Die EU-Handelspolitik muss der gemeinsamen Aufgabenstellung untergeordnet werden, die UNO-Nachhaltigkeitsziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Das betonte der Handelspolitische Sprecher der LINKE-Delegation im Europäischen Parlament, Helmut Scholz, am späten Mittwochabend in der Plenarsitzung in Brüssel (REDETEXT IN DER ANLAGE). Der Bericht des Abgeordneten zur „Zukunft der Handelsbeziehungen der EU zu Afrika“ wurde am Donnerstag mit überdeutlicher Mehrheit (463 Zustimmung, 43 Ablehnung, 81 Enthaltungen) angenommen.
Die Zukunft der Handelsbeziehungen zwischen der EU und Afrika
Future of EU-Africa trade relations
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Plenarrede Berichterstatter Helmut Scholz zur
„Zukunft der Handelsbeziehungen der EU zu Afrika“
Brüssel, Europäisches Parlament, 22. Juni 2022
Ich möchte mich zunächst herzlich bei den Schattenberichterstattern bedanken. Wir hatten eine ausgesprochen gute und konstruktive Kooperation und ich bin stolz auf unser gemeinsames Ergebnis.
Der Inhalt unseres Berichtes erwuchs auch aus einer intensiven Zusammenarbeit mit namhaften afrikanischen Expertinnen und Experten, die mit uns in einer Anhörung und einer Reihe von Workshops ihre Vorstellungen der künftigen wirtschaftlichen Kooperation unserer beiden Weltregionen geteilt haben.
Mit diesem Bericht geben wir der Europäischen Union, aber auch der Afrikanischen Union und ihren Mitgliedstaaten heute eine klare Positionierung des Europaparlamentes an die Hand. Wir sprechen uns für eine Partnerschaft auf Augenhöhe aus und knüpfen damit direkt an die gemeinsame Abschlusserklärung des EU - AU Gipfels vom Februar dieses Jahres an. Richten wir unsere Prioritäten nun gemeinsam aus.
Wir müssen unsere Politiken - und insbesondere auch die Handelspolitik - der gemeinsamen Aufgabenstellung unterordnen, die UNO Nachhaltigkeitsziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
Die Überwindung von Armut, die Prosperität des afrikanischen Kontinents, ist ein Eigeninteresse der Europäischen Union. Wir müssen daher zusammen Anstrengungen unternehmen, Wertschöpfungsketten innerhalb von Afrika aufzubauen. Dabei sollten wir auf moderne und umweltfreundliche Technologie setzen, um die Vision der AU von einer nachhaltigen Industrialisierung des Kontinents zu unterstützen.
Unser Bericht stellt klar, dass es primär um die Förderung des Handels innerhalb Afrikas gehen muss. Dieses Primat ist auch bei unserer Unterstützung für den Ausbau der Infrastruktur zu beachten. Der intra-afrikanische Handel benötigt Transportinfrastruktur, benötigt Kühlketten und Lagerhäuser, benötigt Kommunikationsnetze und Datenautobahnen. Treibende Kraft der wirtschaftlichen Transformation Afrikas sind die Frauen und die Jugend, die wir gezielt unterstützen sollten.
Der intra-afrikanische Handel benötigt auch Erleichterungen bei den Zöllen und Zollabfertigungen innerhalb des Kontinents. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Europäische Parlament mit diesem Bericht auch hinter das afrikanische Projekt des kontinentalen Freihandelsgebietes AfCFTA. Dabei haben wir Respekt vor den Ambitionen des Projekts, zu denen uns Generalsekretär Wamkele Mene versicherte, dass man Nachhaltigkeit und ordentlich bezahlte Arbeitsplätze schaffen und unter anderem sogar die Freizügigkeit für Personen in Afrika einführen möchte und damit weit über ein normales Handelsabkommen hinausgehen will.
Der Handel in und mit Afrika ist heute viel zu fragmentiert. Aus meiner Sicht trägt die Europäische Union zu diesem Problem bei, solange wir nicht zumindest die Ursprungsregeln für den gesamten Kontinent harmonisieren. Die Regeln, auf die sich die AfCFTA Mitgliedstaaten gerade untereinander geeinigt haben, sollten uns dabei als Richtschnur dienen. In diesem Zusammenhang fordern wir als Parlament die Kommission auf, die bestehenden EPAs einer tiefen Analyse zu unterziehen, ob sie dem afrikanischen Integrationsprozess helfen oder im Wege stehen. Aus meiner Sicht sollten wir nicht krampfhaft an dem 20 Jahre alten EPA Konzept festhalten, sondern besser die Dynamik des AfCFTA aufgreifen.
Wir müssen vielleicht besser zuhören und die Gespräch auch suchen. Wir empfehlen daher der EU Kommission, regelmäßige strukturierte Treffen mit der Kommission der AU durchzuführen, um gemeinsam die nächsten konkreten Schritte der Kooperation zu besprechen.
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Ich bedanke mich für die gute und konstruktive Debatte. Vieles in Ihren Beiträgen teile ich. Manches teile ich aber überhaupt nicht.
Lassen sie mich ausdrücklich unterstreichen: Unser Bericht ist nicht blind gegenüber Hunger und Not großer Teile der Bevölkerung Afrikas. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine verschlimmert die Situation noch einmal dramatisch. Auch Spekulation treibt die Nahrungsmittelpreise in dieser Krise hoch, so dass die Hilfswerke für ihre Budgets nicht mehr ausreichend Hilfsgüter erwerben können. Über 80 Millionen Menschen in Ostafrika allein droht eine Hungersnot.
Auch durch den Klimawandel, Umweltzerstörung, Krieg - wie im westafrikanischen Mali, wo die Bauern keine Möglichkeit haben, ihre Felder zu bestellen.
Es gilt jetzt zu handeln! Kurzfristig durch Bereitstellung von Nahrung. Mittelfristig aber - und auch das empfiehlt unser Bericht - durch die Ermöglichung eines würdevollen Lebens für Afrikas Landbevölkerung und landwirtschaftliche Betriebe. Wir empfehlen, agroökologischen Reformen Raum zu geben. Eine rentable Preisbildung darf nicht durch Dumping von Milchpulver oder Geflügelteilen aus Europa verhindert werden. Letztlich - aber notwendigerweise ab sofort - helfen wir durch intensivste Anstrengung zur die Verhinderung des Klimawandels und den Erhalt der Artenvielfalt. Auch durch Investitionen. Darauf haben Sie, Herr Kommissar, ja mit dem Verweis auf Global Gateway hingewiesen. Über deren Ausrichtung muss gemeinsam entschieden werden.
Denn was und wie wird die „next generation“ zu unserer Politik und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sagen, wenn in zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren 2,5 Milliarden Menschen auf dem afrikanischen Kontinent leben. Ja, Klimapartnerschaften und Investitionstätigkeit der EU erfordern gleichberechtigte und partnerschaftliche Zusammenarbeit und die Kohärenz der Politiken, wenn wir über Nahrungsmittelsicherheit und Ernährungssouveränität sprechen.
Afrika ist der Kontinent der Hoffnung, Afrika ist der Kontinent der Jugend, während unser europäischer Kontinent altert. Wir haben die Chance der Zusammenarbeit, in die wir weit mehr investieren sollten als bislang vorgesehen.
Vielleicht auch bei gemeinschaftlichen Anstrengungen für eine zukunftsoffene WTO Reform.