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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 26, 17. September 2021
Liebe Leserin, lieber Leser,

Strasbourg lag im Sonnenschein - die Älteren unter Ihnen werden sich vermutlich an den Schlager von Mireille Mathieu erinnern. Das betraf allerdings nur den Wochenbeginn, ab Mittwoch schlug das Wetter um. Es ist ganz sicher ein Zufall, dass an diesem Tag die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europaparlament die jährliche Rede zur Lage der EU hielt, ihre zweite.

Der Bericht, den die Kommissionspräsidentin uns Abgeordneten und damit auch der europäischen Öffentlichkeit präsentierte, war ernüchternd. Dort, wo sie im vergangenen Jahr angesichts fehlender Masken, kaputtgesparter Krankenhäuser und einem generellen unvorbereitet Sein auf die Pandemie und auch fehlende europäische Solidarität zum gemeinsamen Kampf gegen das Corona-Virus die meiste Kritik einstecken musste, konnte sie nun 2021 Fortschritte bei den Covid-Impfungen und das Erreichen des Ziels einer 70 %-igen vollständigen Durchimpfung in der EU bis Sommer zumindest einen wichtigen Teilerfolg vermelden. Aber nach wie vor blieb sie die Antwort schuldig in Bezug auf die bereits 3-mal vom Europaparlament geforderte, und den von mehr als 140 Staaten, zahllosen Wissenschaftler*innen und Nobelpreisträger*innen erhobenen Appell nach zeitweiliger Aufhebung des Patentschutzes auf Impfstoff gegen Covid-19 am Verhandlungstisch des Trips-Generalrats nachzukommen.

Es blieb beim vagen Versprechen, weitere 200 Millionen Impfdosen für die in die Länder des Südens im Rahmen des Covax-Programms bereitzustellen. Da fehlte dann doch wieder die Bereitschaft, über die Binnenmarktinteressen und das Absichern eigener (bio)technologischer Vorteile im weltwirtschaftlichen Kräftemessen hinauszugehen. Das Europaparlament und auch ich persönlich im Rahmen meiner Mitgliedschaft im Lenkungsausschuss der Parlamentarischen Konferenz der WTO für die EP-Fraktion THE LEFT bleiben dran. Auch weil vieles in der EU selbst noch verändert werden muss, soll ein konstruktiver Beitrag für die weltweite Überwindung der Pandemie geleistet werden. Denn auch die Diskrepanz bei den Impfquoten innerhalb der EU ist bedenklich - denn während in Dänemark fast 90% der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft sind, beträgt diese Quote in Bulgarien gerade einmal 20%. 

Insgesamt zeigt ihre Bilanz, dass die EU in Krisenzeiten noch immer nicht wirklich als Gemeinschaft handlungsfähig ist. Keine neue Erkenntnis, aber umso bedenklicher und Fragen aufwerfend nach dem Brexit und eben der Pandemie. Schon In der Finanzkrise „reichte“ es gerade einmal zu Sparauflagen insbesondere für südeuropäische Mitgliedsstaaten und knallharte Austeritätspolitik zur Absicherung des Euro. Das unmenschliche und unwürdige Gefeilsche um Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten verhinderte ein tragfähiges Konzept und Handeln in der Migrationsfrage. Und dann folgte in der Corona-Pandemie nicht nur monatelange Tatenlosigkeit "Brüssels", sondern sogar der verstärkte Rückfall in nationale Egoismen. Für mich und meine Kolleg*innen aus der Linksfraktion im Europaparlament ist vollkommen klar: Die EU braucht grundlegende Änderungen. Und das fängt mit der zentralen Frage an: Will und soll die EU mehr sein als ein funktionierender Binnenmarkt? Wie können wir die von Altiero Spinelli 1943/44 in seinem „Manifest von Ventotene“ entwickelte Vision freundschaftlich miteinander, über nationale Grenzen hinweg in einem gemeinschaftlichen Europa zusammenlebender Menschen unter den heute so viel mehr und viel günstigere Bedingungen bietenden Möglichkeiten realisieren?

Konferenz zur Zukunft Europas - Bürger*innen entscheiden

Damit bin ich beim zweiten großen Thema dieser Woche, ein wirklicher Lichtblick. Wenn Sie diesen Newsletter erhalten, tagt die erste von vier Bürger*innen-Versammlung im Rahmen der großen EU-Zukunftskonferenz. Jeweils 200 Bürger*innen aus allen 27 Mitgliedstaaten - jung und älter, unterschiedlichster Berufe und regionaler Herkunft, streng quotiert nach Geschlecht usw. fangen an, sich kennenzulernen und gemeinsam einen Arbeitszusammenhang zu entwickeln, die sie in den nächsten Monaten hoffentlich sehr eng zusammenrücken lässt, um genau zu den o.g. Herausforderungen ihre Sichten und konkreten Vorschläge für das künftige Funktionieren und die Gestalt europäischer Politik zu erarbeiten. Diese Panels werden übrigens auf der Webseite original in Zeit und Raum übertragen www.futureu.europa.eu/ - und sollten jede*n ermuntern, sich da reinzuschalten und zuzuhören und eigene Sichten, Meinungen und Beiträge entweder auf der digitalen Plattform einzuspeisen, oder direkt auch die Bürger*innen-Versammlungen oder die Plenarkonferenzebene der Zukunftskonferenz zu kontaktieren. Partizipative Demokratie allemal und die Chance sollte in den nächsten Wochen unbedingt ergriffen werden.

