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Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 66, 08. Juli 2022
Liebe Leser*innen,
dies ist der letzte Newsletter vor der Sommerpause des Europaparlaments, obwohl noch zwei Wochen Präsenzarbeit vor uns liegen. Und das heißt natürlich nicht, dass wir Abgeordneten "die Füße hochlegen". Zum einen gibt es, wie Sie unten lesen können, in der kommenden Woche noch eine Reihe von Ausschusssitzungen und parlamentarischen Aktivitäten, von Beratungen und Treffen in Brüssel. Danach folgt eine sogenannte grüne Woche - mit der Farbmarkierung im Jahreskalender des Europaparlaments wird die Zeit für die Wahlkreisarbeit angegeben. Über das Jahr verteilt haben die MdEP nur wenige grüne Wochen zur Verfügung, also sehr beschränkte Möglichkeiten, “vor Ort” mit den Menschen unmittelbar in ihrem Lebensalltag in direkten Kontakt zu kommen. Probleme zu erfahren, oder auch die engagierte ehrenamtliche Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Vereinen zu begleiten und zu unterstützen. Da haben MdEP einfach weniger Gelegenheiten als Bundestags- oder Landtagsabgeordnete, zumal die Grünen Wochen auch jeweils noch für parlamentarische Ausschuss- oder Delegationsreisen zu nutzen sind. Aber mir ist es wichtig nicht nur die bevorstehende eine Woche in „meinen“ Wahlkreisen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern unterwegs zu sein. Denn die Herausforderungen an jede und jeden Einzelnen in ihrem bzw. seinem täglichen Umfeld, von Familie bis zu Arbeit und Ausbildung, die Interessenlagen und Probleme der Menschen sind so vielgestaltig und vielfältig - und mit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine und dessen Folgen noch gewachsen. Stichwort Inflation: Dass die Preise praktisch überall in die Höhe schießen, haben Sie bei Ihren Einkäufen gemerkt. Bedrückend, dass es abermals jene besonders hart trifft, die ohnehin schon in prekären sozialen Situationen leben. Stichwort Energiekrise: Dass immer weniger Gas und Öl aus Russland durch die Pipelines nach Deutschland kommt, ist ein sehr ernster Grund zur Sorge. Und dass von der Bundesregierung wenig mehr als große Worte kommen, ist bei ihrer Zusammensetzung erwartbar. Es geht aber nicht nur um mögliche kalte Wohnungen, sondern auch um den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien - selbstverständlich unter Beachtung von Ökologie und Naturschutz. Und es geht ebenso um die Arbeitsplätze in den großen ostdeutschen Pumpstationen und Raffinerien wie Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern und Schwedt in Brandenburg. Stichwort Sozialkosten: Dass überall, vor allem aber bei kommunalen und Sozialleistungen, gespart wird, war abzusehen. Dazu gehört, um nur ein Beispiel zu nennen, die Ankündigung von drastischen Beitragserhöhungen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen. Natürlich gab es im Zusammenhang mit Corona deutlich höhere Kosten bei den Krankenkassen. Wir als Linke in Europa und Deutschland haben uns jedoch seit Beginn der Pandemie dafür eingesetzt, die Kosten nicht abermals - wie bei der Finanzkrise - auf die Schultern der Bürger*innen zu packen. Wären die 100 Milliarden Euro, die jetzt in die Rüstung gesteckt werden, nicht zur Deckung der Defizite tausendmal besser angelegt? Gut, dass die LINKE. viel unternimmt, um in dieser Situation, die viele Menschen auch verunsichert und ratlos macht, alternative Möglichkeiten der Problembewältigung zu erarbeiten. In Berlin und Brandenburg gibt es da konkrete Vorschläge und da, wo es unmittelbar gemacht werden kann, entsprechende Schritte, ob nun die Erhöhung des Wohngeldes oder die Einführung eines preisgünstigen Grundkontingents an Energie für die Privathaushalte. Auch der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern ist aktiv, und der sogenannte Parlamentarier*innentag wird am 20. August in der Reuterstadt Stavenhagen zum Abschluss der Fraktions- und Landes- wie Kreispartei-Aktivist*innen Sommertour durch das Land eine gute Gelegenheit sein, Zwischenbilanz und Konkretisierung der Arbeit für das nächste Halbjahr vorzunehmen. Ich werde dabei sein. Auch wenn die aktuellen Entwicklungen gegenwärtig nicht gerade optimistisch stimmen - obgleich unsere Sorgen im Vergleich zu jenen vieler Menschen, die in den ukrainischen Kriegsgebieten um ihr Leben fürchten müssen, eher klein erscheinen: Ich wünsche Ihnen schöne Sommertage mit Sonne (nicht zu viel angesichts von Trockenheit und Waldbränden!), mit Baden, Zeit mit Ihren Lieben und zum Luftholen!
