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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 71, 23. September 2022
Liebe Leser*innen,

ich schreibe Ihnen diese Zeilen vom anderen Ende der Welt, aus Wellington (Neuseeland), wo ich mit einer Delegation des Handelsausschusses des Europaparlaments viel über das gerade ausgearbeitete Handelsabkommen zwischen Europäischer Union und Neuseeland lerne, oder Aotearoa, wie das schöne Land von den Maori genannt wird. Auch die Unterhändler*innen der EU-Kommission mussten erst lernen, dass die Maori in Neuseeland nicht nur als indigene Gruppe auf die Anerkennung ihrer Bedürfnisse durch die weiße Mehrheitsgesellschaft hoffen, wie es in so vielen anderen von Europa aus kolonialisierten Ländern der Welt der Fall ist. Die Stämme der Maori haben 1840 mit der britischen Königin Victoria den Vertrag von Waitangi geschlossen. Es ist eine Art Kohabitationsvertrag, in dem sie zwar die Souveränität an die Krone abgetreten haben, ihnen gleichzeitig jedoch der Schutz ihrer Rechte und ihres Eigentums garantiert wird. Diese Schutzverpflichtung der neuseeländischen Regierung fand auch Eingang in den Vertragstext des neuen Freihandelsabkommens.

Auf den Sonderstatus der Maori verwies die EU-Kommission auch in ihrer Antwort auf meine Frage, warum nicht auch in anderen EU-Handelsabkommen eine entsprechende Klausel aufgenommen werden könnte, beispielsweise, wenn europäische Unternehmen in Regionen Rohstoffe abbauen wollen, die eigentlich von indigenen Bevölkerungsgruppen beansprucht werden. Schließlich gibt es ja die UNO-Konvention als internationales Rechtsdokument, worin klar festgehalten wird, dass in solchen Fällen zunächst die Zustimmung der betroffenen Bevölkerung eingeholt werden muss. Meine Maori-Gesprächspartner*innen loben die Anstrengungen, die von der Regierung von Premierministerin Jacinda Ardern seit 2017 unternommen werden, um ihren Verpflichtungen endlich auch nachzukommen. Aber auch in Neuseeland ist noch viel Unrecht wiedergutzumachen.

Meine Dienstreise geht noch weiter: nun nach Genf. Dort nach 48 Stunden ankommend - die Zeitdifferenz von aktuell 10 h ist ja auch noch einzurechnen bzw. zu verkraften - steht die aktive Teilnahme einer Delegation des Handelsausschusses am jährlich stattfindenden Public Forum der Welthandelsorganisation (WTO) an. Und das ist eine wichtige Möglichkeit, mit gesellschaftlichen Akteur*innen, Fachleuten, Handelsspezialist*innen, Wissenschaftler*innen, Parlamentarier*innen, Botschaften und Regierungsvertreter*innen, die alle ihre Sichten und Positionen zur Ausgestaltung der multilateralen Handelsarchitektur einbringen, gerade in der gegenwärtigen komplizierten und angespannten politischen Situation nach der russischen Invasion in die Ukraine, dem Andauern der Corona-Pandemie und den jetzt explodierenden Energie- und Gaspreisen, den unmittelbar sichtbaren Auswirkungen der Klimakatastrophe, und nicht nur in Europa im Sommer, in einen produktiven Austausch zu kommen.

Mit der Leitung der EP-Delegation beauftragt ist mir auch die Verantwortung übertragen worden, die Beratung des Lenkungsausschusses der Parlamentarischen Versammlung bei der WTO gemeinsam mit meinem Ko-Vorsitzenden, dem Abgeordneten Mansoor Nadir aus Guayana, zu leiten, wie auch die verschiedenen bilateralen Treffen.

Zurück am Freitag aus Genf in Brüssel kann ich noch zur dort ab Donnerstag tagenden Beratung der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Partei DIE LINKE stoßen. Ein wichtiger Termin, wollen wir doch gründlich europapolitische Schwerpunkte der parlamentarischen und parteilichen Arbeit beraten.

So bleibt der Sonntag zum Aufladen der Batterie zu Hause, und meiner Frau gröbste Unterstützung zu leisten. Denn am ersten Montag des Oktobers hoffe ich auf pünktliche Zugfahrt mit der DB nach Strasbourg zur ersten Plenarwoche im Oktober. Aber davon erfahren Sie dann mehr in der nächsten Ausgabe meines Newsletters.

Ich wünsche Ihnen wie immer eine angenehme und interessante Lektüre.

Ihr Helmut Scholz

27. September: Eröffnungsveranstaltung des Public Forum

Das Public Forum ist eine der größten öffentlichen Diskussionsveranstaltungen in der Welt der Handelspolitik und findet jedes Jahr im September in Genf statt. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft sind dort vertreten und begegnen sich in einem reichhaltigen Angebot an Podiumsdiskussionen und Workshops.

Das Programm finden Sie hier.

