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Gemeinsame Aufgaben und Herausforderungen für die EU und China

19.09.2012

Ein Kommentar von Helmut Scholz zum EU-China-Gipfel am 20. September 2012 in Brüssel.

Unmittelbar vor Beginn des EU-China-Gipfels am Donnerstag in Brüssel fordert Helmut Scholz, das bilaterale Verhältnis zur Meisterung komplexer Herausforderungen und zur Lösung einer Vielzahl ähnlicher sowie gemeinsamer politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aufgaben grundlegend neu auszurichten. „Die wirtschaftliche Modernisierung Chinas und die gelenkte Öffnung des chinesischen Marktes für europäische Unternehmen sind für die EU und ihre Mitgliedstaaten wahrscheinlich nicht nur die bedeutendste Exportoption, sondern zugleich zwingende Aufgabe, gemeinsame Linien für die soziale und ökologische nachhaltige Umgestaltung von Produktion und Arbeitsmarkt vorzunehmen", betonte der LINKE-Europaabgeordnete, zugleich Ständiger Berichterstatter des Europäischen Parlaments für die Handelsbeziehungen EU-China.

„Angesicht der sich rasant entwickelnden Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und der gewaltigen Herausforderungen, vor denen sowohl beide Seiten als auch China und Europa gemeinsam stehen, würde ein simples ‘Weiter-so‘ letztlich Stillstand bedeuten“, so Helmut Scholz weiter. Schon heute ist die Europäische Union der wichtigste Handelspartner Chinas, betonte der Abgeordnete am Mittwoch in Brüssel. Laut jüngsten Mitteilungen der Statistikbehörde Eurostat verzeichnete die EU im ersten Semester 2012 Exporte nach China im Wert von 73 Milliarden Euro, aus China gingen in den EU-Bereich Waren im Wert von gut 140 Milliarden Euro. „Die Komplexität heutiger Wirtschaftspolitik und die bereits gegenwärtig starken ökonomischen Verflechtungen zwischen beiden Seiten erfordern nicht zuletzt angesichts der tiefen Finanz-, Wirtschafts- und Strukturkrise, der Herausforderungen des Klimawandels die grundlegende Veränderung heutiger Produktions- und Wachstumslogiken und deshalb eine neue Herangehensweise in den bilateralen Beziehungen.“

Auf der Tagesordnung steht eine neue Qualität der politischen und ökonomischen Zusammenarbeit, die nicht Rivalität sondern Integration und gemeinsame Standards und Lösungsstrategien erfordert. Dazu müssten die nach wie vor in der EU dominierende eurozentristische Sicht und das Beharren auf marktliberalen Dogmen aufgegeben werden. „China will, darf und wird nicht mehr nur Rohstofflieferant sein; das Land hat Interesse an Investitionen in die hochtechnologische Produktion und an Wirtschafts- und Handelsbeziehungen auf gleicher Augenhöhe zum gegenseitigen Nutzen. Eine moderne Rohstoffpolitik muss von einer modernen politischen Partnerschaft begleitet sein, wie sie auch gemeinsame Lösungsansätze angesichts einer rasanten und widersprüchlichen demografischen Entwicklung in China, in der EU sowie im globalen Maßstab heute und in Zukunft ebenso aufgreift wie kulturelle, wissenschafts- und bildungspolitische Aspekte, soziale und bürgerschaftliche rechte und demokratische Teilhabemöglichkeiten an der Ausgestaltung der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung. Das gilt um so mehr in der gegenwärtigen politischen und finanziellen Krise in der EU und global.

Nicht antichinesische Ressentiments und Konkurrenzdenken sollten deshalb das Klima der Gipfelgespräche bestimmen sondern die Bereitschaft für Veränderung, so Scholz. Dazu gehörte, solche Fragen offen anzusprechen wie Transparenz in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen und das offene Wort auch zu Problemen wie dem Zustand der individuellen Menschenrechte in China und der EU, der Stellenwert von geistigem Eigentum, der digitalen Welt und Produktfälschung, der globale Raubbau an der Natur zur Rohstoffgewinnung, nachhaltige Energiesicherheit, die Unterstützung der Entwicklung andere Regionen in der Welt ohne deren lokale und regionale Märkte zu zerstören, die teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen in chinesischen Unternehmen und der Wettbewerbsdruck auf den europäischen Arbeitsmarkt, so Scholz. Zugleich sind die enormen Anstrengungen nicht zu ignorieren, die die chinesische Regierung und die gesellschaftlichen Akteure zur Beseitigung der Missstände unternehmen. So greife der aktuelle 5-Jahresplan Chinas die sozialen und ökologischen Probleme, die im Zuge des Industrialisierungsprozesses entstanden sind, explizit auf. Beispielsweise sei ein ambitioniertes Wohnungsbauprogramm auf den Weg gebracht worden; in Bezug auf die Förderung regenerativer Energie weise die Entwicklung in China eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit der EU-Strategie auf. Und erst vor wenigen Tagen habe Chinas Regierungschef Wen Jiabao auf dem Weltwirtschaftsforums in Tianjin angekündigt, mittels strukturellen Reformen das anvisierte Wachstumg von 7,5 Prozent in diesem Jahr auch „qualitativ zu verbessern“.

Der Gipfel habe die Chance, in dieser Hinsicht ein deutliches Signal für Veränderung zu setzen, und deshalb so Scholz weiter "braucht auch Europa neuen Schwung, der mehr sein muss als ein großer Sprung mit ungewissem Ausgang.“

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