Ihr Helmut Scholz |
13. Juli: Der Handelsausschuss tagt
Die Europäische Union hat das erste Handelsabkommen in der Kommissionspräsidentschaft von Ursula von der Leyen abgeschlossen. Mit Neuseeland (Aotearoa) wurde überraschend doch noch ein Abschluss erzielt. Die drei schwierigsten Verhandlungsbereiche waren zuletzt die Kapitel über den Marktzugang für Rindfleisch, Lammfleisch, Milchprodukte und andere Agrargüter aus Neuseeland in die EU, daneben Bestimmungen zum Schutz von Beschäftigten im Nachhaltigkeitskapitel und schließlich die Auswirkungen des Abkommens auf die Maori. Die EU-Kommission sperrte sich lange gerade gegen diese letzten Bestimmungen, stimmte jedoch am Ende der Aufnahme einer Klausel zum Waitangi-Vertrag (Te Tiriti o Waitangi) in das Abkommen zu. Damit wird der Regierung von Neuseeland rechtsverbindlich zugesichert auch weiterhin alles unternehmen zu können, um die gegenüber den Maori zugesicherten Rechte und Schutzbestimmungen erfüllen zu können. Zudem enthält das Abkommen ein „Maori Trade and Economic Co-operation Chapter“, durch das die gut organisierte indigene Bevölkerung Neuseelands besonders vom Zugang zum europäischen Markt profitieren soll. Es ist das erste Mal, dass die EU bereit war, eine solche Klausel und ein solches Kapitel in ein Handelsabkommen aufzunehmen. In den aktuell in Verhandlung befindlichen Abkommen mit Chile oder Mexiko gibt es zum Beispiel leider keine entsprechende Vereinbarung. Das wäre z.B. ein Muster, dass auch dort Eingang finden sollte, betrifft es doch die Realisierung völkerrechtlich eingegangener Verpflichtungen im Rahmen der UNO und nicht zuletzt auch einen Schritt hin zum Noch-Erreichen der 17 Nachhaltigkeitsziele. Ich sehe in dem entsprechenden Modernisierungspart des Abkommens mit Neuseeland wirklich einen Fortschritt. Da es das erste Mal ist, dass so stark auf die Interessenlagen der indigenen Bevölkerung eingegangen wird, nehme ich mir hier die Zeit darzustellen, was dieses neue “Vorbild” unter anderem beinhaltet. Im vorliegenden Abkommen findet sich zum Bereich Digitales, Dienstleistungen und Investitionen eine neue bereichsübergreifende Sprache, die sich an Te Tiriti o Waitangi anlehnt und deutlich macht, dass Aotearoa sich das Recht vorbehalten hat, Maßnahmen zum Schutz der Rechte, Interessen und Pflichten und Verantwortlichkeiten der Māori zu ergreifen oder aufrechtzuerhalten. Bei dem in Handelspartnerschaften so wichtigen Kapitel zum Geistigem Eigentum geht es diesmal neben dem Schutz von Gütern mit geographischer Kennzeichnung aus der EU (Beispiel Thüringer Rostbratwürste, Spreewald-Gurken oder griechischer Feta), diesmal auch um die ausdrückliche Schaffung der Möglichkeit für Māori-Lebensmittel- und Getränkehersteller, ihre eigenen geografischen Angaben für neuseeländische Qualitätsprodukte für den Export in die EU zu entwickeln und zu schützen. Der Text über „Nachhaltige Ernährungssysteme“ umfasst die Zusammenarbeit zum Thema „Indigenes Wissen, Partizipation und Vorreiterschaft in Ernährungssystemen“. Dies spiegelt den Wert wider, den Aotearoa traditionellen Kenntnissen und Ansätzen beimisst, und die wichtige Rolle, die indigene Völker bei der Verwirklichung nachhaltiger Ernährungssysteme weltweit spielen können. Das Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung enthält deutliche neue Verpflichtungen zum Klimaschutz, einschließlich des Pariser Abkommens, und zu Arbeitsrechten und