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"Die Regelungen zu Nordirland sind die Achillesferse"

18.10.2019

Am Donnerstag haben sich die Verhandler von EU und Großbritannien auf ein Brexit-Übereinkommen geeinigt. Noch am Abend desselben Tages stimmte auch der Europäische Rat zu. EU-Kommssionschef Juncker sprach von einer „fairen und ausgewogenen Vereinbarung“, der britische Premier Johnson hält die Einigung gar für „großartig“. Ob der „Deal“ aber tatsächlich ein tragfähiges Fundament für die künftigen Beziehungen zwischen Vereinigtem Königreich und EU sein wird, muss sich erweisen. Zweifel daran sind mehr als angebracht.

Zum einen ist völlig offen, ob Boris Johnson am Sonnabend die Zustimmung des britischen Unterhauses für die Vereinbarung erhalten wird. Die nordirische Partei DUP, auf dessen Stimmen der Premier angewiesen ist, hat bereits ein Nein angekündigt, und selbst in seiner eigenen Partei gibt es Widerstand gegen die Vereinbarung. Es ist gut möglich, dass bereits am Wochenende von dem „großartigen Deal“ nichts mehr übrig ist.

Von einem möglichen Scheitern des Übereinkommens im Parlament in London abgesehen bleiben aber vor allem die Regelungen zu Nordirland die Achillesferse des Abkommens. Wir als Linke im Europäischen Parlament haben jedoch stets darauf verwiesen, dass das Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem der lange und blutige Nordirlandkonflikt beendet wurde, auf keinen Fall untergraben werden darf. Es ist aber fraglich, ob die nun gefundene „Lösung“, Nordirland weitgehend im EU-Binnenmarkt und zumindest de facto teilweise auch in der Zollunion zu belassen, keine Personenkontrollen an den Grenzen durchzuführen und Waren „am Eintrittpunkt“ zu kontrollieren, praktikabel ist. Die Vorgaben sind unkonkret, die Schlupflöcher groß, Probleme und neue Konflikte sind absehbar. Sollten allerdings die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenen Bindungen durchschnitten werden, könnte sich die Lebenssituation der Menschen rapide verschlechtern und alte Konflikte drohten erneut aufzuflammen

Zudem ist enttäuschend, dass für die Bürgerinnen und Bürger in der EU und im Vereinigten Königreich nicht mehr erreicht wurde. Denn wir brauchen ein Abkommen, mit dem alle Rechte von EU-Bürger*innen im Vereinigten Königreich und britischen Bürger*innen in der EU gesichert werden. Das betrifft ausdrücklich auch die sozialen Rechte.

Auch die Art und Weise, wie dieses Abkommens zustande kam, widerspricht jeglichem Grundverständnis von europäischer Demokratie. Die Bürgerinnen und Bürger wurden aus dem Verhandlungsprozess ebenso weitgehend ausgeschlossen wie ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter. Um nicht einfach vollendete Tatsachen zu schaffen, sollte die EU bereit sein, die Frist nach Artikel 50 zu verlängern. Nur so können wir sicher sein, dass das Abkommen wirklich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in allen EU-Staaten, auch in Großbritannien, liegt.

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