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Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 109, 14. Juli 2023
Liebe Leser*innen
sicherlich fordert die aktuelle Hitzewelle in ganz Europa Ihnen auch einiges ab – und ich kann nur hoffen und wünschen, dass Sie gesund durch diese heißen Tage kommen. Und sicherlich sind Sie in der nun zu Ende gehenden Woche auch schon ins Schwitzen gekommen? Für die Europaabgeordneten jedenfalls ging es kurz vor der Sommerpause noch einmal heiß her. Am vergangenen Montag stellten sie ihre Koffer in Strasbourg ab, um vier Tage lang zahlreiche Tagesordnungspunkte abzuarbeiten. Viele Entscheidungen zu EUropäischer Gesetzgebung wurden dabei mit breiter Mehrheit getroffen: So sollen sich nach unserer Beschlussfassung Fahrer:innen von Elektroautos schon bald sicher sein, alle 60 km eine leistungsstarke Ladestation vorzufinden, wenn sie auf zentralen Fernverkehrsachsen unterwegs sind. Die Mitgliedstaaten müssen das nun in nationales Recht umsetzen und entsprechende konkrete Schritte einleiten - auch mit Unterstützung durch die EU. Eine breite Mehrheit fand auch die Forderung, Rumänien und Bulgarien den Weg in den Schengenraum freizumachen. Bürger:innen der beiden Länder könnten dann – so wie Sie und ich – ohne Grenzkontrollen in die meisten EU-Staaten sowie in die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein reisen. Ein seit langem überfälliger Schritt: der Rat als Ko-Gesetzgeber muss jetzt Farbe bekennen. Ein ganz wichtiges Signal sendeten die Abgeordneten zudem in Sachen Seenotrettung im Mittelmeer. Wenige Wochen nachdem bei Pylos hunderte Flüchtlinge vor den Augen der griechischen Küstenwache ertranken, befasste sich das Europaparlament mit der Katastrophe und Wegen, dem Sterben im Mittelmeer ein Ende zu setzen. In einer Entschließung wehrten sich die Abgeordneten gegen die Kriminalisierung der Rettungsarbeit von NGOs und forderten die Einrichtung einer europäischen Seenotrettungsmission. Weiter soll die Kommission auch die Zusammenarbeit mit den libyschen Grenzbehörden überprüfen, denen schwere Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtenden vorgeworfen werden. Während sich hier gemäßigte Kräfte in den Reihen der Konservativen und Liberalen durchsetzten und die Forderungen der linken, grünen und sozialdemokratischen Fraktionen unterstützten, zimmerte EVP-Chef Manfred Weber bei einer anderen überaus wichtigen Frage seit Wochen an einer Allianz mit den rechtsradikalen Kräften des Hauses. Bei diesem machtpolitischen „Testlauf“ mit Blick schon auf die kommende Legislaturperiode ging es um nichts weniger als den Schutz der Natur. Das Renaturierungsgesetz ist die erste umfassende Naturschutzinitiative der EU seit der 1992 beschlossenen Habitat-Richtlinie. Angesichts der sich zuspitzenden Klimaerwärmung will die EU-Kommission natürliche Lebensräume wie Wälder, Flüsse oder städtischen Grünflächen besser schützen. Nach monatelangen Tricks und Lügenkampagnen wollte die EVP-Spitze das Vorhaben am Mittwoch zum Kippen bringen. Mit 324 Nein- und 312-Ja-Stimmen ist ihr Ablehnungsantrag gescheitert – aber wie die Zahlen zeigen, nur sehr knapp. Insgesamt ein wichtiger Erfolg für den Naturschutz – und gegen einen gefährlichen Testlauf für einen Pakt rechts der Mitte. Aber in einzelnen Punkten konnten sich dann die rechten Kräfte gegen die Vernunft anrennen, wobei sie ihnen verschiedene Abgeordnete der liberalen Renew-Fraktion, darunter auch aus der deutschen FDP zu Hilfe kamen. So strichen sie den Vorschlag von Kommission und Umweltausschuss zur Wiederherstellung von Moorflächen, die gerade bei der Bindung von Treibhausgasen eine zentrale Rolle spielen. Es lohnt sich allemal, in den ursprünglichen Gesetzesvorschlag, die diese