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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 90, 17. Februar 2023
Liebe Leser*innen,

eine weitere Plenarwoche geht zu Ende. Das EU-Parlament hat unter anderem das Aus des Verbrennermotors bei neuzugelassenen Pkw und Leichtnutzfahrzeugen ab 2035 beschlossen. Die EU-Kommission wolle sich nun auch dafür einsetzen, dass neue Lkw und Busse klimaneutraler werden. Bspw. sollen neu angeschaffte Linienbusse im Stadtverkehr ab 2030 an keine fossilen Kraftstoffe mehr nutzen. Und neue Lkw sollen ab 2040 90 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 2019. Da der Verkehrssektor einen erheblichen Anteil am CO2-Ausstoß hat, sind dies längst überfällige Schritte, die ich durchaus begrüße. Was aber für eine konsequente Umsetzung auch notwendig ist: die Ladeinfrastruktur für Elektroantrieb muss zügig ausgebaut und der Strom an den Ladesäulen muss zu 100 % aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Des Weiteren ist dafür Sorge zu tragen, dass endlich Kreislaufwirtschaften an oberste Stelle hinsichtlich der Verwendung kritischer Rohstoffe gerückt wird, dass Forschung und Entwicklung auf stofflichen Ersatz dieser ausgerichtet wird. Seltene Erden und kritische Rohstoffe sind auch endlich und ihre Förderung erfolgt heute noch meist zu nicht nachhaltigen Bedingungen. Deshalb muss gelten, dass die Gewinnung der Ressourcen für die Herstellung der Batterien nicht mehr auf dem Rücken der Arbeiter*innen und der Umwelt und der in den Abbaugebieten lebenden Menschen ausgetragen wird. Wie z. B. in der Atacama-Wüste in Chile. Der dortige enorme Abbau von Lithium führt dazu, dass die umliegenden Dörfer mit zunehmender Wasserknappheit zu kämpfen haben. Fatal für die dortigen Bauern, die ihre Felder nicht mehr ausreichend bewässern können und damit ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können. Mehr dazu kann man bspw. hier nachlesen.

Deshalb war es nur folgerichtig, dass das Plenum der EU-Kommission sehr deutlich sagte, dass die in Kürze vorgesehene Vorstellung der EU-Rohstoff-Strategie diese Gesichtspunkte beinhalten muss. Gut, dass  wir als Parlament klar formuliert haben, was Bewertungskriterium für diese wichtige Gesetzgebung im Bereich der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der sozio-ökologischen Umstrukturierung von Industrie und Landwirtschaft, von Raumfahrt, Mobilität und Energie der EU sein wird.

In Sachen Zukunftskonferenz geht es etwas voran. Als Folgeprozess haben sich nun 142 per Los ausgewählte Bürger*innen mit der Thematik der Lebensmittelverschwendung beschäftigt und Vorschläge vorgelegt, wie diese in der EU verringert werden kann. Die EU-Kommission wird diese Vorschläge, wie auch die 23 Initiativen aus dem Abschlussbericht der Zukunftskonferenz, in seine Arbeit einfließen lassen. Derzeit arbeitet die Kommission an einem konkreten Lösungsansatz, wie man mittels der Agrarstrategie „Vom Hof Auf den Tisch“ die Lebensmittelverschwendung um die Hälfte reduzieren kann. Derzeit liegt diese bei rund 57 Millionen Tonnen jährlich. Das heißt, dass pro Kopf rund 127 Kilogramm Lebensmittel jährlich in den Müll geworfen werden. Das ist angesichts der zunehmenden Klimakatastrophe und der damit weltweiten zunehmenden Nahrungsmittelknappheit auf Grund von Überschwemmungen und Dürre fatal.