Das zentrale Thema der WTO für das Public Forum lautet in diesem Jahr „Hin zu einer nachhaltigen und inklusiven Erholung: von Ambition zu Aktion“

Den Politikansatz „inclusive growth“ kenne ich eigentlich aus China. So nennt man dort das Wachstumsmodell, mit dem über 400 Millionen Menschen über die letzten Jahrzehnte aus der Armut gehoben werden konnten. China versteht das durchaus als Gegenmodell zu dem unter anderem in den USA und Indien vertretenen kapitalistischen Wachstumsmodell, das bis heute so extreme Gegensätze im Wohlstand der Bevölkerung zulässt. Das europäische Modell der „sozialen Marktwirtschaft“ findet sich wohl irgendwo dazwischen. Die Armen der gesamten Welt würden sich sicherlich darüber freuen, dass die WTO nun auch „inclusive growth“ zum Ziel ihres Wirkens machen würde.

Wie das aussehen kann, werden wir vielleicht schon in dieser Auftaktveranstaltung erfahren. Sie wird keine lang vorgetragene Rede sein. Viel dynamischer, wie eigentlich immer, wenn das Public Forum seine Arbeit aufnimmt, wird WTO Generaldirektorin Dr. Ngozi Okonjo-Iweala im Gespräch auf der Bühne auf den Leiter der CNN Wirtschaftsredaktion und Moderator Richard Quest treffen wird.

Hier können Sie ab 10:00 Uhr zuschauen (auf Englisch): 

Im Anschluss werden wir uns dann aus den verschiedenen parallel stattfindenden Veranstaltungen etwas aussuchen können, bevor unsere Delegation um 14:30 Uhr dann ein bilaterales Treffen mit dem Handelsminister von Ost-Timor haben wird. Vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indonesien wird das sicherlich ein interessantes Gespräch.

27. September: Unsere Veranstaltung: Ernährungssicherheit als Schlüsselelement eines widerstandsfähigeren, nachhaltigen und inklusiven Handelssystems

Von 15:45 bis 17 Uhr veranstalten das Europäische Parlament und die Interparlamentarische Union (IPU) gemeinsam diese Podiumsdiskussion. Ich werde den Redebeitrag für das Europaparlament halten. Mit mir auf dem Podium sitzen Ekaterina Krivonos, leitende Ökonomin der Food and Agriculture Organisation der UNO (FAO), sowie Handelsminister Joaquim Amaral aus Ost-Timor. Moderator ist der Europaabgeordnete und spanische Sozialist Javier Moreno Sánchez. Dabei werde ich auf Elemente zurückgreifen, die unser Parlament gerade in meinem Bericht zur Zukunft der Handelsbeziehungen zwischen EU und Afrika beschlossen hat, auch hinsichtlich Ernährungssouveränität und würdigen Arbeitsverhältnissen für jene Mehrheit der Weltbevölkerung, die global in der Erzeugung von Nahrungsmitteln beschäftigt ist.

Zudem kann ich auf einen Initiativbericht aus dem Entwicklungsausschuss vom Juli zurückgreifen, in dem es um die Verbesserung der Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern geht. Bekanntlich hat der Krieg der Regierung Putin gegen die Ukraine viele Lieferketten der Versorgung der Weltbevölkerung unterbrochen. 50 Länder bezogen mindestens ein Drittel ihrer Weizenimporte bislang aus Russland und der Ukraine.

Hier sollten Sie ab 15:45 Uhr den Link zur Live-Übertragung im Internet finden können.

27. September: Unsere Veranstaltung - Demokratische technologische Entwicklung und die Überwindung der Digitalen Trennung im Wiederaufbau nach Covid

Gleich ab 17 Uhr werde ich dann das Podium moderieren auf dieser Veranstaltung von Rosa-Luxemburg-Stiftung, transform! Europe, IT for Change (ITfC) und Transnational Institute (TNI).

Die jüngste Geschichte der Erde ist geprägt von wirtschaftlichen Schockmomenten, aber auch vom rasanten Voranschreiten der Digitalisierung in den fortgeschrittenen Ökonomien. Datensätze gelten als der neue heiß umkämpfte Rohstoff, der der Grundstoff der Digitalisierung unserer Wirtschaftstätigkeiten und des Einsatzes der Zukunftstechnologien ist, darunter AI (künstliche Intelligenz). Der Ausbau des elektronischen Handels, im Englischen e-commerce, hat durch die Zeit der Pandemie eine Beschleunigung erfahren. Doch geschieht dies zum Wohle aller? Die atemberaubende Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung vertieft auch die trennenden digitalen Gräben auf der Welt. In unserer Diskussion wird es darum gehen, wie wir eine digitale Transformation gestalten können, die mitwirkt, ein widerstandsfähigeres, nachhaltiges und inklusiveres Handelssystem für alle zu errichten.

