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Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 40, 7. Januar 2022
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
ich hoffe, Sie sind gut in das noch junge Jahr gestartet. Ich wünsche Ihnen für 2022 alles Gute, vor allem natürlich Gesundheit. Denn es ist über den Jahreswechsel nur allzu deutlich geworden, dass uns Corona und deren immer neue Varianten weiter in Schach halten werden. Deshalb ganz klar: Die Impfung bleibt die erste Wahl im Kampf gegen das Virus. Vor diesem Hintergrund werde ich mich gerade deshalb weiter und sehr nachdrücklich für eine befristete Freigabe der Patente auf Covid-Impfstoffe einsetzen. Es ist unbestritten, dass die Pandemie nicht in den Griff zu bekommen sein wird, wenn der größte Teil der Menschheit, nämlich der Globale Süden, von Impfungen praktisch abgeschnitten ist. Ich habe an dieser Stelle bereits mehrfach bekräftigt: Die zeitweilige Patentfreigabe ist eine Frage der Humanität und der Solidarität. Es ist und bleibt nicht zu akzeptieren, dass sich die Europäische Kommission vor allem auch auf Druck Deutschlands im EU-Rat diesem Anliegen nach wie vor verweigert – im Gegensatz zur übergroßen Zahl der Mitglieder der WTO, wo darüber entschieden werden muss und die Verhandlungen im Trips-Rat weitergehen. Und im Gegensatz zu mehrmaligen deutlichen Positionierungen auch des Europäischen Parlaments - wenn auch nicht unter den Tisch fallen darf, dass auch hier entlang der politischen Fraktionen gerade bei Teilen von Mitte-Rechts und einzelner nationaler Delegationen die Verteidigung vermeintlicher wirtschaftlicher Vorteile der Wahrung des Betriebsgeheimnisses einzelner Pharmaunternehmen eine unterschiedliche Position bezogen wird. Damit komme ich zu einem anderen Thema, das auch 2022 meine Arbeit und die meines Teams prägen wird: die Konferenz über die Zukunft der EU (CoFoE). Corona hat uns gezeigt, dass auch die Gesundheitspolitik und andere Aspekte der Öffentlichen Daseinsvorsorge Punkte für CoFoE sein müssen und wie wichtig die Debatte nicht nur über solche Fragen ist. Gerade heute zeigt sich überdeutlich, wohin Einschnitte in der Öffentlichen Daseinsfürsorge, die Privatisierung als „Heilmittel“ und die Rotstift-Politik von Regierungen führen. Die Bilanz zum bisherigen Fortgang von CoFoE, die ich am Übergang zum neuen Jahr ziehen kann, ist durchwachsen. Es ist gut, dass insbesondere wir als Europaabgeordnete die Blockade des Rats brechen konnten, die Konferenz nach über einem Jahr Verzögerung begonnen hat und inzwischen zahlreiche Runden stattgefunden haben, von Bürger*innenforen zu verschiedenen Themenbereichen bis zu den „institutionellen“ Plenarversammlungen, in denen die in den Foren vorgebrachten Ideen und Vorschläge zusammengefasst und inhaltlich weiter diskutiert werden. In den kommenden Wochen werden weitere Veranstaltungen stattfinden. Am nächsten Freitag werden wir im Leitungsgremium von CoFoE über das weitere Vorgehen beraten. Das ist auch deshalb wichtig – und jetzt komme ich zu den Schattenseiten – weil nach wie vor unklar ist, wie mit den Ergebnissen umgegangen wird. Für uns als Linke ist klar, dass am Ende konkrete Aufgaben und Schlussfolgerungen formuliert werden müssen, die eindeutige Antworten auf die während CoFoE und gerade in den Bürger*innen-Foren erarbeiteten Vorschläge und Reformnotwendigkeiten geben und die weitere Arbeitsschritte zu deren Umsetzung beinhalten. Und damit vor Änderungen an den europäischen Verträgen nicht halt machen dürfen! Das zeigen schon jetzt die vielen interessanten Wortmeldungen auch auf der Digitalen Plattform und in den vorliegenden “Empfehlungen” der Bürger*innen-Foren. Diesen Ansatz teilt, zumindest verbal im Koalitionsvertrag, auch die neue Bundesregierung. Ob sie dafür im französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dessen Land nun seit dem 1. Januar für das erste Halbjahr 2022 den EU-Ratsvorsitz innehat, einen guten Partner findet, ist allerdings offen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Macron mit CoFoE - er war der Stichwortgeber für die von Kommissionspräsidentin versprochene europapolitische Neujustierung mit seiner Bürger*innenaussprache auf nationaler Ebene zur Klimapolitik - zugleich auch gern seinen Wahlkampf unterstützen möchte. Ursprünglich hatte Macron darauf spekuliert, die Abschlusstagung der Zukunftskonferenz unmittelbar vor die Präsidentschaftswahl im April zu legen. Allerdings scheint sich eine gewisse Ernüchterung über seinen sehr “von oben” dominierten, machtpolitisch ausgesteuerten Europakurs nicht unbedingt produktiv für die Wahlprognosen auszuwirken, und damit auch die Beendigung für die Zeit nach dem zweiten Urnengang Ende April neu zu terminisieren. Der „Flaggenstreit“ in dieser Woche über eine Europafahne am Arc de Triomphe in Paris, die nicht von der französischen Trikolore flankiert wurde, spricht Bände. Damit dürfte Corona erneut für eine Streckung des Zeitplans die Legitimierung hergeben, was den Zeitplan der Zukunftskonferenz abermals arg durcheinander bringen kann, aber im Interesse einer vertieften Debatte eher zu begrüßen ist, damit der Arbeitsprozess ernsthaft fortgesetzt und die neu gewonnene Zeit für substantielle Ergebniserarbeitung genutzt wird. |
Apropos: Auch das Europäische Parlament hat sich auf die neue Pandemie-Welle eingestellt.
