Vor einem Jahr hat die heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Pläne für eine Konferenz zur Zukunft der EU vorgelegt. Obwohl sich das Europäische Parlament bereits zu Jahresbeginn umfassend für eine Zukunftskonferenz unter Beteiligung von EU-Institutionen und Bürger*innen ausgesprochen hat, ist in den vergangenen Monaten viel zu wenig praktisch unternommen worden, kritisiert der Europaabgeordnete Helmut Scholz. Sicherlich hat die Corona-Pandemie Zeitplanungen erschwert und neue Fragen nach den Rahmenbedingungen für diese breite Aussprache aufgeworfen. Aber schwerer wiegt, dass es noch immer keine politische Einigung zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission gibt, unter fortdauernd schwierigen Bedingungen, diese Konferenz mit dem Ziel grundlegender Veränderungen der EU ohne inhaltliche und konstitutionelle Tabus durchzuführen.
„Allerdings hat die Tagung des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Europaparlaments am Dienstag in dieser Frage durchaus deutliche Impulse gegeben“, konstatiert der verfassungspolitische Sprecher der LINKEN im Europäischen Parlament. „Dazu gehört, dass Staatsminister Roth, der als Vertreter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft teilnahm, die Absicht bekräftigte, noch im zweiten Halbjahr 2020 mit der Konferenz zu beginnen und ausdrücklich auch die vom Europäischen Parlament eingeforderte gleichberechtigte Einbeziehung von Bürger*innen aller 27 Mitgliedstaaten bekräftigte – selbstverständlich mit Verfahren, die der Corona-Pandemie Rechnung tragen.“
Helmut Scholz weiter: „Selbst wenn der Hinweis von Staatsminister Roth, dass der Rat auch in der Frage der Zukunftskonferenz eine einstimmige Position beziehen muss, gerechtfertigt ist, darf es keine weitere Verzögerungstaktik der Regierungen in dieser Frage geben. Selbst wenn die Komplexität der Themenstellungen durchaus groß ist und hier sehr unterschiedliche politische und gesellschaftliche Meinungen zusammentreffen, kann das kein Grund zur weiteren Verzögerung sein. Vielmehr muss es Bezugspunkt für einen so schnell wie möglich zu vollziehenden Start der Konferenz über die Zukunft der EU werden. Eine gründliche Bestandsaufnahme und neue Ideen sind gefragt, um den Erwartungen der Menschen nach Veränderungen in Politik und Verfasstheit der EU zu entsprechen und somit der europäischen Idee eines sozialen, friedlichen und solidarischen Zusammenlebens neue Kraft zu verleihen.“
Scholz bekräftigt, dass das Europaparlament gemeinsam mit anderen europäischen Institutionen den Rat weiter drängen wird, sich konstruktiv zu COFE zu verhalten und begrüßt deshalb die deutliche Stellungnahme der deutschen EU-Ratspräsidentschaft: “Kein politischer Prozess, der transparent gemacht wird, der demokratische Mitwirkungsmechanismen und Strukturen entwickelt – und dazu gehört das Nachdenken über die Zukunft Europas mit zuvorderst – kann einfach ad acta gelegt werden, auch nicht unter komplizierten Rahmenbedingungen oder wenn die vorliegenden oder erwarteten Ergebnisse nicht gefallen. Jetzt ist es an der Zeit, die Voraussetzungen für den Start zu schaffen, einschließlich der politischen und strukturellen Ausgestaltung der Konferenz, der Schaffung von digitalen Pattformen - EU-weit und dezentral - und auch die Einbindung der Konferenz in den EU-Haushalt. Sich diesen Aufgaben nicht zu widmen, bedeutet wichtige Reformen auf die lange Bank zu schieben. Und bedeutet wiederum Schaden für das demokratische Miteinander in der EU.”