Es diskutieren Sofia Scasserra, Ökonomin vom Transnational Institute (TNI), Ekaitz Cancela, Journalist, Aitor Montesa, Leiter der Abteilung Digitaler Handel der EU-Kommission, Parminder Jeet Singh, Direktor der NGO „IT for Change“.

Hier sollten Sie ab 17:00 Uhr den Link zur Live-Übertragung im Internet finden können. Als übersetzte Sprachen stellt die WTO Englisch, Französisch und Spanisch zur Verfügung.

Abends nimmt unsere Delegation dann am Empfang des EU-Botschafters bei der WTO teil, dem Portugiesen Joao Aguiar Machado.

28. September: 50. Sitzung des Lenkungsausschusses der Parlamentarischen Versammlung bei der WTO

Vormittags verfolgen wir weitere Veranstaltungen des Public Forum und treffen Botschaften, bevor ab Mittag der Lenkungsausschuss tagt.

Die Parlamentarische Versammlung findet normalerweise unmittelbar vor Beginn einer Ministerialkonferenz der WTO an dem jeweiligen Tagungsort statt. Unser Ziel ist es, den Diskurs zwischen gewählten Abgeordneten aus den Parlamenten der Welt zu den wichtigsten Punkten der WTO-Beratungen zu führen und die Ergebnisse in die WTO-Verhandlungen einfließen zu lassen, die formal ja nur auf Ebene der Exekutiven ihrer Mitgliedstaaten stattfinden. Zwischen den Tagungen gibt es Treffen des Lenkungsausschusses, der aus Abgeordneten aus dem Handelsausschuss des Europaparlaments und aus über die Interparlamentarische Union (IPU) weltweit vernetzten Parlamenten bestückt ist. Die IPU ist die globale Organisation nationaler Parlamente. Sie hat ein Büro in Genf und ist darum bemüht, weltweit Parlamente und Abgeordnete dabei zu unterstützen, sich für Frieden, Demokratie und nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Ich setze mich seit Jahren konsequent dafür ein, der WTO eine gestärkte parlamentarische Dimension zu geben.

Auf unserer Tagesordnung steht ein Update zur Umsetzung der Beschlüsse von MC12, der letzten Ministerialkonferenz, durch einen Direktor der WTO. Ich hoffe, dass wir dabei auch schon mehr über Zeitpunkt und Ort der nächsten Konferenz erfahren werden. Bislang heißt es, dass MC13 im Dezember 2023, spätestens aber im ersten Quartal 2024 stattfinden soll. Um die Ausrichtung beworben haben sich bislang Kamerun und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Den inhaltlichen Schwerpunkt unserer Diskussion wird das Thema Klimawandel und Handel bilden. Dazu gibt es innerhalb der WTO inzwischen einen von der EU mit ins Leben gerufenen Strukturierten Dialog (TESSD), der auch bereits zu einigen Inhalten im Abschlussdokument von MC12 beitragen konnte.

Schließlich werden wir uns über Erfahrungen und Beispiele guter parlamentarischer Praxis zur Rolle der Parlamente in der Handelspolitik austauschen.

29. September: Diskussionen mit UNCTAD und ILO

Die United Nations Conference on Trade and Development hat ihren Sitz ebenfalls in Genf. Ich freue mich schon sehr darauf, unsere Delegation zu einem Austausch mit Paul Akiwumi leiten zu dürfen. Er ist der Direktor für Afrika, und die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs).

Mittags treffen wir dann bei der ebenfalls in Genf ansässigen Internationalen Arbeitsorganisation (englisch ILO) drei Abteilungsleiterinnen. Githa Roelans, Karen Curtis und Marva Corley-Coulibaly werden ihr Fachwissen mit uns teilen.

Am Mittag kann ich dann ein letztes Mal in die Diskussionsveranstaltungen des Public Forum eintauchen, bevor ich mich auf den Weg zum Flughafen machen muss, um Brüssel zu erreichen. Noch am Abend werde ich dort zu Beratungen mit Vorsitzenden linker Fraktionen aus Landesparlamenten, Bundestag und Europaparlament erwartet.

30. November: Die linken Fraktionsvorsitzenden tagen im Europaparlament

Von Lothar Bisky einst in einer für die damalige PDS in Deutschland schwierigen Zeit ins Leben gerufen, treffen sich die Vorsitzenden der linken Fraktionen in den Landtagen der verschiedenen deutschen Bundesländer, dem Bundestag und dem Europaparlament, um parlamentarische Initiativen abzustimmen und sich fachlich auszutauschen und fortzubilden. Turnusgemäß findet die Beratung diesmal wieder in Brüssel im Europaparlament statt. Die Europawahlen ab dem 9. Mai 2024 sind nicht mehr weit entfernt und es wird aus meiner Sicht Zeit, dass wir uns verständigen, was auf der europäischen Politikebene die wichtigsten Entwicklungen und Zielstellungen sind. Natürlich werden diese Beratungen auch von der Tragik der aktuellen Ereignisse und ihrer Konsequenzen für die Lebensumstände der Bevölkerung geprägt werden.

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