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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 112, 01. September 2023
Liebe Leser:innen,

Liebe Leser:innen,

ich hoffe, Sie hatten erholsame Sommertage – ob nun am Meer, in den Bergen, im Garten oder einfach auf „Balkonien“. Und das, obwohl uns nahezu überall ungeahnte Hitzerekorde, Waldbrände, Sturzfluten und andere Unwetter den Klimawandel hautnah spüren ließen – und so auch über den Sommerurlaub für Nachdenklichkeit sorgten.

Auch mein Team und ich sind aus dem Urlaub zurück und haben bereits letzte Woche begonnen, mit aufgetankten Akkus die Arbeit des zweiten Halbjahres 2023 in Angriff zu nehmen. Doch bevor die Arbeit in Brüssel ins Rollen kommt waren mir die Begegnungen rund um den Weltfriedens-/Antikriegstag wie jedes Jahr besonders wichtig und eine Erinnerung auf unsere Verantwortung in Europa. Und wie ich in meinem letzten Newsletter vor der Sommerpause berichtete, hatten wir uns auf der Klausurberatung mit meinem Team Ende Juli in Rostock auf zentrale Arbeitsschwerpunkte der kommenden Monate verständigt.

Dazu zählt natürlich meine Tätigkeit im Ausschuss für internationalen Handel. Abseits von hellem Scheinwerferlicht setzt der Handelsausschuss in dieser Woche seine Arbeit an einem besonders wichtigen Gesetz fort: Mit dem EU-weiten Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit wollen wir einen Beitrag leisten, die Lage von 27 Millionen Menschen zu verbessern, die heute weltweit als Zwangsarbeiter:innen ausgebeutet werden. Die Zeit drängt, denn während sich die internationale Gemeinschaft verpflichtet hat, Zwangsarbeit bis 2030 ein Ende zu setzen, ist die Zahl der Opfer infolge von Hunger, Kriegen und Gesundheitskrisen seit 2016 sogar um 2,7 Millionen gestiegen.

Doch für einige Parteien ist das Problem offenbar dringlicher als für andere. Die Vertreter:innen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch die deutschen Unionsparteien gehören, treten bei den seit Frühjahr laufenden Verhandlungen kräftig auf die Bremse. Für die Linke setze ich mich dafür ein, das Gesetz rasch zu beschließen – und die Vorlage der EU-Kommission an wichtigen Stellen nachzubessern.

Ein besonders wichtiger Punkt für uns: Die Opfer von Zwangsarbeit – meist Frauen, Kinder und andere schutzbedürftige Gruppen – müssen Wiedergutmachungen erhalten. Unternehmen müssen entsprechend zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie – wissentlich oder durch Nachlässigkeit – Profite zulasten von Zwangsarbeiter:innen gemacht haben. Ebenfalls zentral für uns: Betroffene und Aktive aus Gewerkschafts- oder Menschenrechtsbewegungen, die Behörden mit Hinweisen oder Beweisen versorgen, müssen vor Gewalt und juristischer Einschüchterung geschützt werden.

Zu den Ländern, in denen Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, in den letzten Jahren leider an der Tagesordnung, gehört das südostasiatische Myanmar (Birma). Diese Woche entscheidet sich, ob die regierende Militärjunta von seinen Nachbarländern endlich mit Strafmaßnahmen belegt wird. Die Frage steht auf der Tagesordnung des Gipfels der Vereinigung südostasiatischer Länder (ASEAN). Auch die Lage im Südchinesischen Meer wollen die ASEAN -Staaten bei dieser Gelegenheit debattieren – auch mit Vertreter:innen aus den USA und China, die als Gesprächspartner zum ASEAN-Gipfel eingeladen wurden.  

Das Meeresgebiet ist eine der wichtigsten Handelswege weltweit. Ein Großteil aller exportierten Waren wird hier verschifft – und dazu die Energieträger von gestern und heute: Erdöl, Erdgas, aber auch Mineralien, die zur Herstellung von Windturbinen und Solarpanels unverzichtbar sind. Dies macht das Seegebiet auch zu einem Schauplatz der zunehmenden Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der VR China.  

Eine Verschärfung des Konflikts wäre fatal für wirtschaftlich aufsteigende Schwellenländer wie Indonesien oder Vietnam, die traditionell ausgewogene Beziehungen zu beiden Weltmächten anstreben. Auch die EU sollte deshalb als Stimme der Vernunft zu hören sein und sich für die Entschärfung des Konflikts einsetzen, dessen Folgen auch globalpolitisch verheerend sein könnten. Zumal sich Europa zunehmend in der Region als Handelspartner engagiert, um den Zugriff auf Rohstoffe zu sichern, die für eine klimaneutrale und digitale Wirtschaft immer begehrter werden.

Zurück zur EU: Auch im Ausschuss für konstitutionelle Fragen, im Parlamentssprech AFCO genannt, geht in dieser Woche die Arbeit wieder los. Auf der Tagesordnung steht unter anderem die wichtige Abstimmung zur Abänderung der Geschäftsordnung. Mit der Reform sollen endlich Konsequenzen aus dem „Katargate“-Skandal gezogen werden. Sie entsinnen sich sicher: den Korruptionsskandal um die griechische sozialdemokratische Abgeordnete Eva Kaili und andere Mitglieder und Mitarbeiter:innen des Europäischen Parlaments.