Gleichstellung der Geschlechter, einschließlich der Rechtsverbindlichkeit und Durchsetzbarkeit dieser Verpflichtungen im Rahmen des Freihandelsabkommen. Im Abkommen sind Disziplinen zu Fischereisubventionen ebenso verankert wie Verpflichtungen zur Zusammenarbeit bei der Reform der Subventionen für fossile Brennstoffe, dem bislang ehrgeizigsten Ergebnis eines Freihandelsabkommens in diesen Bereichen durch die Europäische Union. Es gibt auch starke Verpflichtungen in Bezug auf Handel und Gender, einschließlich eines besonderen kooperativen Fokus auf weibliche Māori. Die neuseeländische Regierung war bereit, für diese Zugeständnisse der EU bei eigenen Forderungen im Bereich Marktzugang für Agrarprodukte zurückzustecken. So können z. B. Kiwi-Früchte zwar künftig zollfrei in die EU exportiert werden, für Rindfleisch wurde jedoch eine zollfreie Quote von lediglich 10.000 Tonnen pro Jahr vereinbart. Was die Bauernverbände in Neuseeland entsprechend enttäuscht kommentierten, werden die Landwirt*innen in der EU gern hören, für die sich die vereinbarten Einfuhrquoten in der Vielzahl von Handelsabkommen der EU inzwischen zu einer spürbaren Konkurrenz addieren. Im September wird eine Delegation des Handelsausschusses nach Neuseeland und Australien reisen und das wird sicherlich gute Möglichkeiten bieten, “vor Ort” sich über weitere Details des Abkommens zu informieren, und die Meinungen und Sichten der Neuseeländer*innen auch in Treffen mit der Zivilgesellschaft und der Maori-Vertretung vor Ort zu hinterfragen. Das in einem parallelen Verhandlungsprozess sich befindende Abkommen mit Australien steckt hingegen nach wie vor in Verhandlungen fest. Die alte Regierung war von der Kohleindustrie ins Amt gebracht worden und hatte sich gegen die von der EU vorgeschlagenen verbindlichen Erklärungen zum Klimaschutz und Rohstoffkooperation gesperrt. Wir werden sehen, ob die neu gewählte Labour-Regierung hier zu einem Kurswechsel bereit ist. Im Bereich der Erzeugung von Grünem Wasserstoff für diese Weltregion könnte Australien eine wichtige Rolle spielen und so endlich zu einem positiven Akteur in unserem gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel werden. Canberra sollte sich von dem Abkommen der EU mit Neuseeland inspiriert fühlen. Und ich sage ganz deutlich: Die laufenden Verhandlungen mit dem benachbarten Indonesien sollten Errungenschaften aus dem Abkommen mit Neuseeland aufnehmen. Hier stehen sicherlich beide Verhandlungspartner - auch mit Blick auf die Verschränkung dieser bilateralen Verträge mit Anstrengungen zur Neugestaltung der multilateralen Handels- und Wirtschaftszusammenarbeit - in einer Bringepflicht. Sie können die Sitzung des Handelsausschusses hier im Live-Stream verfolgen: |
13. Juli: Tschechische Ratspräsidentschaft
Am Nachmittag wird uns der tschechische Handelsminister Jozef Síkela die Prioritäten der Ratspräsidentschaft seines Landes darstellen. Zentrale Aufgabe soll die Bewältigung der Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine werden, insbesondere hinsichtlich der Energie-Sicherheit in der EU. Tschechien selbst gehört zu den EU-Staaten, deren Energieproduktion bei Gas und Uran besonders stark auf Lieferungen aus Russland ausgerichtet war. Als weiteren Schwerpunkt benennt die tschechische EU-Ratspräsidentschaft - quasi im geopolitischen Wettstreit mit Russland - die Beitrittsverhandlungen der EU mit den West-Balkan-Staaten. Ich rechne