zielsetzung des Mittelalters - im 21. Jahrhundert geht es um intelligente Vernetzung. Wenn wir Partner besiegen wollen, anstatt mit ihnen zusammen zu arbeiten, gefährden wir unsere eigene Zukunft.