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Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 141, 12. April 2024
Liebe Leser:innen,
die Europawahlen im Juni rücken immer näher. Das heißt andersherum gesagt, es bleiben noch gut 14 Tage, um wichtige Gesetzgebungsprozesse abzuschließen oder Prozesse anzuschieben, etwa durch Beschlussfassung in der ersten Lesung des Hauses. Nach dem 1. Mai beginnt die heiße Phase des unmittelbaren Wahlkampfes und parlamentarische Beratungen des Plenums oder von Ausschüssen finden nur in Ausnahmefällen statt. Gerne mache ich Sie hier auf eine Reihe europapolitischer Veranstaltungen in der anbrechenden Woche aufmerksam: Direkt beteiligt bin ich an zwei Vorhaben zu Schwerpunkten, die mir besonders am Herzen liegen: Am Dienstag den 16. April lade ich mit meiner Podemos-Kollegin Eugenia Rodriguez Palop zur Fraktionsinitiative „Global Community: Sustainable Development vs Geopolitics?“. Vor dem Hintergrund der viele Bürger:innen beunruhigenden Krisenprozesse möchten wir hier noch einmal einen großen thematischen Bogen spannen zwischen dem Beleuchten der Verantwortung auch der EU für das Erreichen und Umsetzen der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in der Agenda 2030 und den sich andererseits verfestigenden geopolitischen, geowirtschaftlichen und geoökologischen Spannungen und Widersprüchen. So möchten wir nicht zuletzt dem sich am 15./16. Juli neu konstituierenden 11. Europa-Parlament und einer neuen EU-Kommission selbstbewusst Hausaufgaben mit auf den Weg geben. Warum gerade dieser Akzent? Bereits Im September 2023, auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen anlässlich der Halbzeitbilanz, drückte UN-Generalsekretär António Guterres angesichts des fehlenden Fortschritts bei der Umsetzung der Ziele seine Ernüchterung aus und erklärte, dass „nur 15 Prozent der Ziele auf dem richtigen Weg sind, und viele sind sogar rückläufig“. Hunger, Armut, Ungleichheit, Klimawandel und Umweltzerstörung sind nach wie vor globale Herausforderungen, die koordinierte Anstrengungen aller Nationen, insbesondere der führenden Industrieländer, erfordern. Das Europarlament hatte sich aus diesem Anlass für eine Beschleunigung aller Arbeiten und eine stärkere politische Verantwortungsnahme der EU eingesetzt. Und mir war ein horizontales, alle Politikbereiche durchdringendes bzw. besser verbindendes „Mainstreaming“ der 17 Nachhaltigkeitsziele wichtig: auch deshalb war ich ja gerne Mitveranstalter der großen „Beyond Growth“-Konferenz 2023, um nicht nur zu reden oder Verantwortung zu benennen, sondern mitzutun bei der Erarbeitung konkreter Vorstellungen - gerade und auch von „links“. Und gemeinsam mit vielen anderen gesellschaftlichen und politischen Akteuren, die die Notwendigkeit dieser Aufgaben ernst nehmen. Die Reaktion seitens Spitzenpolitiker:innen aller 27 Mitgliedstaaten und unter den G7 auf diese Herausforderungen war und ist mehr als ernüchternd. Sie verbleibt in bisheriger machtpolitischer Logik für die Bewältigung der politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Frieden, Entwicklung und Zusammenarbeit als Werte und geeignete Instrumente bleiben allgemeine Begriffskategorien - anstelle dessen rühmt sich die „geopolitische“ EU-Kommission, die „Sprache der Macht“ zu sprechen, wie der Außenbeauftragte Borrell verkündete. Diese sehr traditionell konzipierte Geopolitisierung der internationalen Staatenwelt und weltwirtschaftlichen Verflechtungsprozesse schlägt sich auch angesichts des russischen Aggressionskrieges Russlands in der Ukraine und der sich zuspitzenden Konfliktsituation im Nahen Osten in einer zunehmend konfrontativen Außenpolitik nieder, die eher auf Militarisierung und Machtprojektion als auf Entspannung, verstärkte politisch-diplomatische Anstrengungen zur Beendigung der Kriege und Abrüstung ausgerichtet ist. Das internationale Wettrüsten widerspricht diametral den 17 Nachhaltigkeitszielen - und zu deren Erreichen haben sich die EU und die Länder der östlichen und südlichen Nachbarschaft, wie auch die USA, die Russische Föderation, die BRICS -Staaten und fast alle Staaten im sogenannten Globalen Süden verpflichtet. Doch wie können wir auf dem Weg zu den SDG vorankommen, wenn wir uns dem Druck einer so definierten Geopolitik beugen? Welche gangbaren Alternativen können wir erkunden? Wie könnten wir uns eine „globale Gemeinschaft“ vorstellen, die Verantwortlichkeit fördert, unsere gemeinsame Menschlichkeit anerkennt und wirtschaftliches Wohlergehen, Umweltschutz und soziale Eingliederung als miteinander verknüpfte und unverzichtbare Säulen der Entwicklung integriert? Darum wird es bei der Konferenz gehen. Ich freue mich, dass wir dafür die Unterstützung von wichtigen Akteuren der „Beyond Growth“-Konferenz erhalten, und einige Redner:innen gewinnen konnten erneut gemeinsam konkrete Pfade und Vorschläge zu erarbeiten. Denn ja, die ökologischen Krisen eskalieren und die Grenzen wachstumsorientierter