Patentschutzfreigabe: Votum für die Menschlichkeit
10.06.2021
Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der Linksfraktion THE LEFT im Europäischen Parlament, kommentiert die heute bekanntgegebene Entscheidung des Parlaments, sich für eine zeitweilige Aussetzung des Patentschutzes für Covid-19-Impfstoffe, Medikamente und Geräte zur Behandlung von Corona auszusprechen:
„Gegen den erbitterten Widerstand der Wirtschaftsliberalen, einschließlich des EVP-Schattenberichterstatters Sven Simon, hat sich eine Mehrheit der EU-Abgeordneten dafür stark gemacht, dass Europa diesmal auf der richtigen Seite der Geschichte stehen soll. Die Mehrzahl der Mitglieder des Europaparlaments hat im Plenum Gewissen gezeigt und damit auch der Forderung von über 100 Mitgliedstaaten der WTO beigepflichtet, den Patentschutz auf Corona-Impfstoffe vorübergehend auszusetzen. Das ist ein Votum für die Menschlichkeit. Bedauerlich, dass die Abgeordneten von CDU, AfD und FDP sich diesem Schritt geschlossen verweigerten.“
Helmut Scholz betont: „Die EU-Kommission ist nun deutlich aufgefordert, bei den laufenden Verhandlungen in Genf bei der WTO und im Trips-Rat Farbe zu bekennen und allen Menschen Zugang zu Impfstoff zu ermöglichen. Das tägliche Sterben von Tausenden Menschen an dem Virus, gerade in den ärmeren Regionen der Erde, muss ein Ende haben. Nur eine Zahl macht deutlich, was gemeinsam geleistet werden muss: in Afrika liegt die Impfquote bei 0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung. Eine Pandemie kann nur dann erfolgreich bekämpft werden, wenn sie global, zeitgleich und umfassend bewältigt wird. Gemeinsam. Wir als Linksfraktion verweisen seit Monaten darauf, dass Nichtstun in der Corona-Krise tötet – jeden Tag verlieren 10.000 Menschen ihr Leben durch Covid-19.“
„Die neue Generalsekretärin der Welthandelsorganisation WTO hat darauf verwiesen, dass selbst die bereits bestehenden Produktionskapazitäten im globalen Süden nicht ausgeschöpft werden könnten, weil der Patentschutz dem im Wege stehe“, so der linke Handelsexperte weiter.
Scholz abschließend: „Gebraucht werden konzertierte und mehrgleisige Maßnahmen – neben der Patentfreigabe vor allem auch eine Weitergabe von Technologie und Know-how, Lizenzerteilungen und ‚Best Mode‘-Praxis und eine Zusammenarbeit beim breitestmöglichen Aufbau von Produktionskapazitäten.“
Hintergrund:
Im vergangenen Herbst hatten Indien und Südafrika in der Welthandelsorganisation WTO vorgeschlagen, Patentrechte (die im sogenannten Trips-Abkommen festgeschrieben sind) auf Corona-Impfstoffe und -Medikamente für die Zeit der Pandemie freizugeben. Dies wird auch als „Trips-Waiver“ (Verzicht) bezeichnet. Über 100 Staaten unterstützen bereits den Vorschlag, darunter auch die USA. Nicht dazu gehört jedoch die EU als Staatenbund. In den Verhandlungen über den Text der Resolution war erneut die heftige Weigerung der Fraktionen Europäische Volkspartei (CDU und CSU), der Fraktion ID (AfD) und Teilen der Liberalen (darunter alle FDP-Abgeordneten) deutlich geworden, Schritte zur Aussetzung der Patente zu ermöglichen. Die Linksfraktion, die Grünen und die Sozialdemokratische Fraktion hatten mit Änderungsanträgen in der Plenarabstimmung erreicht, dass eine Befürwortung der Aussetzung des Patentschutzes doch noch in die Resolution aufgenommen wurde.