Am 12. Dezember fand in Brüssel die CONFERENCE: For environment, farming and jobs - STOP EU-MERCOSUR statt. Die Tageszeitung "neues deutschland" berichtete. Wir dokumntieren den Text. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1130157.vieh-gegen-autos.html?sstr=Klute
Vieh gegen Autos
Mit dem EU-Mercosur-Abkommen wird der Import pestizidbelasteter Lebensmittel erleichtert. Im Gegenzug werden die Märkte südamerikanischer Staaten für europäische Automobilkonzerne geöffnet.
Gegen TTIP und Ceta haben in der EU vor Jahren Hunderttausende Menschen protestiert. Ganz anders sieht es beim jetzt geplanten Handelsvertrag zwischen der EU und den Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay aus. Obgleich er mindestens so problematisch ist wie die genannten Abkommen, gibt es bisher nur wenig öffentliche Resonanz.
Mit der international besetzten Konferenz »Stop EU-Mercosur« hat die linke Fraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL) am 12. Dezember in Brüssel einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über dieses schon seit 20 Jahren verhandelte Abkommen geleistet, das laut EU-Kommission Mitte 2020 unterzeichnet werden soll. Der LINKE-Europaabgeordnete Helmut Scholz, einer der Initiatoren der Konferenz und handelspolitischer Sprecher der GUE/NGL, betonte, die Konferenz sei zudem Teil einer Initiative seiner Fraktion, die auf die Entwicklung einer Alternative zu den bisherigen EU-Handelsabkommen zielt, die Menschenrechte und ökologische Ziele und Kooperation ins Zentrum stellt.
Die Kritik am geplanten Abkommen konzentriert sich auf die Aspekte Umwelt, Gesundheit, Landwirtschaft, Arbeitsplätze und Wirtschaft. Larissa Mies Bombardi von der Universität São Paulo erläuterte, Brasilien produziere vor allem Soja, Zucker, Kaffee, Mais, Tabak und Fleisch für den Export in die EU. Für den Anbau dieser Produkte würden große Teile des Amazonas-Urwalds gerodet. Außerdem fehlten die für den Anbau der genannten Kulturen genutzten Flächen für die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln.
Weiter berichtete Bombardi vom enormen Pestizideinsatz durch die Agrarbetriebe. Viele der in Brasilien verwendeten Ackergifte sind in der EU verboten, werden aber von europäischen Chemieunternehmen nach Südamerika geliefert. Nach Angaben von Experten enthalten Agrarprodukte aus Brasilien Pestizidrückstände, die 400-mal höher sind als in der EU erlaubt. Bei Glyphosat werden in einigen Fällen Werte erreicht, die beim 5000-Fachen des in der EU erlaubten liegen. In Brasilien führt das zu massenhaften Erkrankungen und nicht selten auch zu Todesfällen.
Doch auch die Verbraucher in der EU sind aufgrund der Importe dieser Produkte gefährdet. Karine Jacquemart von Foodwatch France ergänzte, die EU schreibe in ihren Handelsverträge fest, dass die Regeln der WTO Anwendung finden. Danach sind auch sogenannte technische Handelshemmnisse verboten. Gemeint sind damit zum Beispiel auf demokratischem Wege festgelegte Einfuhrbeschränkungen für mit Pestiziden belastete Produkte.
Zudem, so Mathilde Dupré vom Veblen Institut, einem französischen Non-Profit-Thinktank für ökonomische Reformen und ökologische Transformation, schrieben die WTO-Regeln automatisierte Kontrollverfahren vor, die auf Vertrauen statt Kontrolle setzten. Nur bei Hochrisikolieferungen dürfe noch genauer hingeschaut werden. Eine effektive Kontrolle von Lebensmittelimporten werde damit extrem erschwert.
David Calay, Ökonom an der Universität im französischen Angers, kommt daher zu dem Schluss, dass die heutigen Freihandelsabkommen vor allem darauf zielen, staatliche Regulierungen auszuhebeln, insbesondere ökologische und soziale Standards. Für den vereinfachten Import pestizidbelasteter Lebensmittel in die EU werden im Gegenzug die Märkte der Mercosur-Länder geöffnet.
All das geht zulasten europäischer Landwirte. Profiteure sind vor allem einer Handvoll europäischer Großunternehmen, darunter Pharmakonzerne, Maschinen- und Autobauer.
Rund vier Billionen Euro Zölle sparen die EU-Unternehmen infolge des Mercosur-Abkommens, erläuterte Helmut Scholz. Gelder, die in den öffentlichen Haushalten der Mercosur-Länder fehlen werden. Gleichzeitig rechnen die Gewerkschaften in den Mercosur-Ländern mit hohen Arbeitsplatzverlusten angesichts der zu erwarten Einfuhren aus der EU, ergänzte der argentinische Gewerkschafter Andrés Larisgoitia.
Fazit der Konferenz: Das Mercosur-Abkommen wird viele Verlierer erzeugen und nur wenige Gewinner. Daher auch die erwähnte Initiative der GUE/NGL für eine tiefgreifende Reform der EU-Handelspolitik.