Ja, es kommt darauf an konkret zu werden. Wie halten wir es denn nun wirklich mit dem Klimawandel - und wer soll wo über was im gemeinsamen Bestreben unbedingt handeln, um die Umwelt für zukünftige Generationen zu erhalten? Wie kommen wir zu Entscheidungen über Rahmenbedingungen für den sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft, die heute längst nicht mehr in Hinterzimmern der wirtschaftlichen und politischen Macht nationaler Egoismen getroffen werden können? Technologiewandel, Künstliche Intelligenz, Digitalisierung aller Lebensreiche und Datenschutz - und alles hat mit Arbeitsplätzen zu tun. Auch die drängende Frage nach der Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik, die ja die Interessen aller im ländlichen Raum lebenden und arbeitenden Menschen und den Erhalt der Umwelt im Blick haben muss und viel stärker zurück muss zu regionaler Kreislaufwirtschaft (also nicht nur die von Industrie und Warenproduktion mit entsprechender Ressourcenschonung).  All das wird sich als Thema in dieser ersten Bürger*innen-Versammlung „Starke Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit, Bildung und Wissenschaft, Digitalisierung“ wiederfinden (müssen).  Ich bin gespannt. Auch was ich mitnehmen kann und muss in die Beratung des Lenkungsausschusses der CoFoE am kommenden Montag und in eine Beratung des „transform!europe“-Netzwerks, der europäischen politischen Stiftung der europäischen Linkspartei EL am Mittwoch.

Was muss aus Sicht der Teilnehmenden in den Bürger*innen-Versammlungen in der EU27 getan werden, um eine gemeinschaftliche, von den Menschen in den EU27-Staaten mitgetragene menschliche Asyl- und Migrationspolitik zu entwickeln und zu ermöglichen? Auch da bin ich gespannt - die Bürger*innen-Versammlung soll und wird sich hoffentlich mit dieser Herausforderung verantwortungsvoll herumschlagen müssen - denn „Die EU in der Welt“ heißt eben auch Entscheidungsfragen in Bezug auf Außen-, Handels- und Entwicklungspolitik aufzugreifen, die Asylpolitik genauso zu beraten wie Aspekte der Grenzen und der Sicherheitspolitik. Und spätestens das Versagen in Sachen Afghanistan muss Anlass zum Hinterfragen traditioneller Außen- und militärisch gedachter Sicherheitspolitik sein. Welche Initiativen müssen von der EU für Frieden und Stabilität in der Welt ausgehen?

Wie die EU sozialer und demokratischer werden kann, soll schon die zweite Versammlung der Bürger*innen dann am kommenden Wochenende (24.-26.09.) - in Deutschland wird ja der Bundestag gewählt - thematisieren und damit die eigentlichen Entscheidungsstrukturen der EU. Welche Vorstellungen, Ideen und Meinungen haben die Versammlungsteilnehmer*innen in Bezug auf das künftige Antlitz und den Kern einer Bürger*innen gestützten europäischen Demokratie - des Miteinander oder gegeneinander der Nationalstaaten oder doch eher einer Republik Europa oder eines Europas der Regionen und der Bürger*innen. Kurzum, wird die Frage, „wie der Laden eigentlich funktioniert“ gestellt und diskutiert.  

Fazit: Zu all diesem müssen die Bürger*innen gehört werden, und ihre Meinungen und Positionen in reale Politik umgesetzt werden – Vertragsänderungen müssen am Ende der Konferenz entsprechend der Schlussfolgerungen aus den Bürger*innen-Versammlungen angegangen werden.

Aber natürlich stehen solche Fragen nicht nur auf der Agenda der Zukunftskonferenz. Sie bestimmen praktisch unsere parlamentarische Arbeit. Zumal auch in unserer Fraktion THE LEFT da auch unterschiedliche Sichten existieren. Ich bin mir deshalb sicher - die Verschränkung der CoFoE mit der täglichen parlamentarischen und Wahlkreis-Arbeit wird sich gewiss in der einen oder anderen Form auch im wöchentlichen Newsletter wiederfinden.

Ich hoffe also, dieser „Newsletter“ vor einer „Grünen Woche“, in der „Vor-Corona-Zeit“ viel stärker als Wahlkreisarbeitswoche konzipiert, sprengt nicht völlig Ihre Erwartungen an knappe und auf Aktivitäten ausgerichtete Information - aber das wird spätestens mit der nächsten Ausgabe vor der Ausschusswoche ab 27. September und den zwei Plenarwochen im Oktober sicher wieder anders. Versprochen.

Und übrigens, die Sonne ist zurückgekommen nach Strasbourg – pünktlich zur Bürgerinnen-Versammlung der Konferenz über die Zukunft der EU.


Ihr
Helmut Scholz

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