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Rede von Helmut Scholz zu FTA EU-Indien Plenum

12.05.2011

Die Resolutionsentwürfe, die dem Europäischen Parlament vorliegen, machen für alle Fraktionen deutlich, dass sich das Parlament nicht ausreichend über den konkreten Stand der Verhandlungen informiert sieht. Erneut also eine Demokratie-Frage des Nach-Lissabon-Prozesses. Ich kann Sie deshalb, Herr Kommissar, nur erneut auffordern: Lernen Sie aus dem ACTA-Prozess. Wenn Sie denken, dass unsere Sorgen unbegründet sind, dann legen Sie die konkreten Textvorschläge für die einzelnen Kapitel vor.

Rede zu FTA EU-Indien Plenum Mai  

ANREDE     

Die Resolutionsentwürfe, die dem Europäischen Parlament vorliegen, machen für alle Fraktionen deutlich, dass sich das Parlament nicht ausreichend über den konkreten Stand der Verhandlungen informiert sieht. Erneut also eine Demokratie-Frage des Nach-Lissabon-Prozesses. Ich kann Sie deshalb, Herr Kommissar, nur erneut auffordern: Lernen Sie aus dem ACTA-Prozess. Wenn Sie denken, dass unsere Sorgen unbegründet sind, dann legen Sie die konkreten Textvorschläge für die einzelnen Kapitel vor.   

Vor allem die Fragen der linken Hälfte dieses Hauses greifen Sorgen der Bevölkerung in Europa aber auch die in Indien ganz direkt auf, v.a. die Sorge um die eigene soziale und wirtschaftliche Situation, um die Perspektiven der Beschäftigten und Arbeitssuchenden in den EU-Mitgliedstaaten.   

Da bekanntlich der Teufel im Detail liegt, Herr Kommissar, wollen wir wissen: Was sind die konkreten Verhandlungsgegenstände bei den öffentlichen Ausschreibungen, im Dienstleistungssektor oder in der Arbeitsmigration? Welcher Text liegt zu den IPRs auf dem Tisch, wie sieht es bei der ökologischen Dimension und im Bereich der Landwirtschaft aus?   

Wir wollen anhand der konkreten Texte prüfen, ob wir die Rolle Indiens als Apotheke der Armen der Welt gefährdet sehen, ob die Produktion von günstigen Medikamenten gegen Malaria oder zur Behandlung von AIDS durch das Abkommen behindert wird. Ohne die gewaltigen Forschungsinvestitionen, Patentfragen etc. hiesiger Pharma-Konzerne außer Acht zu lassen.   

Wir wollen prüfen, ob europäische Kommunen, Krankenhäuser oder Ministerien künftig zu Ausschreibungen verpflichtet werden, die auch indische Unternehmen einbeziehen.   

Wir wollen wissen, ob das Abkommen die Bedingungen des Zugangs indischer Krankenschwestern oder Altenpfleger in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union regelt, inklusive Aufenthaltsdauer und der Anerkennung von Qualifikationen.   

Wir wollen wissen, ob Kleinbauern und Fischern in Indien aus dem Vertragstext Gefahren drohen und ob europäischen Stahlarbeitern die Kündigung droht, weil indisches Kapital künftig durch den Vertrag ungezügelt in der EU in Firmenkäufe investiert werden kann.   

Wir wollen prüfen, ob die Kapitel zu Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz unseren Ansprüchen genügen, oder ob die Unterhändler Sozialdumping bis hin zur Kinderarbeit weiter zulassen würden.   

Wir wollen auch wissen, wie das künftige Verhältnis zwischen Handelsabkommen und Gewährung des APS/APS+ Mechanismus aussieht - werden die Regelungen für letzteres gerade gegenüber den ärmsten und armen Staaten als Druckmittel für den Abschluss von Handelsabkommen genutzt?  

  Sie sagen, dass Sie an die Verhandlungen mit Indien mit ganz besonders großen Ambitionen herangehen, die im Ergebnis über alles bisher in Abkommen erreichte hinausgehen sollen. Das klingt mit Blick auf den Beitrag der EU zu den Milleniums-Entwicklungs-Zielen und die Absichtserklärungen der G20 interessant. Seien Sie jedoch gewarnt: Wir führen hier im Parlament nicht politische Verhandlungen über die Neuausrichtung der Regelungen zur öffentlichen Beschaffung oder zur Anerkennung von Berufsabschlüssen, um dann durch einen Handelsvertrag vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.  

Handelsabkommen dürfen demokratische Prozesse nicht aushebeln. Gerade als Handelspolitiker ist es unsere Pflicht, die Interessen der Bevölkerung in anderen Politikfeldern und die innerhalb der EU operierenden, v.a. kleinen und mittelständischen Unternehmen davor zu schützen, den Gewinnmargen exportorientierter Unternehmen untergeordnet zu werden. Hier wie in Indien.

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