Kommentar des Europaabgeordneten Helmut Scholz zum Artikel „Wolfsgeist - Wie Huawei seine Angestellten in Europa kontrolliert“
In einem Artikel berichtet netztpolitik.org darüber, dass ehemalige Angestellte Huawei Diskriminierung vorwerfen. Der Beitrag zeigt auf, wie massiv der Konzern in ihr Privatleben eingreift und wie er sein Personal auf Linie hält. netzpolitik.org hatte dazu interne Dokumente und verdeckte Tonaufnahmen gemeinsam mit seinen Recherchepartner:innen des Signals Network ausgewertet. https://netzpolitik.org/2021/wolfsgeist-wie-huawei-seine-angestellten-in-europa-kontrolliert/#
In der Europäischen Union tätige Konzerne müssen sich selbstverständlich an die in der EU und im jeweiligen Mitgliedstaat erkämpften Rechte der Beschäftigten halten. Als Gewerkschaftsmitglied ist mir das besonders wichtig. Das gilt für Huawei, wie für Tesla, Amazon oder Lidl. Genau das macht unter anderem die Qualität einer Investition aus: Respekt für das vor Ort geltende Recht, Nachhaltigkeit, Transparenz. In der Debatte um die Bewertung oder Zulassung von Investitionen aus nicht-EU Staaten setze ich mich dafür ein, diese Qualitätsfrage zur Grundlage der Entscheidung zu machen, nicht den „Pass“ der Investierenden.
Huawei sollte erkennen, dass Betriebsräte und gewerkschaftliche Organisation wesentlich zum Erfolg eines letztlich doch gemeinsamen Unternehmens beitragen. Leider ist im gesamten ICT-Sektor der Organisationsgrad noch sehr gering. Auch fehlt in Deutschland ein Arbeitgeberverband als Verhandlungspartner. Daher ist es auch bedauerlich, dass laut ihrem Artikel das Bundesarbeitsministerium so zurückhaltend reagiert hat, statt auf Klärung der Situation vor Ort zu drängen.
Einige der von Ihnen beschrieben Verfahren, so zum Beispiel das Rotationsprinzip, die Spiegelung von Positionen, die Rückkopplung mit der Konzernzentrale, sind allerdings international absolut üblich. Sie würden Ähnliches bei Siemens in China auch antreffen. Rotation ist auch in den Botschaften, den Auslandsbüros von Stiftungen, oder sogar innerhalb von Verwaltungsstrukturen von Konzernen und transnationalen Institutionen üblich. Auch der Austausch bei einem „after work beer“ ist nicht nur in China eine häufige Praxis.
Das von Ihnen beschriebene „Fraternisierungsverbot“ mutet hingegen archaisch an und erinnert mich leider eher an die Vorgaben aus Zeiten der Blockkonfrontation, insbesondere wenn es mit Überwachungsmethoden durchgesetzt werden soll. In der heutigen Zeit, in der vielerorts auf People-to-People Diplomatie gesetzt wird, wirkt eine solche Hausregel besonders absurd. Die beschriebenen Fälle von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sind ein klarer Verstoß gegen die Rechtslage und wurden ja auch gerichtlich geahndet. Offenbar sind die Strafzahlungen noch zu gering, um ein Umdenken der Manager zu bewirken. Auch die Altersdiskriminierung, von der man leider auch aus dem Silicon Valley hört, scheint sich zu einer Branchen-Arroganz zu entwickeln, die Unternehmen und Gesellschaft letztlich schaden wird.
Wir sind gut beraten, mit chinesischen Unternehmen und anderen Unternehmen aus nicht-EU-Staaten in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften die Rahmenbedingungen eines Auftritts in der Europäischen Union klar zu besprechen und Verhaltensweisen und kulturelle Differenz zu adressieren. Hier gelten hiesige Regeln. Die IG Metall berichtete mir übrigens, dass aus gewerkschaftlicher Sicht die Erfahrungen mit Investoren aus China überwiegend deutlich besser waren als mit amerikanischen Investoren.
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