Woche verabschiedete Textfassung und die Abstimmungsergebnisse hineinzuschauen und abzugleichen: die beste Medizin gegen Fake News und eine rechtspopulistische Rolle rückwärts. Und vielleicht auch eine Anregung, sich vor den nächsten Europawahlen genauer auf die Programme und Positionen der einzelnen Parteien in punkto Zukunftsfähigkeit und sozialer Gesichtspunkte des Green Deals zu schauen. Auch jenseits von Strasbourg gab es in dieser Woche Wichtiges: Der NATO-Gipfel in Vilnius billigte die Aufnahme Schwedens in das transatlantische Militärbündnis. Die Türkei um Staatspräsident Erdogan hatte den Beitritt bis dahin blockiert und eine Zustimmung mit der Auslieferung kurdischer Oppositioneller verknüpft. Die Verschärfung des schwedischen Antiterrorgesetzes und erste Auslieferungen politischer Flüchtlinge machten für Schweden nun den Weg frei in die NATO. Ein betroffen machender Deal. Es ist ein Schritt, auf den sich die Ukraine weiter wird gedulden müssen. Die Forderung der Zelensky-Regierung nach einem klaren Beitrittsdatum wurde in Vilnius nicht erfüllt. Zu deutlich die wohl realistischen Zweifel, dass dies unmittelbar eine Eskalationsstufe zu weit in Richtung direkten Kriegseintritts aller NATO-Staaten bedeutet hätte. Die Perspektive der NATO-Mitgliedschaft ist auf die Zeit nach Kriegsende vertagt – die Zusage aber bleibt. Und der neu geschaffene NATO-Ukraine- Rat wird die militärische und sicherheitspolitische Kooperation verstärken und untermauern. Wobei sich damit auch zunehmend die Frage stellt, welche langfristigen Perspektiven der Westen dem Land in Richtung Beendigung des Krieges neben Waffenlieferungen und militärischer Ausrüstung wirklich bieten will. Während jeder neue Kriegstag neues Leid und Zerstörung bringt, sind bei NATO und aber auch seitens der EU keine Bemühungen zu sehen, einen wirklichen Ausweg aus der Kriegsspirale zu finden. Die Zeichen in Brüssel stehen weiter auf geopolitischer Konkurrenz und Spaltung – und wie beim NATO-Gipfel – auch gegenüber China, wie Sie auch weiter unten lesen können. Bereits am Montagvormittag geht es aber trotz Hitze mit einer intensiven Ausschuss-Arbeitswoche weiter: In Brüssel tagt der CELAC-Gipfel. Die Staats- und Regierungschefs der EU27 und der lateinamerikanischen Staaten, darunter Mexikos, Brasiliens und der anderen Mercosur-Staaten, Chiles, Venezuelas, der Anden-Staaten, Kubas und auch der zentralamerikanischen Staaten werden über die (fast) bi-kontinentale Zusammenarbeit beraten. Sowohl im Begleitprogramm, als auch in Alternativveranstaltungen und beim "Gegengipfel der Völker" melden sich dabei auch zahlreiche NGOs, Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsinitiativen zu Wort. Damit soziale und ökologische Alternativen nicht nur Worthülsen in Schlusserklärungen bleiben, müssen althergebrachte Prämissen infrage gestellt werden und die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd grundlegend neu gedacht werden. Auf Einladung der „European Trade Justice Coalition“ werde ich mich dazu auf einer breit aufgestellten Konferenz im Europäischen Parlament zur Wort melden. Unter dem Motto „Eine neue Perspektive für die Handelszusammenarbeit zwischen der EU und Lateinamerika“ wurde diese Veranstaltung in langer Hand von powershift e.V. und weiteren NGOs auf die Beine gestellt und vom Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie verschiedenen MdEP unterstützt. Was diese Woche in Brüssel weiterhin an Themen bringt, lesen Sie wie immer weiter unten. Bleiben Sie gesund und vielleicht darf ich für einige oder viele von Ihnen schon einmal an dieser Stelle wünschen: Gute Ferien bzw. einen angenehmen und erholsamen Urlaub! Ihr Helmut Scholz |
Beratung des Ausschusses für Konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO)
