EU-Kommission beunruhigt über möglichen Chemiewaffeneinsatz des türkischen Militärs
16.03.2012
Als Reaktion auf eine fraktionsübergreifende Anfrage, die unter anderem von den EU-Abgeordneten der LINKEN Jürgen Klute, Helmut Scholz und Cornelia Ernst eingereicht wurde, hat die EU-Kommission sich besorgt über einen möglichen illegalen Chemiewaffeneinsatz des türkischen Militärs geäußert. Erweiterungskommissar Stefan Füle teilt mit, dass der Gebrauch von Chemiewaffen Gegenstand von Gesprächen mit türkischen Behörden gewesen sei. Zwar habe die Türkei bei Gesprächen im Dezember Untersuchungen angekündigt, doch Füle stellt klar: „Die Kommission wird die Angelegenheit jedoch weiterhin aufmerksam verfolgen."
Der Tod von 36 kurdischen Rebellen am 24. Oktober 2011 hat in der türkischen Öffentlichkeit heftige Diskussionen ausgelöst. Der Grund: Berichte von AnwohnerInnen und einer Überlebenden legen den Schluss nahe, dass die PKK-KämpferInnen durch den Einsatz illegaler Chemiewaffen getötet wurden. Der Einsatz verbotener Chemiewaffen durch das türkische Militär im Jahr 1999 ist ebenso belegt wie die Lagerung und der Verkauf geächteter Chemiewaffen im Jahr 2010.
Jürgen Klute, stellvertretendes Mitglied in der Türkei-Delegation des Europäischen Parlaments fordert Füle auf Wort zu halten: „Seit mehreren Monaten müssen wir beobachten, dass sich der türkisch-kurdische Konflikt erneut zuspitzt. Aus meiner Sicht setzt Erdogan zu sehr auf militärische Eskalation gegenüber den kurdischen Rebellen. Die Verdachtsfälle über den Tod von 36 PKK-Kämpfern in Kazan Vadesi heizen das gesellschaftliche Klima weiter an und stehen einer Versöhnung der Bevölkerungsgruppen im Wege. Die Kommission muss deshalb eine unverzügliche und unabhängige Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen durch das türkische Militär einfordern. Die türkischen Behörden müssen internationale Experten einladen und ihnen Zugang zu Autopsieberichten einräumen. Untersuchungen hinter verschlossenen Türen sind wertlos, echte Aufklärung braucht stattdessen volle Transparenz."
Helmut Scholz, stellvertretendes Mitglied im Außenausschuss des Europäischen Parlaments: „DIE LINKE. im Europaparlament gehört zu den Unterstützern eines EU-Beitritts der Türkei. Unserer Ansicht nach können die Beziehungen zwischen Europäischer Union und der Türkei aber nur dann vertieft und ausgebaut werden, wenn Staat und Gesellschaft echte Fortschritte in Sachen Demokratie, Frieden und Menschenrechte erzielen. Die Türkei hat 1997 die internationale Chemiewaffenkonvention ratifiziert. Mit diesem wichtigen Schritt hat der türkische Staat ein klares Bekenntnis für internationales Recht und für die Missachtung von Kriegsverbrechen abgegeben. Um ihre Glaubwürdigkeit gegenüber der internationalen Gemeinschaft zu bewahren, empfehle ich der türkischen Regierung daher, alle Verdachtsmomente durch die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) ausräumen zu lassen."
Weitere Unterzeichner der Anfrage sind die EU-Abgeordneten Cornelius de Jong (Niederlande), Katarina Nevedalova (Slovakei), Jean Lambert und Sarah Ludford (beide Vereinigtes Königreich).
Anfrage und Antwort der Kommission finden sich hier: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+WQ+E-2012-000855+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE
Studie von Jan van Aken, MdB „Zum möglichen Chemiewaffen-Einsatz gegen das türkische Militär (30.11.2011): www.jan-van-aken.de/files/chemiewaffen_t__rkei.pdf