damit, dass der noch von Frankreich vorgelegte Kompromiss zwischen Bulgarien und Nord-Mazedonien dazu führen wird, dass Nord-Mazedonien nun bald Beitrittsverhandlungen beginnen kann, auch wenn der Kompromiss auf heftigen Widerstand nationalistischer politischer Kräfte im Land stößt. Die Gespräche mit Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Albanien hingegen werden kompliziert bleiben. Montenegro könnte dem tatsächlichen Beitritt sehr nahekommen. Handelspolitisch wird Tschechien die Sicherung der Lieferketten in den Vordergrund stellen, insbesondere in der Halbleiter-Technologie. Ich selbst wünsche mir von der Tschechischen Ratspräsidentschaft vor allem die Einberufung des Konvents zur Modernisierung der EU-Verträge und werde auch bei dieser Gelegenheit darauf drängen. Ab 17 Uhr wird uns die Kommission über die Ergebnisse ihrer Prüfung der Menschenrechts-Lage in bestimmten GSP-Partnerländern berichten. Vor allem in Myanmar (Burma) und Kambodscha ist die Menschenrechtslage so kompliziert und zutiefst dramatisch und die Regierungen beider Länder so wenig kooperativ, dass die Aussetzung der Präferenz bestehen bleiben muss. Die Philippinen haben zwar eine neu gewählte Führung, gebildet aus dem Sohn des früheren Diktators Marcos und der Tochter des bisherigen Präsidenten Dutarte, dem Massenmord im Rahmen seines vermeintlichen anti-Drogen Krieges vorgeworfen wird. Ich befürchte aber, dass dort kein Kurswechsel zu erwarten ist und halte die Notwendigkeit der Aussetzung des GSP plus Status für die Philippinen für sehr wahrscheinlich. Hier können Sie am Nachmittag die Ausschusssitzung verfolgen. |
13. Juli: Brexit
Im Anschluss an diese Diskussion müssen wir uns dann erneut mit dem altbekannten, europäischen Dauerbrenner auseinandersetzen: dem Brexit! Da der gesamte Prozess sehr komplex ist und die verschiedensten thematischen, aber auch rechtlichen Felder berührt - sowohl hinsichtlich des Austrittsabkommens, als auch des Handels- und Zusammenarbeitsvertrages (TCA), wurde entschieden, diese Debatte gemeinsam mit den Ausschüssen für Außenangelegenheiten (AFET) und Internationalen Handel (INTA) zu führen. Und angesichts der jüngsten Entwicklungen in der britischen Politik und des Rücktritts Boris Johnsons wird vieles hinsichtlich der weiteren Beziehungen zum Vereinigten Königreich zu besprechen sein. Das ist zum einen das Austrittsabkommen nach Artikel 50 EUV, zum anderen das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien. Die Regierung des gerade endlich zurücktretenden Boris Johnson hat einseitig Gesetze verabschiedet, mit denen die Vereinbarungen zum Verbleib Nordirlands im EU-Binnenmarkt und den damit notwendigen Zollkontrollen für Waren auf dem Weg zwischen Nordirland und England, Wales und Schottland unterlaufen werden. Unsere drei Ausschüsse werden gemeinsam einen Bericht zu den nun notwendig werdenden Maßnahmen erarbeiten. Ich rechne mit Klagen durch die Kommission, eventuell auch mit Gegenmaßnahmen an den Zollgrenzen. Im Sommer 2023 wird der vereinbarte Waffenstillstand im Fischereikonflikt auslaufen. Bis dahin müssen wir endlich eine Gesamtlösung entwickeln können, um einen schweren Schaden für die betroffenen Unternehmen und Beschäftigten abzuwenden. Sie können die Sitzung des Handelsausschusses hier im Live-Stream verfolgen. |
13. Juli: Letzte Sitzung des Ausschusses für Konstitutionelle Fragen (AFCO) vor der Sommerpause