Kurz vor Weihnachten haben sich der Parlamentspräsident und die Fraktionsvorsitzenden darauf verständigt, dass die Ausschüsse und sonstigen Gremien zu Beginn des neuen Jahres weiterhin im “Hybridformat” tagen werden. Also direkte Teilnahme unter 2G plus-Regelung und virtuelle Zuschaltung anderer, die aus unterschiedlichen Gründen nicht nach Strasbourg kommen können. Weitere Erfahrungen dazu unter nun Omikron-beeinflussten Bedingungen wird auch die bevorstehende ordentliche Plenartagung des EP in Strasbourg, die am 17. Januar 2022 beginnt, liefern. Sie wird in Präsenz abgehalten, wobei die Möglichkeit besteht, die Sitzungen gleichzeitig im Plenarsaal und in zwei weiteren Räumen zu verfolgen, um die Abstände zu gewährleisten. Auf dieser Plenarsitzung ist geplant, die Spitze des Parlaments neu zu wählen, es ist Halbzeit der Wahlperiode. Damit werden die*der Parlamentspräsident*in, die Vize-Präsident*innen und auch die Quästor*innen neu gewählt. Infos dazu finden Sie hier. Noch sind die Termine in Brüssel und Strasbourg vor allem den arbeitspolitischen Planungsprozessen gewidmet, werden Feinarbeiten an den aus dem letzten Jahr übernommenen Aufgaben vorgenommen. Viel Kleines - aber dennoch wichtiges - wie ja auch die bereits Schlagzeilen produzierende Diskussion um die Einstufung von Atomenergie und Gas basierter Energieerzeugung als nachhaltig (Taxonomie) andeutet. Auch ich befinde mich in diesem Zusammenhang im intensiven Arbeitsmodus, denn als vom Handelsausschuss (INTA) benannter Berichterstatter des EP für die Handels- und Investitions-Zusammenarbeit EU-Afrika ist bereits Anfang Februar der Entwurf fertigzustellen, der dann in die Übersetzung gegeben werden muss, um eine breite, inklusive Arbeit dazu für die Zeit bis zur EP-Plenartagung im Mai d. J. zu ermöglichen. Und mein Ansatz dabei ist, von Beginn an den Diskurs mit möglichst vielen Akteur*innen aus Gesellschaft und Wirtschaft zu suchen und v. a. einen aufmerksamen “Zuhörer-Modus” für Stimmen, Positionen und Vorschläge von Partner*innen, Akteur*innen in Politik und Wirtschaft sowie von NGOs und Gewerkschaften auf dem afrikanischen Kontinent in seiner Vielfalt und Komplexität herzustellen. Ich bin selbst gespannt, was wir hier an Input erwarten können. Aber dazu dann in kommenden Newslettern sicherlich mehr. Und auch die bereits früher beschriebenen “Monitoring Groups”, für die Handelsbeziehungen mit Drittstaaten, so am Mittwoch die zu den Maghreb-Staaten und die zu den USA, sind fixe Termine in der kommenden Woche. Und natürlich verständigen sich auch die Fraktion und unsere Delegation DIE LINKE im EP zum Arbeitspensum 2022. Herausforderungen gibt es ja mehr als genug.
Ihr Helmut Scholz |
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