Dienstag, 18. Juli, 15:00 - 18:30 Uhr
In der letzten Sitzung des Ausschusses für Vertragsangelegenheiten vor der Sommerpause geht es unter anderem um die Reform des Statuts des Europäischen Gerichtshofs und um den EU-Haushalt. Zu diesen Themen werden die Abgeordneten Stellungnahmen an die federführenden Ausschüsse annehmen. Weiter auf der Tagesordnung steht ein Initiativbericht zum Thema „Parlamentarismus, Europäische Demokratie und die Unionsbürgerschaft“, der insbesondere die Empfehlungen der EU-Zukunftskonferenz aufgreift und mit eigenen Vorschlägen für neue Vertragsmechanismen und Strukturen verbindet. Und nicht zuletzt setzt der Ausschuss seine Beratungen zur Überarbeitung der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments fort. Die Ständige Berichterstatterin des Parlaments für Angelegenheiten der Geschäftsordnung, Gaby Bischoff, schlägt mit ihrem Berichtsentwurf nun verbindliche Regeln vor, die Konsequenzen aus dem „Qatargate“ ziehen und den in der Folge vorgelegten 14-Punkte-Aktionsplans des Parlaments umsetzen sollen. Da die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments nur mit einer Zwei Drittel-Mehrheit seiner Mitglieder beschlossen werden kann, handelte es hierbei um ein durchaus ambitioniertes Projekt der ständigen Arbeitsgruppe des Ausschusses. Nach Monaten intensiver Beratungen gelang es den Vertreter:innen der Fraktionen, einen gemeinsamen Vorschlag vorzulegen, der die Arbeit des Parlaments und auch das Agieren der einzelnen Abgeordneten künftig noch transparenter und verbindlicher machen wird. Stimmt der Ausschuss dem Vorschlag zu, wird das Plenum im September endgültig über die überarbeitete Geschäftsordnung entscheiden. Dann wird sich zeigen, wie weit dieser Kompromiss, der aus meiner Sicht als Mitglied der Geschäftsordnungs-Arbeitsgruppe noch hätte weitergehen können, tragen wird. Ein weiteres Thema der kommenden Woche wird die Änderungen der EU-Verträge sein. Hierzu wird eine weitere Aussprache über einen entsprechenden Berichtsentwurf stattfinden. Gleich sechs Ko-Berichterstatter:innen dieser Legislativinitiative haben sich über Monate mit den Empfehlungen der EU-Zukunftskonferenz auseinandergesetzt. Ihre daraus hervorgehenden Vorschläge sollen künftig Gegenstand eines neuen Konvents werden. Den Text der entsprechenden legislativen Initiativresolution wollen wir als Arbeitsgruppe noch möglichst vor der Sommerpause fertigstellen. So soll die Arbeit im Frühherbst abschlossen sein und klar sein, welche politischen Forderungen das Parlament aufzeigt. Der Ball für eine Reform der EU-Verträge liegt damit ein weiteres Mal beim Rat, also konkret bei der spanischen EU-Ratspräsidentschaft. Und es wird durchaus spannend wie sich die einzelnen Regierungen der EU27 zur Parlamentsinitiative verhalten werden – also auch die Bundesregierung und hoffentlich mit einer konsequenten Mandatierung auch Bundestag und Bundesrat. -- Die Beratungen des Ausschusses können Sie wie immer live verfolgen. |
Handel und Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich
Beratung der Ausschüsse für Internationalen Handel und Auswärtige Angelegenheiten
Auch der Ausschuss für internationalen Handel wird in der kommenden Woche erneut zusammenkommen. Die Tagesordnung dieser letzten ordentlichen Beratung vor der parlamentarischen Sommerpause ist vollgepackt an wichtigen Themen. Das erste Thema am Dienstagnachmittag ist eine Aussprache der beiden federführenden Ausschüsse für die (Wirtschafts-)Beziehungen zum Vereinigten Königreich, nämlich des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET) und des Ausschusses für internationalen Handel (INTA). Unter dem etwas sperrigen Tagesordnungspunkt „Umsetzungsbericht über das Abkommen