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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 132, 9. Februar 2024
Liebe Leser:innen,

am Freitag sollte der EU-Rat über das europäische Lieferkettengesetz abstimmen. Ich habe im Newsletter häufig über dieses wichtige Projekt geschrieben, mit dem Menschen- und Arbeitsrechte sowie ein Schutz von Umwelt und Klima zumindest teilweise hätten gesichert werden können. In letzter Minute machte die Minister:innenrunde jedoch einen Rückzieher und nahm die Abstimmung von der Tagesordnung.

Damit hat die deutsche FDP praktisch die gesamte EU in Geiselhaft genommen. Denn es waren die „Liberalen“, die in der Berliner Ampel-Regierung durchgesetzt haben, dass sich die Bundesrepublik bei der Abstimmung enthalten solle. Damit wäre es nicht unwahrscheinlich geworden, dass das Gesetz in Brüssel „durchfällt“. Und vermutlich genau das wollte der Rat mit der Vertagung verhindern. Wann es wieder auf den Tisch kommt, ist offen. Dabei zählt eigentlich jeder Tag – für Menschen und Umwelt und auch, um die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele zu beschleunigen, die ohnehin schon in starken Zeitverzug geraten ist.

Die deutschen „Liberalen“ haben sich mit ihrem Verhalten abermals unverblümt als Lobbyisten der Wirtschaft geriert, ohne Rücksicht auf Menschen und Umwelt – und ebenso auf das Ansehen der Bundesrepublik und der EU insgesamt. Dass Rot-Grün in der Ampel keine klare Kante zeigt und die FDP in die Schranken verweist, ist nicht nur ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, sondern vor allem ein politisches Armutszeugnis.

Als Linke werden wir weiterhin Druck machen für ein echtes Lieferkettengesetz, das Unternehmen in die Pflicht nimmt, Menschen- und Umweltrechte entlang der gesamten Lieferkette einzuhalten.

Ein anderes Thema: In dieser Woche, am Mittwoch, wird der Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO) wieder zusammenkommen. So wie es zu Beginn jeder neuen Ratspräsidentschaft traditionell üblich ist, wird uns zu Beginn der belgischen Präsidentschaft die belgische Außenministerin Hadja Lahbib im Ausschuss besuchen und sich unseren Fragen stellen. Mich interessiert insbesondere, inwiefern Belgien es ernst meint mit der institutionellen Reform der EU in Vorbereitung auf eine potentielle Erweiterung.

Als nächstes steht ein Bericht zur Sitzverteilung des Europäischen Parlaments auf der Agenda. Da es bisher vor jeder Legislaturperiode aufs Neue eine Einigung über die Zusammensetzung unter den Mitgliedstaaten braucht, hat das EP es sich zur Aufgabe gemacht, eine permanente Lösung für die Sitzverteilung vorzuschlagen. Eine solche mathematische Lösung zu finden, die sowohl das in den Verträgen festgeschrieben Prinzip der "degressiven Proportionalität" einhält, aber auch unter den gegebenen politischen Konstellationen umsetzbar ist, ist keine leichte Aufgabe. Für die Diskussion hat sich der Ausschuss daher die Verstärkung von Mathematiker:innen geholt, welche die politischen Beratungen unter den Fraktionen mit ihren mathematischen Fachkenntnissen ergänzen werden.

Zuletzt soll auch die Reform des Parlaments selbst noch eine Rolle spielen. Nachdem auf Initiative von Parlamentspräsidentin Metsola hin die entsprechenden Arbeitsgruppen ihre Arbeit vollendet haben, liegt es nun am AFCO, die Reformvorschläge aufzunehmen und mehrheitstaugliche Kompromisse für eine Verabschiedung im Plenum vorzubereiten. Wie immer kann die Sitzung auch im Livestream verfolgt werden.

Ebenfalls in dieser Woche wird im Trilog – das sind informelle Verhandlungstreffen zwischen Europäischem Parlament, der Kommission sowie dem Ministerrat, die das Ziel haben, einen Kompromiss zu Gesetzesvorschlägen zu erreichen – zu dem Verordnungsentwurf zum Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten weiter beraten. Die am 26. Januar verabschiedete Ratsposition hatte vor ihrer Veröffentlichung für Uneinigkeit im Rat gesorgt – ein Schicksal, das aktuell auch andere Gesetzesentwürfe zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten trifft. Große Differenzen zwischen den Verhandlungsmandaten von EP und Rat zeigen sich bei der Beweislastumkehr bei Produkten aus z. B. besonders von Zwangsarbeit betroffenen Regionen und den sogenannten Wiedergutmachungsmaßnahmen (remediation). Dies sind Kernforderungen des Parlaments, die es während der Verhandlungen zu verteidigen gilt.

Es ist wichtig, eine Einigung bei dieser Verordnung zu erzielen, aber noch wichtiger ist es, dass am Ende ein Gesetz dabei herauskommt, das funktioniert und hoffentlich dazu beiträgt, die unerträglichen Zustände von Zwangsarbeit für etwa 27 Millionen Menschen weltweit zu beenden. Diese vormodern wirkende, aber noch immer betriebene Praxis muss effektiv und nachhaltig bekämpft werden.

Ihr

Helmut Scholz

Auf der Tagesordnung

In dieser Woche kommen die EU-Abgeordneten in ihren Fachausschüssen zusammen. Alle Sitzungen werden live übertragen. Hier einige Highlights:

Mittwoch, 14.02.2024

Anhörung im Petitionsausschuss zum Thema "The responsibilities of fossil fuel companies in the cost of living crisis"

Als Reaktion auf eine Reihe von Petitionen organisiert der Petitionsausschuss eine öffentliche Anhörung, um die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Energiepreise zu analysieren und sich mit der Krise der Lebenshaltungskosten und der Energiearmut in der EU zu befassen, wobei die Verantwortung der Unternehmen für fossile Brennstoffe für die sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der EU-Bürger:innen untersucht wird.

  • Wann? Mittwoch, 14. Februar von 14:30 bis 16 Uhr
  • Wie? Verfolgen Sie die Anhörung im livestream.

Ausschuss für konstitutionelle Fragen

  • Erläuterung des Programms des Ratsvorsitzes Belgiens & Workshop zum Ständigen System für die Zuteilung von Sitzen im Europäischen Parlament
  • Wann? Mittwoch, 14. Februar von 9 bis 13 Uhr
  • Wie? Verfolgen Sie die Sitzung und den Workshop im livestream.
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