Der Landesbauernverband Brandenburg (LBV) hatte Helmut Scholz am 28. August zum Europäischen Frühstück auf den Hof Schreinecke nach Stücken, Landkreis Potsdam-Mittelmark, eingeladen. Der Termin diente dem Positionsaustausch und der gegenseitigen Information, Anlass war das EU-Agrarminister*innentreffen in Koblenz im Zuge der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Auch das rbb-Fernsehen war mit von der Partie.
Einleitende Worte kamen durch den Präsidenten des LBV, Herrn Henrik Wendorff, welcher die Positionen des LBV in sieben Kernanliegen zusammenfasste und dabei maßgeblich auf die Rahmenbedingungen zur Wettbewerbsgleichheit und zur Produktionssicherheit abstellte.
Helmut Scholz wiederum begrüßte die Kernanliegen und fand darin durchaus Übereinstimmungen zu Positionen der LINKEN. Er erinnerte daran, dass politische Mehrheiten jenseits der Linken sich seinerzeit bei der Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik bewusst für die Ausrichtung auf den Weltmarkt entschieden hatten. Der EU-Agrarmarkt sollte weltmarktfähig sein, Agrargüter aus den EU-Staaten sollten in die Welt exportiert werden – und mussten dafür natürlich vorab in Größenordnungen erzeugt werden. Bei der Ausgestaltung der globalen Märkte, beim Welthandel und international verkehrender und gehandelter Güter zeige sich nun aber auch die Kehrseite, Stichwort Preisdumping und Konkurrenzdruck. Und das wird dem Agrarsektor nun besonders deutlich bewusst mit Blick auf das Handelsabkommen EU-MERCOSUR (Lateinamerika).
Scholz mahnte daher den LBV eindringlich, die eigenen Positionen auch an die EU-Kommission zu geben, da für diesen Herbst die Überprüfung der EU-Handelspolitik, Stichwort handelspolitische Strategie, anstünde.
Beim Thema Abbau der Bürokratie waren sich alle Beteiligten in der Runde schnell einig. Interessant ist an dieser Stelle aber auch die Frage, wem die Bürokratie denn nütze. Große Firmen und Konzerne können ganze Abteilungen sich mit bürokratischen Regeln befassen lassen. Kleine, regionale Betriebe vor Ort haben das Nachsehen. Auch das befördert letztlich also den Strukturwandel, hin zu immer mehr, alles entscheidenden, Großkonzernen. Mit Ausprägungen und den bekannten Folgen für die Wirtschaft, Stichwort Konzern Tönnies.
Analog findet man die negativen Wirkungen marktbeherrschender Konzernstrukturen übrigens auch im Einzelhandel. Vier große Einzelhandelsketten diktieren den Bäuerinnen und Bauern Preise - und damit gewissermaßen auch die Produktionsweise.
Bei der Bürokratie sollte man sich fragen, ob es bei der Aufstellung (und Umsetzung) von Regeln um das Erreichen von Zeilen oder letztlich nur noch um die penetrante Umsetzung von Gesetzen gehe. Haben sich Verwaltungen hier nicht stark verselbstständigt? Das Problem sei doch, so der LBV, dass Natur und Landwirtschaft variabel sind und sich an Gegebenheiten vor Ort ausrichten. Es bringt nichts, wenn Verwaltungen versuchen, die Natur in Regeln zu pressen. Wo gibt es denn noch Spielräume und Auslegungsmöglichkeiten, gerade mit Blick auf regionale Unterschiede und natürliche Gegebenheiten vor Ort? Sind die klimatischen Rahmenbedingungen, als direkte Einflussgröße auf die Agrargüter, im Süden der EU überhaupt mit denen im Osten oder im Norden der EU vergleichbar? Macht es Sinn, wenn sich 27 nationale Regierungen auf EU-Ebene per Kompromiss einigen und versuchen, die Agrarpolitik unter einen Hut zubekommen? Und dann wiederum in ihren nationalen Gesetzen Ausführungsregelungen erlassen und diese dann in Bundesländern bzw. Regionalstrukturen noch weiter ausdeklinieren lassen? Wäre es an dieser Stelle nicht Zeit zur Überprüfung der EU-Verträge? Zentralisiert auf alleinige Kompetenz durch die EU oder regionalisiert auf die EU-Mitgliedstaaten zurück? Was ist dann aber mit der Wettbewerbsgleichheit, den Rahmenbedingungen für die Produktion? Vom Bestehen auf dem Weltmarkt ganz zu schweigen. Aber gehören Agrargüter überhaupt auf den Weltmarkt? Müssen Äpfel über den Ozean ans andere Ende der Welt? Sind Tiertransporte über tausende Kilometer ethisch vertretbar? Sind nicht regionale Erzeugungs- und Stoffkreisläufe das sinnvollste? Und das alles erst recht betrachtet unter dem Aspekt des Klimaschutzes.
Nach gut zwei Stunden intensivem Austausch zeigte sich, dass man natürlich nicht alles ansprechen und abschließend ausdiskutieren konnte. Auch deswegen bat Helmut Scholz um Fortführung des Dialogs. Ebenso sprach er abschließend die Einladung an den LBV zum Besuch in Brüssel aus. Wenn denn, Corona-bedingt, hoffentlich ab 2021 wieder Besuchsgruppen im Europäischen Parlament zulässig sind ...