über Handel und Zusammenarbeit [TCA] zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich“ wird der Jahresbericht zum Sachstand der Umsetzung des Abkommens diskutiert. Die Berichterstatter:innen der beiden Ausschüsse werden bei dieser Gelegenheit sicherlich auch an die Debatte der Parlamentarischen Partnerschaftsversammlung anknüpfen, die erst vorige Woche tagte. Über diese gerade einmal dritte Sitzung des Gremiums seit seiner Einrichtung habe ich Sie an dieser Stelle ja bereits infomiert. Der Umsetzungsbericht arbeitet ein weiteres Mal heraus, dass der Brexit deutlichen wirtschaftlichen Schaden für beide Parteien bedeutete – und zwar bis heute, was allerdings teilweise durch das TCA eingegrenzt werden konnte. Der Bericht des EU-Parlaments zeigt auf, dass EU-Recht durch das „EU Law Bill“ an mehreren Stellen nur selektiv in nationales britisches Recht überführt wurde – was bedeutet, dass wichtige Normen künftig wegfallen. Dies ist etwa der Fall beim So kann es bei der Umsetzung z. B. dieses Vorhabens zu einer massiven Deregulierungswelle von Sozial- und Umweltstandards kommen. Bislang leider unerwähnt im Umsetzungsbericht bleibt das besorgniserregende „Strikes Bill“, mit dem Streikrechte von Arbeitnehmer:innen künftig deutlich eingeschränkt werden. Dazu habe ich auch in der vergangenen Woche in der Gemeinsamen Versammlung Lord Johnson, Minister für Investitionen im Wirtschafts- und Handelsministerium, befragt – allerdings ohne eine substanziell zufriedenstellende Antwort zu erhalten. Hier sind Änderungsanträge zum Berichtsentwurf der Berichterstatter:innen notwendig. Wie sich die Lage in Großbritannien nach dem Brexit entwickelt, sollte weiterhin genau im Auge behalten werden. Und sicherlich wird es hilfreich und wichtig sein angesichts dieser unbefriedigenden Entwicklungen, die guten Erfahrungen aus der konstruktiven und breiten Zusammenarbeit mit solchen Nichtregierungsorganisationen und Bürgerinitiativen wie den „British in Europe“ oder „The 3 Million“ auf beiden Seiten des Ärmelkanals zu intensivieren und im Rahmen der Zusammenarbeit der Domestic Advisory Group (DAG) EU – UK im TCA nutzbar zu machen. |
US-Abkommen zu Mineralien und kritische Infrastruktur
Beratung des Ausschusses für Internationalen Handel
Am Mittwochvormittag wird dann in der regulären Ausschussberatung des Handelsausschusses das neueste Vorhaben der EU-Kommission im Rahmen der breiten Beziehungen zwischen der EU und den USA besprochen: ein Abkommen zwischen der EU und den USA zur Stärkung der internationalen Lieferketten für kritische Mineralien abzuschließen. Die Kommission wird ihren Ansatz und Eckpunkte des Entwurfs präsentieren. Und damit sind wir Europarlamentarier:innen auch gefordert, deutlich zu sagen, wie genau das Mandat seitens des Rates für die Verhandlungen aufgestellt werden muss. Und dies schon vom Ansatz her, um nicht die falsche Logik der TTIP-Verhandlungen zu wiederholen. An dieser Stelle ist nicht genug Platz um all die offenen Fragen – inhaltlicher und prozeduraler Natur – darzustellen. Ganz grundsätzlich reiht sich dieses Abkommen aber in Strategie und Politik der EU-Kommission ein, durch bilaterale Abkommen den Rohstoffbezug der Wirtschaft in allen EU-Mitgliedstaaten in einer sich gründlich verändernden Welt abzusichern. Und leider bleibt bei dieser auch mit persönlichem Einsatz der Kommissionspräsidentin verfolgten EU-Reisediplomatie rund um die Erde nur übrig zu konstatieren: erneut an den direkt gewählten Volksvertreter:innen vorbei werden Abkommen versprochen ohne dabei das Europäische Parlament entsprechend miteinzubeziehen. Ich meine: Es braucht endlich einen inklusiven multilateralen Ansatz für den Handel mit kritischen Rohstoffen, in dem ambitionierte Nachhaltigkeitsklauseln