Trotz der allgemeinen Vorfreude auf die parlamentarische Sommerpause liegt noch eine letzte Sitzungswoche vor uns, und kommt für die meisten Abgeordneten und Mitarbeiter*innen am Mittwoch auch der Ausschuss für Konstitutionelles (AFCO) noch einmal zusammen. Erster wichtiger Tagesordnungspunkt: wie immer zu Beginn der jeweiligen rotierenden EU-Ratspräsidentschaften wird dieses Mal der verantwortliche Minister für Europa-Angelegenheiten der Tschechischen Republik, Mikuláš Bek die Schwerpunkte der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft für die nächsten 6 Monate vorstellen. Ich bin der Auffassung, dass wir eindeutig noch einmal die Position des Europarlaments in Bezug auf die von allen drei Institutionen den Bürger*innen aus 27 Mitgliedstaaten zugesagte Bereitschaft, den Folgeprozess zur EU-Zukunftskonferenz verbindlich auf den Weg zu bringen, gegenüber der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft formulieren müssen. Das vom Parlament auf den Weg gebrachte Artikel 48-Verfahren, also einen Konvent einzuberufen, um auch jene Empfehlungen der Zukunftskonferenz realisieren zu können, die eine Öffnung der Verträge notwendig machen, muss seitens des Rats beantwortet werden. Eine so ignorante, die Vertragsrealitäten negierende Haltung wie auf dem jüngsten EU-Rat am 25./26. Juni ist nicht akzeptabel. Und es ist schon seltsam, dass die deutsche Außenministerin Anna-Lena Baerbock mit ihrer Haltung, die EU bräuchte keine 20 Jahre alten Instrumente hervorzukramen, hier auf einmal an der Seite all derer steht, die eine Weiterentwicklung des europäischen Projekts ablehnen und beim Status Quo verharren wollen. Diese Obwohl diese Weiterentwicklung angesichts der vielen Aufgaben und neuen Herausforderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen mehr als notwendig ist und von den in der Zukunftskonferenz beteiligten Bürger*innen angemahnt, ja eingefordert wurde. Ich sehe mich da eher beim zivilgesellschaftlichen Dachverband ‚Die Bürger*innen übernehmen Europa (Citizens take over Europe)‘, der eine Petition an die drei EU-Institutionen auf den Weg gebracht hat, die Ergebnisse der EU-Zukunftskonferenz nicht länger zu ignorieren. Neben einer Demokratisierung der Europäischen Union wurden auch inhaltliche Vorschläge zur Erreichung von CO2-Neutralität, dem Schutz von Biodiversität, der Entwicklung von Infrastruktur und der Bekämpfung von Armut gemacht. All diese Projekte, die in einem umfangreichen Prozess der Bürger*innenbeteiligung entwickelt worden sind, sollten schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden. Bisher sind die Erwartungen an die tschechische Ratspräsidentschaft jedoch sehr gedämpft. Aus Sicht des Parlaments liegen daher intensive Auseinandersetzungen vor uns, wenn wir weiter für die Interessen der Bürger*innen und unsere Rechte im europäischen Gesetzgebungsprozess kämpfen wollen. Danach stimmen wir über einen Bericht ab, der die Regelungen zur Verfasstheit und Finanzierung von Europäischen Politischen Parteien überarbeiten soll. Ein wichtiges Dossier, geht es doch um die Stärkung transnationaler politischer Strukturen und deren Ausbau als wichtigem politischem Pfeiler europäischer Demokratie. Zum krönenden Abschluss vor der Sommerpause beraten wir noch eine Richtlinie über die Ausübung des Wahlrechts von Bürger*innen, die nicht die Staatsangehörigkeit des EU-Landes besitzen, in dem sie gerne wählen möchten. Selbstverständlich bin ich hier der Auffassung, dass die uneingeschränkte Wahrnehmung des Wahlrechts auch für mobile EU-Bürger*innen unkompliziert möglich sein muss. Eine detaillierte Tagesordnung (englisch) finden Sie hier. Und da alle Ausschusssitzungen des Europäischen Parlaments öffentlich sind, können Sie auch diese von zu Hause aus im Livestream verfolgen. |
