Zur Wahl des neuen Präsidenten des Europäischen Parlaments
17.01.2012
Zur Halbzeit der Legislatur wurde heute der bisherige Vorsitzende der Fraktion der 190 Abgeordneten sozialdemokratischer und demokratischer Parteien, Martin Schultz (SPD), zum neuen Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt.
Jedes der 736 Mitglieder des Europäischen Parlaments hatte das Recht, sich um dieses Amt zu bewerben und in einer geheimen Abstimmung sein Votum abzugeben. Die Wahl von Martin Schultz wurde im Vorfeld allgemein als sicher gehandelt, basierte seine Kandidatur doch auf einer Absprache zwischen den beiden großen Fraktionen, der Europäischen Volkspartei und den Sozialisten und Demokraten, die in Summe 461 Abgeordnete stellen. Mit 387 Stimmen erhielt Martin Schultz zwar die zu seiner Wahl erforderlichen Anzahl, jedoch nicht alle 461 Stimmen dieser Absprache. 142 Stimmen gingen vielmehr an den britischen Abgeordnete Nirj Deva von der Konservativen Fraktion und 141 Stimmen an die ebenfalls aus Großbritannien stammende liberal-demokratische Abgeordnete Diana Wallis, die als "Unabhängige" antrat.
Die linke konföderale Fraktion im Europäischen Parlament hat sich nach einer ausführlichen gemeinsamen Debatte darauf verständigt, bei dieser Wahl des Parlaments-Präsidenten auf einen eigenen Kandidaten zu verzichten und keine Abstimmungsempfehlung abzugeben. Damit blieben alle Abgeordneten der Fraktion Vereinte Europäische Linke / Nordische Grüne Linke ausschließlich ihrem Gewissen und der geheimen Wahl verpflichtet (siehe hierzu auch: www.neues-deutschland.de/artikel/215736.wir-unterwerfen-uns-nicht-rot-gruen.html und www.freitag.de/community/blogs/klute/halbzeitwechsel-im-europaeischen-parlament?searchterm=klute).
Von Anbeginn haben die deutschen Abgeordneten der GUE/NGL hingegen mehrheitlich klar und öffentlich gemacht, was sie von Martin Schultz als neuen Parlamentspräsident erwarten:
- in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Zukunft des europäischen Integrationsprozesses und in einer Situation des fast synchronen Angriffs der sogenannten "Märkte" und von Regierungen der Mitgliedstaaten auf diesen hat der Präsident des Europäischen Parlaments dieses in seiner Rolle als institutionelle Gegenmacht zu stärken und es in seiner Rolle als solches auch entsprechend zu vertreten;
- das hierfür erforderliche starke Mandat hat er nur, wenn er die ganze politische Vielfalt, d.h. alle Fraktionen des Parlaments vertritt und hierbei auch sichert, dass die Positionen der linken Fraktion in der parlamentarischen Arbeit gebührend politisch berücksichtigt werden;
- alle Fraktionen zu vertreten und in der politischen Tagesarbeit zu berücksichtigen erfordert, unter seinem Vorgänger eingerissene Tendenzen abzubauen, die Arbeit des Parlamentes und seiner Ausschüsse zunehmend nicht legitimierten "Arbeitsgruppen" oder "Kungeleien" der großen Fraktionen unterzuordnen.