festgelegt werden, und keinen Flickenteppich aus bilateralen Abkommen mit unterschiedlichen Standards. Von den USA zu China: Als nächsten Punkt diskutieren die Abgeordneten eine Stellungnahme zu den sicherheits- und verteidigungspolitischen Auswirkungen des Einflusses Chinas auf die kritische Infrastruktur in der Europäischen Union. Greifbar wurde das Thema vor Kurzem in der deutschen Politik- und Medienlandschaft als es um die Beteiligung des chinesischen Konzerns Cosco am Hamburger Hafen ging. Auch auf europäischer Ebene wurde dem Thema in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit gewidmet. Ähnlich wie bei dem European Chips Act oder der europäischen Strategie für wirtschaftliche Sicherheit werden auch in diesem Bericht die Investitionsbeziehungen mit China unter die Lupe genommen. Hier sind vielleicht sogar kontroverse Diskussionen zu erwarten, prallen doch grundsätzlich verschiedene ordnungspolitische Konzeptionen über die weitere wirtschaftliche und darüber hinaus politische und gesellschaftliche Entwicklung aufeinander. -- Die Beratungen am Mittwochmorgen können Sie ab 9:15 Uhr online verfolgen. |
Handels- und Investitionsbeziehungen zu Taiwan
Beratung des Ausschusses für Internationalen Handel
Der nächste Tagesordnungspunkt ist inhaltlich eng mit dem vorhergehenden verbunden. Angesetzt ist eine Anhörung zu den Handels- und Investitionsbeziehungen mit Taiwan. Insbesondere im Bereich der Direktinvestitionen ist Taiwan ein sehr wichtiger Partner für die EU. Zudem werden 60 % der weltweiten Halbleiter in Taiwan produziert. Es geht hier also im geopolitisch wie geowirtschaftlich höchst sensiblen außenpolitischen Beziehungsgeflecht zwischen der EU und China um die Frage, wie künftig wirtschaftliche und technologische Beziehungen unter Wahrung eigener Interessen aber zugleich auch der Anerkennung der Interessen der Partner- und Drittländer aussehen werden: Kooperation oder Konfrontation. Und die EU muss Farbe bekennen: wie hält sie es heute, wo China ein globaler Wettbewerber und volkswirtschaftlicher Riese geworden ist, der nicht länger die verlängerte Werkbank westlicher Unternehmen ist, sondern eigenständiger Akteur mit eigenen Interessen, mit der „Ein China-Politik“. Die USA, die Sowjetunion und die Staaten der Anti-Hitler-Koalition hatten bereits zu Ende des 2. Weltkrieges, u. a. in den Verhandlungsrunden zur internationalen Nachkriegsordnung von Kairo, Jalta, Potsdam die Zugehörigkeit Taiwans zu China anerkannt – das ein Hauptschauplatz des in Asien von Japan dominierten 2. Weltkrieges war. Dieser Blick in die Geschichte sollte schon dazugehören, wenn heute politische Beziehungen neu geknüpft werden: gerade in Asien, wo nationale und kulturelle Perspektiven und Interessen in der Regel zur Herausbildung der eigenen Unabhängigkeit und Souveränität ein konstituierendes Element der Staatlichkeit sind. Ein also eigentlich gar nicht so schwieriger Part für die EU, die durchaus die auch von China zugebenen Möglichkeiten und Konditionierungen der Entwicklung von wirtschaftlichen Beziehungen mit Taiwan in einer multipolaren Welt nüchtern zur Kenntnis nehmen sollte. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit Chinas mit Taiwan ist gewaltig und sehr breit aufgestellt – auch wenn sich durch die neuen sich herausbildenden Tendenzen der Unabhängigkeit die politischen Beziehungen zwischen China und Taiwan in den letzten Monaten und Jahren verschlechtert haben. Und hier spielt wiederum das zunehmend konfrontative Verhältnis insbesondere zwischen den USA und China eine maßgebliche Rolle: wir sind wieder bei den strategischen Polit-Konzeptionen der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, als Taiwan von amerikanischen Politstrategen zum