Das Plenum unseres Parlaments hatte als Konsequenz umgehend einen 14-Punkte-Plan beschlossen. Aus Sicht unserer Fraktion THE LEFT hätte der Plan noch weitergehen müssen. Dennoch ist er zweifellos ein Fortschritt und geht einige Umstände an, die das schwere Fehlverhalten einzelner Abgeordneter möglich machten. Die nun anstehende Beschlussfassung des Ausschusses ist der Schlusspunkt intensiver Verhandlungen zur Umsetzung des 14-Punkte-Plans in verbindliche Vorgaben der Geschäftsordnung des Parlaments und des Abgeordnetenstatus („Code of Conduct“). Und sie ist die Voraussetzung für die endgültige Annahme im Plenum, die bereits in der kommenden Woche in Straßburg ansteht.

Doch nicht nur die Geschäftsordnung des Parlaments steht derzeit zur Debatte! Als Fraktion verständigen wir uns kommende Woche mit der Reform der Arbeitsweise des Europäischen Parlaments, die zuletzt vor 15 Jahren, noch vor Inkrafttreten des Lissabonvertrags verändert wurde. Die Arbeitsgruppe, die unter Leitung der Parlamentspräsidentin tagt, soll ihre Vorschläge bis November vorlegen.

Auch die Arbeit im Initiativvorschlag des Parlaments zur Veränderung der EU-Verträge geht weiter. Die als Co-Bericherstatter:innen arbeitenden Vertreter:innen der Fraktionen kommen zusammen, bevor der Bericht im Ausschuss vorgestellt wird. Für mich ist ganz klar, dass wir uns als Linksfraktion für eine Öffnung der Verträge einsetzen müssen. Voraussetzung ist dabei die größtmögliche Beteiligung der Bürger:innen, denn die haben nicht nur das Recht auf eine demokratische Neuausrichtung der EU, sondern wollen auch mitreden und mitentscheiden, wie nicht zuletzt die große, ein Jahr laufende Konferenz zur Zukunft Europa deutlich machte. Die aktuelle Initiative des Parlaments ist auch eine Antwort auf damals vorgebrachte Bürger:innen-Forderungen.

Für THE LEFT ist unumstritten, dass der gültige Lissabon-Vertrag nicht nur die neoliberale und zunehmend militaristische Ausrichtung der EU zementiert, sondern für die Lösung der vor uns allen stehenden Herausforderungen – wie Klimawandel, soziale Gerechtigkeit, Migration und natürlich die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele – keine Grundlage bietet. Ich denke, dass wir mit diesem Thema auch nachdrücklich in den Europawahlkampf gehen sollten.

Darum ging es ebenfalls am Samstag in Rostock, meinen Wahlkreis. Der dortige Kreisverband hielt seinen Kreisparteitag ab. Es gilt, sich fit zu machen für das Wahljahr 2024 mit den Kommunal-und Europawahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 9. Juni des kommenden Jahres! Gemeinsam haben wir zugehört und diskutiert, welche Unterstützung die Genoss:innen an der Küste für den Wahlkampf benötigen.

Ebenfalls mit dabei: unser Teammitglied Frederike-Sophie Gronde-Brunner. Als Ko-Vorsitzende der BVV in Berlin-Charlottenburg weiß sie sehr genau, wie die nicht immer einfache Mehrebenenen-Entscheidungsstruktur der EU konkret zu bespielen ist. Wie Sie wissen, wird Frederike, die auch mit ihrer Arbeit in der Linksfraktion im Landtag Brandenburg in der Regionalpolitik fest verankert ist, für einen Listenplatz zur Europawahl kandidieren. Dafür hat sie auch die Unterstützung der Landesverbände Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Mitte September wird der Bundesausschuss der LINKEN seinen Listen-Vorschlag für die Vertreter:innen-Konferenz der Partei DIE LINKE im November beraten und entscheiden. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Eine gute Woche und genießen Sie die schönen angesagten Tage des Altweibersommers!

Ihr

Helmut Scholz

Auf der Tagesordnung

Auch diese Woche ist reich gefüllt mit empfehlenswerten Veranstaltungen. An diesen Debatten können Sie online oder vor Ort teilnehmen:

 

Dienstag, 05. September 2023

ReTHink Regions: Wie gelingt die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft?

 

Mittwoch, 06. September 2023

Demokratisierung der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU

 

Donnerstag, 07. September 2023

Ordentliche Sitzung des Ausschusses für konstitutionelle Angelegenheiten

  • Themen: Wahlen zum Europäischen Parlament, EU-Haushalt 2024, bessere Rechtssetzung, Urteile des EuGH und nationales Recht.
  • Wann? Donnerstag 10:30–13 Uhr.
  • Wie? Die Sitzung wird wie alle Ausschuss-Beratungen des Europäischen Parlaments online übertragen. Schalten Sie sich hier live zu.

 

Samstag/Sonntag, 09-10. September 2023

Beratung des Parteivorstandes der LINKEN

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