13. Juli: Mecklenburg-Vorpommern in Brüssel – gemeinsames Abendessen mit Bettina Martin (Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten) und Patrick Dahlemann (Chef der Staatskanzlei)
Seit der Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2021 regieren SPD und LINKE gemeinsam. Für Europaangelegenheiten ist seitdem Ministerin Bettina Martin zuständig. Nun treffen wir uns zu einem ersten gemeinsamen Austausch über aktuelle europapolitische Fragen und deren Bedeutung für Mecklenburg-Vorpommern. Thema werden sicherlich die Auswirkungen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine sowie der anhaltenden Corona Krise auf die Gesellschaft und Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern sein. Was muss und kann Politik hier auf allen Ebenen in Angriff nehmen? Und auch die in dieser Woche leider mehrheitlich beschlossene Aufnahme von Erdgas und Atom in die Taxonomie wird zu besprechen sein. Vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe eine aus meiner Sicht katastrophale Entscheidung. Umso wichtiger ist es nun, dass die Regionen der EU, also auch Mecklenburg-Vorpommern, schnellstmöglich auf erneuerbare Energien umsteigen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der drohenden Gasknappheit im kommenden Herbst dringend notwendig. Hier wird zu diskutieren sein, inwiefern die EU unterstützen kann, genauso wie in Bezug auf die weiter steigenden Energie- und Lebensmittelpreise, die insbesondere die bereits von Armut betroffenen Menschen hart treffen werden genauso wie diejenigen, die bisher gerade so über die Runden gekommen sind. Hier müssen wir innerhalb der kommenden Wochen schnelle und unkomplizierte Lösungen auf allen Ebenen finden. |
14. Juli: Letzter Sitzungstag des Handelsausschusses vor der Sommerpause
Gleich morgens um 9 Uhr präsentiert die EU-Kommission ihr Ergebnis ihrer Überprüfung der Wirksamkeit der Nachhaltigkeitskapitel in den Handelsabkommen der EU. Auch als Handelsausschuss haben wir auf Ebene der Koordinator*innen eine Resolution verhandelt, mit der wir die EU-Handelspolitik nachhaltiger gestalten wollen. Um 10 Uhr wird der Ausschuss über diese Resolution abstimmen. Ich rufe eindringlich in Erinnerung, dass uns weniger als 8 Jahre bleiben, um die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, die sich alle Nationen gemeinsam in den Vereinten Nationen gesteckt haben. Klimawandel, Hunger und Armut in der Welt machen wegen der Kriege in der Welt keine Pause, sondern werden durch sie sogar noch verschlimmert, zumal Mittel und Aufmerksamkeit gebunden werden. In diesen Kontext passt es auch gut, wenn wir von einem ILO-Spitzenvertreter im Anschluss an die Abstimmung darüber informiert werden, wie sich in einigen überprüften Staaten die Situation der Rechte von Arbeitnehmer*innen entwickelt hat. Verschlechterungen oder Stagnation sollten aus meiner Sicht unbedingt auch Konsequenzen für die Profitabilität der Handelsbeziehungen von Unternehmen aus der EU mit diesen Ländern haben. Deshalb engagiere ich mich so für ein starkes Europäisches Lieferkettengesetz.