Wirtschaftsmodelle sind für die meisten Bürger durchaus offensichtlich geworden. Ein Paradigmenwechsel ist unumgänglich. Dieser Wechsel erfordert eine grundlegende Neubewertung nicht nur unseres Lebensstils, sondern auch unserer politischen Programme und Aktivitäten, wobei Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und globaler Dialog im Vordergrund stehen müssen. Das Ringen um das Lieferkettengesetz der EU, die reale Umsetzung der Europäischen Mindestlohn-Richtlinie oder der Regelungen zur Plattformarbeit gehören ebenso dazu, wie das Hinterfragen der internationalen Wertschöpfungs- und Lieferketten für eine CO2-freie Energieerzeugung und Mobilität, technologischer Wissenstransfer z. B. auf den afrikanischen Kontinent gehören alle dazu, auch wenn die EU von einer „strategischen Autonomie“ als selbstverorteter Handlungsansatz in den internationalen Beziehungen spricht. Wenn diese Themen auch Sie beschäftigen: Sie können der von meinem Team für die Fraktion organisierten Veranstaltung unter diesem Link folgen. Ähnlich gelagert und konzipiert ist die ebenso die Anstrengungen in dieser Wahlperiode abschließende Konferenz der Interfraktionellen Arbeitsgruppe zu „Verantwortlicher Unternehmensführung“, die sich mit der Hereinnahme sozialer, menschenrechtlicher und umweltpolitischer Standards in die Produktionsorganisation beschäftigte und in den letzten Jahren unter Leitung der EP-Vizepräsidentin Heidi Hautala (Grüne/Finnland) den Dialog zwischen Politik, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen beförderte, am kommenden Donnerstagnachmittag. Zwei andere Ereignisse, die nicht in Brüssel stattfinden, liegen mir in der kommenden Woche ebenso am Herzen: Vom 19. bis 21. April wird in Lissabon die gemeinsam von der Partei der Europäischen Linken (EL), der linken „Denkfabrik“ transform! europe und der portugiesischen Linkspartei Bloco de Esquerda organisierte NO PASARAN!-Konferenz stattfinden. Sie kommen nicht durch – diese Losung aus dem spanischen Bürgerkrieg richtet sich heute gegen die zunehmend erstarkende extreme Rechte in Europa. Und das nicht von ungefähr: Denn das Lied „Grandola Vila Morena“ ist sicherlich vielen von ihnen noch oder schon wieder ein Begriff: inoffizielle Nationalhymne des progressiven Portugals und weltweites Symbol der Nelkenrevolution in Portugal, die sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt. Ich bin mir sicher, dass in Lissabon wirksame Strategien gegen recht weiterentwickelt und abgestimmt sowie Bündnisse gefestigt werden können. Gerade um dem weiteren Aufkommen rechter Parteien bei den Europawahlen entgegenzuwirken und demokratische Potentiale von links zu stärken. Denn was ein Zuwachs dieser Kräfte im Europäischen Parlament bedeutet, habe ich bereits mehrfach an dieser Stelle beschrieben. Ein anderes gesellschaftliches Ereignis wird am Freitag und Sonnabend in einer Woche, den 20. April, in Berlin stattfinden: das European Youth Event in Berlin, an dem ich auch in diesem Jahr gerne teilnehme um Erfahrungen zu vermitteln, von Gelerntem zu berichten und mich den Fragen von jungen Menschen zu stellen. In dieser Legislatur konnte ich ja einige erfolgreiche Initiativen und auch Gesetzgebungen auf den Weg bringen, die die Teilhabe von Bürger:innen quer durch die EU27 stärken können - wenn gleich auch noch viel zu tun bleibt. Was kann es da besseres geben, als direkt mit jungen Menschen zu reden, Erfahrungen zu vermitteln und auch neue Ideen aufzunehmen - denn Dialog und gesellschaftliches Wirken ist und kann nie Einbahnstraße sein. Dazu gehört auch verstärkt miteinander Verständigung zu suchen und zu organisieren über das Ausrichtung und Wesen von EU-Politik. Vieles gilt es immer wieder neu zu hinterfragen und - aus meiner Sicht - auch vom Kopf auf die Füße zu stellen: Für eine soziale, demokratische und friedliche EU. Am Sonnabend werde ich bei zwei Runden dabei sein: Vormittags wird es ein Panel geben, auf dem wir gemeinsam mit jungen Menschen über die Zukunft der Europäischen Union diskutieren wollen. Eine gute Gelegenheit, das Credo der EU-Zukunftskonferenz aufzugreifen. Am Nachmittag dann werde ich unter der Schirmherrschaft von „Jugend Wählt“ an einem Workshop zur allerersten Europawahl von jungen Menschen teilnehmen. Mit besonderem Fokus auf die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre soll es darum gehen, interessierten Jugendlichen das nötige Rüstzeug für eine informierte Wahl mit an die Hand zu geben und alle noch „Uninteressierten“ von der Wichtigkeit der kommenden Wahl zu überzeugen. Womit wir eigentlich wieder am Anfang dieses Newsletters wären … Ihr Helmut Scholz |
Auf der Tagesordnung
Dienstag, 16.04.2024Weltgemeinschaft: Nachhaltige Entwicklung vs. Geopolitik
Lux-Filmpreis: Feierliche Ehrung im Plenarsaal
Donnerstag, 18.04.2024Wege zu einer humanen Asyl- und Migrationspolitik
Donnerstag - Samstag 18.-20. AprilEYE Berlin - European Youth Event
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