Die Bürger*innen bei politischer Entscheidungsfindung ganz konkret einzubeziehen ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt hin zu mehr Beteiligung an EU-Politik, was langfristig gesehen für mehr Verständnis und Wissen über EU-Politik und deren Akzeptanz sorgt. Politik darf nicht losgelöst von den Menschen erfolgen. Deswegen setze ich mich auch weiterhin dafür ein, dass endlich der von den an der Zukunftskonferenz beteiligten Bürger*innen geforderte Konvent auf den Weg gebracht wird. Die Zeichen stehen momentan nicht gut – Schweden hat die EU-Ratspräsidentschaft bis Juni übernommen und die schwedische mitte-rechts Regierung hat keinerlei Interesse, den Beteiligungsprozess voranzubringen. Aber ich kämpfe weiter an der Seite der vielen Menschen und NGO, die sich tagtäglich für mehr Partizipation auf EU-Ebene einsetzen.

In der kommenden Woche werde ich im Rahmen der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung Euronest sowie einer Delegationsreise des INTA (Ausschuss für internationalen Handel) nach Moldau reisen. Ich bin gespannt auf die Gespräche vor Ort.

Mehr dazu lesen Sie unten.

Ihr Helmut Scholz

18. – 21. Februar: Sitzung der Parlamentarischen Versammlung Euronest in Chişinău, Moldau

Noch an diesem Wochenende beginnt für mich eine mehrtägige Reise nach Chișinău in Moldau, wo die zehnte Sitzung der Parlamentarischen Versammlung Euronest stattfindet. Diese Versammlung ist die parlamentarische Komponente der Östlichen Partnerschaft der EU und verantwortlich für „Beratung, Aufsicht und Überwachung“ der Partnerschaft, die 2008 zwischen der EU und Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine vereinbart wurde und seit 2009 auf der Europäischen Nachbarschaft (ENP) aufbaut und realisiert wird. Die Partnerschaft ist auf die Förderung von Demokratie und verantwortungsvoller Staatsführung, die Stärkung der Energieversorgungssicherheit, die Förderung sektoraler Reformen (einschließlich des Umweltschutzes), die Förderung direkter persönlicher Kontakte sowie die Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ausgerichtet. Sie bietet auch zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte, die sozio-ökonomische Ungleichheiten reduzieren und die Stabilität in den Ländern und in der Region erhöhen sollen. Soweit der offizielle Sprech und die gut formulierte Zielsetzung der Kooperation zwischen den Ländern und der EU.

Die 10. Versammlung wird nun sicherlich viele der offiziell 60 MdEP und jeweils 10 Abgeordnete aus den Parlamenten der beteiligten Länder zusammenbringen und die Herausforderungen sind sicherlich für alle enorm. Denn mit der russischen Aggression und dem andauernden Krieg in der Ukraine, dem eingefrorenen Konflikt um Transnistrien und dessen Auswirkungen auf die politische Entwicklung in Moldau, den nicht gelösten Konflikten um Berg-Karabach und der Suspendierung der Mitgliedschaft Belarus infolge der Unterdrückung der Opposition und der Unterstützung der russischen Aggression in der Ukraine liegen sehr konkrete Probleme auf dem Arbeitstisch. Es ist aber gut, dass es dieses Format gibt, ohne es zu überschätzen, und dass dort Probleme angesprochen und Wege aufgezeigt werden, die zu einer Veränderung der jeweiligen Realitäten oder auch Konfliktlagen beitragen können. Damit soll auch aus parlamentarischer Sicht sowohl die politische Assoziierung als auch die wirtschaftliche Integration zwischen der EU und den östlichen Partnerstaaten weiter gestärkt und gefördert werden, zumal in der Euronest 4 ständige Ausschüsse (Politik, Menschenrechte und Demokratie; wirtschaftliche Integration; Angleichung der Rechtsvorschriften und Konvergenz mit EU-Politiken; Energieversorgungssicherheit; soziale Angelegenheiten, Bildung, Kultur und Zivilgesellschaft) sich diesen Herausforderungen stellen.

Spätestens seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ist allerdings unklar geworden, wie genau die Zukunft des Gremiums aussehen soll. Zusätzlich sorgen die Suspendierung und der Rückzug von Belarus aus der Versammlung sowie der militärische Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien dafür, dass ein konstruktiver parlamentarischer Austausch immer schwerer wird. Aus diesem Grund wird sich die Kerndiskussion auch um die Frage nach der Zukunft der Östlichen Partnerschaft vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg und den damit einhergehenden Folgen für die Sicherheit der gesamten Region drehen.