Reform des Energiecharta-Vertrags Im Anschluss wird die Kommission über das Ergebnis der Verhandlungen zur Reform des Energiecharta-Vertrags (ECT) berichten. Aufgetragen hatte ihr das Parlament, bei der Reform das Investor-gegen-Staat Klagesystem des Vertrages unschädlich zu machen. Es hat sich eine weltweit agierende Klage-Mafia entwickelt, die Regierungen auf hohe Entschädigungen verklagt, wenn zum Beispiel neue Umweltschutzgesetzgebung die Profiterwartungen eines Investors enttäuscht. Der ECT hat sich zur am häufigsten genutzten Grundlage dieser Klagen entwickelt. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission bei den Verhandlungen auch unbedingt erreichen, dass Investitionen in fossile Brennstoffe nicht mehr vom ECT geschützt werden, um die anstehenden Gesetze für eine klimafreundliche Transformation des Energiesektors vor Klagen zu schützen. Leider ist die Reform gescheitert. Die Kommission hat ihre Zielvorgaben nicht erreicht. Ich werde mich daher in der Ausschusssitzung den Forderungen aus der Zivilgesellschaft anschließen und den Austritt der EU und ihrer Mitgliedstaaten aus dem Energiecharta-Vertrag fordern. Italien hat diesen Schritt bereits getan. Leider sorgt eine sogenannte ‚Sunset-Klausel‘ dafür, dass auch nach einem Austritt Investoren 20 weitere Jahre durch die Tribunale des Vertrags geschützt bleiben. Doch je früher wir aus dem ECT austreten, desto eher werden wir frei sein. Sie können die Sitzung des Handelsausschusses hier im Live-Stream verfolgen: |
Trotz Sommerpause: Das Nachdenken über die Zukunft der EU hört nie auf!
Innerhalb, aber auch außerhalb des Parlaments wird die Debatte über die europäische Demokratie fortgeführt. So teilen andere politische Akteure meine Forderung nach einer unter Artikel 48 vorgesehenen Öffnung der Verträge für eine konsequente Umsetzung der Empfehlungen der Zukunftskonferenz. Auch Daniel Schily, Mitbegründer und Vorstandsmitglied von Democracy International e.V., hat sich vor kurzem im letzten Newsletter der NGO zu Wort gemeldet und ein „transnationales Vertragsreferendum“ über einen Reform-Konvent gefordert. Die Idee dahinter: An ein und demselben Tag sollen alle europäischen Bürger*innen darüber abstimmen dürfen, ob sie eine grundsätzliche Neuausrichtung der EU befürworten würden und eine solche Öffnung der Verträge eingeleitet werden soll. Ich halte die Idee für spannend und finde, dies würde im Anschluss an die umfangreiche Bürger*innenbeteiligung der Zukunftskonferenz einen logischen nächsten Schritt darstellen, um demokratisch gewollte Projekte anzugehen und die europäischen Institutionen mit mehr Legitimität auszustatten. Bei der Gelegenheit möchte ich auch noch auf eine kleine Sommerlektüre zum selben Thema aufmerksam machen und eine Studie der Civil Society Europe empfehlen, welche sich explizit mit dem Vertrauen von Bürger*innen in politische Institutionen und der dabei relevanten Rolle von sozialen Bewegungen auseinandergesetzt hat. Näheres zum Inhalt des Forschungsprojekts findet sich auch in der 63. Ausgabe unseres Newsletters. |
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