unverzichtbaren, unsinkbaren Flugzeugträger im Kampf um die Eindämmung des „Weltkommunismus“ gemacht wurde. Heut: andere Zeit, andere Konstellationen. Aus US-amerikanischer Sicht geht es aber sehr offensichtlich wieder oder erneut um das Bewahren politischer Hegemonie und in der heutigen Weltwirtschaft v. a. um die Bewahrung und Verteidigung der technologischen Vorherrschaft. Und deshalb bekommt nun Taiwan mit seinem technologischen Höchststandard in Forschung, Entwicklung und Produktion von modernsten Höchstleistungschips enorme Bedeutung nicht nur für die USA, sondern auch für die Zusammenarbeit mit der EU, Japan, Korea oder den neuen Schwellenländern. Sicherlich also wird das Hearing auch bezüglich der Haltung der EU, die sich zur Ein-China-Politik bekennt, in Bezug auf berechtigte wirtschaftliche Kooperation eine überaus anspruchsvolle Übung, die verantwortungsbewusst mit den hier nur kurz angedeuteten Konstellationen umgehen sollte. Zumal es um wichtige Bereiche moderner Industriepolitik 4.0, um Kooperationen im Technologiebereich und um Handels- und Investitionsbeziehungen gehen wird. Und damit steht als Schatten auch das CAI wiederum im Raum – das nicht abgeschlossene Investitionsabkommen mit China. Vor diesem Hintergrund wird im Ausschuss mit jeweils einer Vertreterin des taiwanesischen Legislativ-Yuan und der Europäischen Kommission diskutiert. Darauf folgt eine Paneldiskussion mit vier Expert:innen. -- Die Beratungen am Mittwochmorgen können Sie ab 10:30 Uhr online verfolgen. |
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Kenia
Beratung des Ausschusses für Internationalen Handel
Die EU und Kenia haben am 19. Juni die Verhandlungen zu einem bilateralen Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (englisch abgekürzt iEPA) abgeschlossen. Es handelt sich um das erste Abkommen der EU mit einem Land aus der Ostafrikanischen Gemeinschaft, einem regionalen Integrationsblock bestehend aus sieben ostafrikanischen Ländern (Burundi, DR Kongo, Kenia, Ruanda, Südsudan, Uganda und Tansania). Eigentlich gibt es ein solch fast fertig ausgehandeltes EPAS als regionales Abkommen bereits. Allerdings ist dieses nicht abgeschlossen worden, weil einige der ostafrikanischen Staaten einige der im EPA formulieren Vereinbarungen als gegen die eigenständige wirtschaftliche Entwicklung gerichtet eingestuft haben. Damit liegt das Abkommen sozusagen auf Eis, da eine gemeinschaftliche Ratifizierung des Abkommens durch alle Staaten der Region notwendig ist. Kenia steigt aber aufgrund seiner wirtschaftlichen Entwicklung 2024/2025 in den Kreis der Entwicklungsländer mit mittlerem Einkommen auf – und büßt damit andererseits den allen ärmsten Entwicklungsländern seitens der EU gewährten ungehemmten Marktzugang zum EU-Binnenmarkt ein. Deshalb also war und ist Kenia dringend daran interessiert, diesen Marktzugang ungehindert beibehalten zu können: beispielsweise durch ein solches eigenes interim EPA. Wie bei allen EPAs mit Ländern auf dem afrikanischen Kontinent ist jedoch genereller zweifelhaft, ob diese Abkommen, wie von der EU behauptet, wirklich nachholende selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung bringen können; in wieweit diese vertikal aufgestellten Abkommen (EU – Kenia, also Nord-Süd) regionale Integration befördern (können), und ob nicht eine Vielzahl verschiedener Abkommen mit jeweils unterschiedlichen Ursprungsregeln gerade die Umsetzung des panafrikanischen Freihandelsabkommens (AfCFTA) erschweren. Das EPA könnte sich also als doppelter Stolperstein für wirtschaftliche Integration erweisen – regional und kontinental. -- Die Beratungen am Mittwochnachmittag können Sie ab 16:45 Uhr online verfolgen. |
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