Ein wichtiger Gesichtspunkt für die Fokussierung der bevorstehenden Gespräche sollte auf die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Vernetzung der Bürger*innen gerichtet sein, gerade auch um die Dimension von Dialog und gesellschaftlicher Verständigung über Wege hin zu Frieden und ein gemeinsames Leben nach dem Krieg zu thematisieren. Dazu gehört, dass die Partnerschaft sich neben der konkreten Neujustierung der Zusammenarbeit und weiteren Assoziierung der Ukraine, Moldawien und Georgien nach Gewährung des Kandidatenstatus für die beiden erstgenannten Länder auch auf neue, auf Augenhöhe zu erfolgende Formen der Kooperation auf politischer und zivilgesellschaftlicher Ebene einlassen muss. Ich bin gespannt, wie meine Kolleg*innen aus den anderen Parlamenten diese Zukunftsdebatte der eigenen Zusammenarbeitsstruktur sehen und thematisieren werden.

21. - 23. Februar: INTA-Delegation in Moldau

Und es geht gleich noch weiter in Moldau. Auch mit einer Delegation des Handelsausschusses werde ich mich weitere Tage dort aufhalten. Die Regierungskrise in der Republik Moldau, aber auch die vom ukrainischen Präsidenten während seiner Teilnahme am EU-Sondergipfel als kritisch bezeichnete Sicherheitslage ließen die Reise kurz fraglich scheinen. Mit der Reise soll jedoch ein Signal gesetzt werden, dass das Europaparlament sowohl die Präsidentin als auch die dann hoffentlich bereits neu eingesetzte Regierung des Landes unterstützen will. Unser für die kommerziellen Beziehungen EU-Moldau zuständiger Handelsausschuss will zugleich deutlich machen, dass wir unserer Verantwortung auch für die Umsetzung des Assoziationsabkommen und insbesondere seines handelspolitischen Teils nachkommen und Einblick haben wollen, wie die ökonomische Makrofinanzhilfe eingesetzt wird und ob und wie diese mit ihren Konditionierungen in der gegenwärtig schwierigen Situation wirksame Unterstützung zur Entwicklung des Landes im Interesse seiner Bürger*innen leistet.

Der EU-Botschafter in Chisinau, der Lette Jānis Mažeiks, wird uns am frühen Abend zusammen mit einigen weiteren Botschaftern von EU-Mitgliedstaaten seine Einschätzung zur aktuellen Lage geben. Danach steht ein Arbeitsessen mit der European Business Association in Moldau auf dem Programm und ich erwarte erhellende Einsichten in die überaus schwierige Wirtschaftssituation des Landes, gerade angesichts der prekären Energie- und Wärmeversorgung. Die Republik Moldau ist zu 100 Prozent vom Ausland abhängig, und ein beträchtlicher Teil der bisherigen Bezugsquellen ist angesichts des Krieges in der Ukraine ausgefallen: Die Energiekooperation mit der Ukraine bzw. Strom-und Wärmeversorgung aus der abgespaltenen Konfliktregion Transnistrien.

Der Mittwoch beginnt dann gleich mit dem Höhepunkt. Die Delegation wird eine Begegnung mit Maia Sandu, der Präsidentin von Moldau, haben. Was so hoffnungsvoll begann, ist nun eine Präsidentschaft in der größten Krise, die das ärmste Land Europas seit seiner Unabhängigkeit durchleben muss.

Im Anschluss war ein Treffen mit der bisherigen Ministerpräsidentin Natalia Gavrilita vorgesehen. Nun ist noch nicht klar, ob wir einen Termin mit ihrem designierten Nachfolger Dorin Recean erhalten können, das wird sich sicherlich erst vor Ort zeigen.

