Auf der Europaplattform http://die-zukunft.eu sowie in der Tageszeitung nd.DerTag (https://www.nd-aktuell.de/) sind Berichte über die erste Plenartagung der EU-Zukunftskonferenz erschienen. Wir dokumentieren den Text.
Auf der Suche nach einem neuen Europa
Erstmals tagte das Plenum der EU-Zukunftskonferenz. Ein Konferenzbericht von Jürgen Klute
Nachdem am 9. Mai, dem Europatag, offiziell die Konferenz zur Zukunft Europas eröffnet wurde, folgte nun am Sonnabend deren erste Plenartagung im Europäischen Parlament in Straßburg. Zusammengesetzt war das Treffen aus 108 Vertreter*innen des Europäischen Parlaments, 54 des Rates (also der nationalen Regierungen) und 3 der Europäischen Kommission sowie 108 gleichberechtigten Vertreter*innen aller nationalen Parlamente und aus Bürger*innen zusammensetzen.
Nach dem Sommer werden zudem 108 Europäer*innen teilnehmen, streng nach Quote: 80 Vertreter*innen aus den sogenannten Europäischen Bürgerpanels, von denen mindestens ein Drittel jünger als 25 Jahre sein wird, und 27 aus nationalen Bürgerpanels oder Konferenzveranstaltungen (eine pro Mitgliedstaat) sowie der Präsident des Europäischen Jugendforums. Darüber hinaus sollen sie paritätisch zwischen Frauen und Männern besetzt werden. Der Auswahlprozess für die Bürgervertreter*innen läuft bereits.
Im Mittelpunkt der Konferenz zur Zukunft Europas steht die Frage, wie die EU künftig aussehen soll. Wie kann sie krisenfester gemacht werden? Wie demokratischer? Wie können Bürger*innen stärker in die politischen Entscheidungsprozesse der EU eingebunden werden?
Eröffnet wurde das Konferenzplenum durch Statements der drei Ko-Vorsitzenden der Plenarversammlung: dem belgischen Europaabgeordneten Guy Verhofstadt, der portugiesischen Staatssekretärin für Europafragen und Mitglied des Rates der EU Ana Paula Zacarias und der Vizepräsidentin der EU-Kommission Dubravka Šuica. Sie stellten noch einmal das Ziel der EU-Zukunftskonferenz heraus und erklärten die Arbeitsweise: Die erste Säule bildet eine digitale Plattform, bei der sich Bürgerinnen und Bürger registrieren um dann direkt an den Debatten teilnehmen zu können, indem sie ihre Vorstellungen und Erwartungen an eine zukünftige EU auf der digitalen Plattform veröffentlichen.
Die zweite Säule sind die bereits erwähnten Bürgerpanels. Vier Panels zu je 200 Teilnehmenden aus allen 27 EU-Mitgliedsstaaten sind vorgesehen. Sie werden per Losverfahren zusammengesetzt. Insgesamt sollen die Panels einen mehr oder weniger repräsentativen Querschnitt der Einwohner*innen der EU abbilden. Die dritte Säule schließlich ist das Konferenzplenum, das am Sonnabend erstmals tagte.
Im weiteren Verlauf des ersten Konferenzplenums gab es eine breite Aussprache über die EU-Zukunftskonferenz. Wegen der Pandemie wurden viele Rednerinnen online zugeschaltet. In der Aussprache zeichneten sich zwei Ebenen ab: Vertreterinnen und Vertreter der EU-Institutionen betonten vor allem die Notwendigkeit, Bürgerinnen zuzuhören, die EU krisenfester zu machen, nötigenfalls auch die EU-Verträge zu überarbeiten und die Abstimmungsverfahren so zu modifizieren, dass Mitgliedsstaaten die Weiterentwicklung der EU nicht ausbremsen können, da sich das Einstimmigkeitsprinzip längst zu einem faktischen Vetorecht entwickelt hat.
Aus der Zivilgesellschaft kamen hingegen eher konkrete und praktische Vorschläge zur Weiterentwicklung der EU. Im Vordergrund standen Themen wie Wohlstand, ein gerechteres und sozialeres Wirtschaftssystem, Vorrang sozialer Rechte vor Wirtschaftsinteressen, hochwertige Arbeitsplätze, Arbeitnehmerinnenrechte, soziale Demokratie, Grundrechte, Umweltschutz, Bürgerinnenbeteiligung, die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und die Zurückweisung von nationalem Egoismus.
Der linke Europaabgeordnete Helmut Scholz kommentierte das Konferenzplenum im Vorfeld mit den folgenden Worten: „Für uns als THE LEFT im EU-Parlament ist klar, dass auch die Europäischen Verträge in der Konferenz auf den Tisch zu legen sind. Denn: Der Vertrag von Lissabon, der vor etwas mehr als zehn Jahren in Kraft getreten ist, wird den Anforderungen unserer Zeit bei Umweltschutz, Migration, Zugang zur Bildung oder bei der Erfüllung der UN-Entwicklungsziele – um nur einige Herausforderungen exemplarisch zu nennen – nicht gerecht. Die EU-Verträge bestimmen weitgehend den Alltag der Menschen in der EU 27 – und darüber hinaus. Daher müssen wir uns zu den Zusammenhängen verständigen. Ein soziales Europa braucht eine wirkliche gemeinschaftlich bestimmte Wirtschafts- und Steuerpolitik – sonst bleibt der Wettbewerb des Binnenmarktes alleiniges Kriterium.“