Der Europaabgeordnete Helmut Scholz stiftete zwei Stolpersteine (Sally und Johanna Löschgold) für die Verlegung am 5.07.2010 in Frankfurt (Oder). In Anwesenheit eines Abgesandten der Israelischen Botschaft und Familienangehöriger von Frankfurter Opfern des Nationalsozialismus wurden über 30 Stolpersteine verlegt.
Darunter die von Sally und Johanna Löschgold.
Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen Ausschnitt ihrer Geschichte:
Richtstraße 65 = Karl - Marx - Straße 10
Sally Löschgold wurde am 18.04.1882 in Frankfurt (Oder) geboren.
Er ist auf der Liste der stimmfähigen Mitglieder der Synagogengemeinde
Frankfurt an der Oder aus dem Jahre 1925 als Kaufmann aufgeführt.
Auf dem Verzeichnis der nichtarischen Geschäfte und Inhaber von freien Berufen in
Frankfurt (Oder) wird Sally Löschgold als „Handelsvertreter“ in der Regierungsstraße 4
geführt.
Ferner wird er auch unter „Löschgold & Friedländer“ mit einem „Deckenhaus“ in der
Regierungsstraße 5, aber mit dem Hinweis „siehe auch Richtstr. 65“ geführt.
Er war mit Johanna Löschgold, geb. Zuckerberg, verw. Friedländer, geboren am
28.04.1880 in Weißenfels/Saale, seit 1909 verheiratet, und sie wohnten in der Richtstraße 65.
Mit Schreiben vom 21.07.1940 übersandte Sally Löschgold - nunmehr wohnhaft in der
Rosenstraße 36 - dem Oberfinanzpräsidenten Brandenburg in Berlin - Devisenstelle - zum
Zeichen Nr. 0. 1729. Dev. Kl. A. Hz - ausgefüllte Formulare zur Auswanderung.
Er bat um Erteilung der Packgenehmigung, um zu seinen Kindern gemeinsam mit seiner
Ehefrau nach Shanghai auszuwandern.
Das entsprechende Zertifikat hatte er schon erhalten.
Er gab ferner in dem o.g. Schreiben an, seit 4 Jahren - 1936 - bei der Jüdischen
Kultusvereinigung Frankfurt (Oder) e.V. als Bürobote mit einem „bescheidenen“ Gehalt tätig
zu sein.
Daher bat er um eine kostenlose Abgabe der o.g. Genehmigung.
In dem „Fragebogen für die Verwendung von Umzugsgut“ vom 21.04.1940 gab Sally
Löschgold an, staatenlos und Jude im Sinne des § 5 der Ersten Verordnung zum
Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935 zu sein.
Johanna Löschgold führte ebenfalls an, Judin im Sinne des § 5 der Ersten Verordnung zum
Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935 zu sein.
Ferner ist aus dem Fragebogen ersichtlich, dass Johanna Löschgold seit dem 12.05.1909 in
Frankfurt (Oder) lebte.
In den Jahren 1936 - 1938 verdiente Sally Löschgold ein Jahresgehalt von 540 RM.
Sally Löschgold führte hierzu aus, „da er Gehaltsempfänger ist, wurden ihm von der
Synagogengemeinde, wo er zur Zeit tätig ist, die Steuern abgezogen“.
Als Beruf gab er „Textilkaufmann“ an.
Auf die Frage, ob er im Ausland den bisherigen Beruf ausüben möchte oder beabsichtigt
einen anderen Beruf zu ergreifen, gab er „unbestimmt“ an.
Als gegenwärtiges Vermögen führte er 300 RM in bar an.
Sally Löschgold hatte einen Fremdenpass mit der Nummer 5/40 und Johanna Löschgold
einen Fremdenpass mit der Nummer 2/36.
Mit Einschreiben vom 25.11.1940 bat Sally Löschgold dem Oberfinanzpräsidenten
Brandenburg in Berlin - Devisenstelle - zum Zeichen Nr. 0. 1729. Dev. 733/40=3/Hz., die am
05.09.1940 erteilten Packgenehmigungsbescheide zu verlängern.
Die Packgenehmigungen beziehen sich auf das Reisegepäck und Handgepäck für Sally
Löschgold und für das Handgepäck von Johanna Löschgold.
Ferner übersandte er 2 Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom Finanzamt Frankfurt (Oder)
- Stadt - und vom Stadtsteueramt Frankfurt (Oder), denn diese läuft am 30.11. ab.
Mit Einschreiben vom 16.03.1941 bat Sally Löschgold dem Oberfinanzpräsidenten
Brandenburg in Berlin - Devisenstelle - zum Zeichen Nr. 0. 1729. Dev. 733/40=3/Hz. erneut,
die am 05.09.1940 erteilten Packgenehmigungsbescheide zu verlängern, da die
Auswanderung zurzeit nicht erfolgen könne.
Es ist davon auszugehen, dass die Verlängerung der Packgenehmigungsbescheide nicht
erfolgte.
Sally und Johanna Löschgold wurden am 02.04.1942 in das Warschauer Ghetto deportiert.
In den Transport befanden sich 984/1925 Personen.
Dieser Transport kam am 05.04.1942 im Warschauer Ghetto an.
Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
Auf der hölzernen Gedenktafel in der Gedenkstätte der Opfer der politischen Gewalt in
Frankfurt (Oder) sind ein Herr Löschgold und Martha Löschgold verewigt.
Die Stolpersteintexte für Sally und Johanna Löschgold lauten wie folgt:
HIER WOHNTE
SALLY LÖSCHGOLD
JG. 1882
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
???
HIER WOHNTE
JOHANNA LÖSCHGOLD
GEB. ZUCKERBERG
JG. 1880
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
???