Gemeinsam mit den Kolleg*innen aus dem Haushaltsausschuss des Europaparlaments haben wir auch eine Reihe von Treffen auf parlamentarischer Ebene. Zunächst mit Parlamentspräsident Igor Grosu, dann mit dem Auswärtigen Ausschuss des Landes, der gleichzeitig auch der Ausschuss für Europäische Integration ist. Anschließend wollen wir mit unseren moldauischen Kolleg*innen im Ausschuss für Wirtschaft, Finanzen und Haushalt auch weitere Aspekte direkter Zusammenarbeit beraten.

Für den Nachmittag sind Termine beim Finanzminister und dem Außenminister geplant. Am Donnerstagmorgen wird dieser Austausch mit der Minister*innen-Riege durch ein Gespräch beim Wirtschaftsminister komplettiert. Da unser Handelsausschuss im Europaparlament für die Entscheidungen über makro-finanzielle Unterstützung für Moldau aus der EU zuständig ist, treffen wir also die in dieser Hinsicht wichtigsten Regierungsmitglieder und Ausschüsse.

Ich freue mich, dass wir auch Gespräche mit Vertreter*innen und aktiven Mitgliedern von Organisationen aus der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften führen werden. Sicherlich gewinnen wir da zusätzliche  Erkenntnisse und können vor allem mehr darüber erfahren, wie es den Menschen im Land geht, was ihre drängendste Probleme sind, aber auch über ihre Vorstellungen zu den künftigen Entwicklungen im Land - vor allem nach Gewährung des Kandidatenstatus auf EU-Mitgliedschaft durch den EU-Rat. Aus meiner Sicht darf es bei den Hilfen von Internationalem Währungsfonds und EU nicht primär um strukturelle Anpassungsprogramme gehen. Weder IWF noch die zuständigen Abteilungen in der EU-Kommission zeigten sich da allerdings bislang einsichtig. Wie also kann und muss aus Sicht der Bürger*innen die nächste Etappe der Ausgestaltung des bilateralen Verhältnisses ausgestaltet werden.

Der Weg Moldaus in Richtung Europa ist überaus anspruchsvoll. Er wird nicht leicht und wird sich sehr herausfordernd sowohl für die Republik Moldau als auch für die EU27 gestalten. Er kann auch scheitern, wenn die Bevölkerung diesen Weg als voller Härten und Entbehrungen erlebt. Es wäre absurd, jetzt ähnlich wie in Tunesien von der Regierung des Landes als Bedingung für finanzielle Unterstützung durch die EU zu verlangen, die Energiekosten für die Bevölkerung nicht zu subventionieren.

Zwar hat die EU-Kommission aus den Mitteln der Nachbarschaftspolitik einige Millionen für Hilfsprogramme für die Energiekosten der Ärmsten im Land mobilisiert. Doch große Teile der Bevölkerung in diesem kleinen Land, das so vielen Flüchtlingen aus der Ukraine hilft und geholfen hat, leiden sehr unter der enormen Kostensteigerung für Energie und Lebensmittel. Die Unzufriedenheit wächst und führte letztlich bereits zu der Regierungsneubildung. Als EU sind wir gewiss alle gefragt, deutlicher unsere Solidarität mit den Menschen in Moldau zu zeigen. Dazu zähle ich auch das längst überfällige Engagement der EU-27, gerade auch Deutschlands, die aus dem Staatshaushalt von Oligarchen kriminell entwendeten Einlagen in einer Höhe von ca. 1 Mrd. Euro nach Moldau zurück zu transferieren.

Wir müssen auch deutlich machen: Eine mögliche gemeinsame EU-Perspektive, zusammen zu leben und zusammen zu arbeiten in und mit anderen EU-Mitgliedsländern, kann und darf sicherlich nicht nur durch die notwendige Übernahme des aquis communitaire und der Anerkennung der Kopenhagener Kriterien bestimmt sein, sondern erfordert vor allem das Schaffen von allen Voraussetzungen für breite demokratische Teilhabe und soziale Abfederung.  

Es werden gewiss höchst spannende und wichtige Tage für die Abgeordneten und sie werden viel Arbeit für die nächsten Monate mit sich bringen. 

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