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27. Juni: INTA Ausschuss tagt
In der kommenden Woche werden im INTA-Ausschuss die Ergebnisse der vierten Ministertagung des EU-US Handels- und Technologierats (TTC), die am 30. und 31. Mai in Lulea (Schweden) stattfand, diskutiert. Wie bereits verschiedentlich hier beleuchtet, soll dieses informelle, aber hoch politische, permanent arbeitende bilaterale Format, im Juni 2021 ins Leben gerufen werden, um den transatlantischen Handelsbeziehungen insbesondere durch eine sowohl planerische als auch gegenseitige Positionen auslotende sowie mögliche Standards setzende Koordination in der Handels-, Wirtschafts-, Technologie- und Investitionspolitik einen neuen Schub zu geben. Die US-amerikanische Seite sieht in diesem Handels- und Technologie Rat vor allem einen Weg, die transatlantische Koordinierung zu vertiefen ohne wieder in Verhandlungen über ein umfassendes Handelsabkommen einzutreten und damit die Möglichkeit haben, die notwendigen, vertraglich zu regelnden regulatorischen Erfordernisse zu umgehen. Diese verbleiben auf der jeweiligen nationalen Seite des Rates. Bislang waren diese Ratstreffen des TTC mit seinen 12 Arbeitsgruppen vor allem eine Plattform für Informationsaustausch in fünf Kernbereichen gedient: Ausfuhrkontrollen, Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen, sichere Lieferketten, Technologiestandards und -normen, künstliche Intelligenz und allgemeine globale Handelsherausforderungen. Die genannten Prioritäten sind für sich genommen allesamt relevant, aber das Dialogformat selbst weist gravierende systematische Mängel auf. So kann dem TTC zwar zugutegehalten werden, dass zumindest in gewissen Arbeitsgruppen auch verschiedene „Stakeholder“ und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zusammenkommen und angehört werden und so auch beispielsweise Arbeitnehmer*innenverbände oder Vertreter*innen von KMU zu Wort kommen. Aber gerade im Bereich der Digital- und Technologiewirtschaft bleibt der gewaltige, ungleich größere Einfluss von Big Tech, der im geopolitischen und geowirtschaftlichen Rahmen droht, eigenständige Technologieentwicklung jenseits US-amerikanischer Dominanz auf der EU-Seite weiter zu erschweren. Zumal die EU andere internationale Wettbewerber, wie chinesische oder indische Unternehmen und deren internationale Zulieferer aus verschiedenen Gründen vom Binnenmarkt auszuschließen sich anschickt (an dieser Stelle sei nochmal auf die Studie EU Digital Trade Rules: Undermining attempts to Rein in Big Tech verwiesen). Dass auf der politischen Ebene eine reale Einbindung der gesetzgebenden Institutionen US-Kongress und Europäisches Parlament nach wie vor nicht konzipiert wird, verstärkt noch das Demokratiedefizit dieses Formats; der Handels- und Technologierat muss auf beiden Seiten des Atlantiks besser demokratisch legitimiert werden. Zumal beide Gesetzgeber im Bereich der Handelspolitik und wirtschaftlichen Zusammenarbeit entscheidende gesetzgeberische Kompetenz haben. Das müsste dringend im Konzept der TTC, die ja auch mit anderen internationalen Partnern aufgebaut werden bzw. geschaffen werden sollen, strukturell verändert werden. Ein weiterer zu benennender problematischer Aspekt ist der Multilateralismus, der eine zentrale Rolle im Selbstverständnis der EU einnimmt. Im Kontext des TTC werden hierzu zwar Lippenbekenntnisse abgegeben, insbesondere zu technischen Standards. So wird auf Formate wie die G7 oder die Welthandelsorganisation (WTO) verwiesen. Aber wie schon beim TTIP, dort wenigstens aber noch als Teil anvisierter vertraglich gestützter Mechanismen, werden so defacto globale Standards ohne eine demokratische und gleichberechtigte Einbeziehung von Entwicklungs- und Schwellenländern festgelegt. Durch das Gewicht der EU, aber vor allem der USA im technologischen und digitalen Bereich wird damit ein Grundstein für globale Regeln gelegt, die nicht demokratisch in den zuständigen Institutionen wie der WTO oder ITU ausgehandelt wurden. Dieses Festlegen von Regeln im Hinterzimmer, an den verschiedensten Akteur*innen in der Welt vorbei, ohne den vielen in die internationalen Wertschöpfungsprozesse eingebundenen und so direkt betroffenen Ländern gleiches Mitspracherecht einzuräumen, droht global eine neuerliche Blockbildung, zumal in den zukunftsbestimmenden Technologiebereichen, die so immens wichtig sind für Bewältigung der globalen Aufgaben der UN-Agenda 2030. Im Licht der immer stärkeren geopolitischen Spannungen, fokussiert der Abschlussbericht der Ministertagung unter anderem auf die Risiken, die von „nicht-marktbezogene Maßnahmen und Praktiken“ ausgehen. China wird an diesen Stellen zwar nicht namentlich genannt, ist aber als Adressat dieser Aussagen klar ausgemacht. Dieser verengte Blick auf die Herausforderungen des weltwirtschaftlichen Schwergewichts China unterstreicht, dass systemische Rivalität die Strategieoption beider transatlantischer Partner weitestgehend bestimmt; weniger das Ausloten von Möglichkeiten, die technologischen und wirtschaftlichen Potentiale kooperativ zusammenzuführen, um eine schnellstmögliche Lösung globaler Fragestellungen in den Mittelpunkt der Beziehungsgeflechte zu rücken. Das sollte weiterhin erste Priorität haben und nicht machtpolitischen Ambitionen geopfert werden. |
28. Juni 2023, 15:00 - 18:30 Uhr: Ordentliche Beratung des AFCO Ausschusses
Auch wenn die Sitzung des Ausschusses für konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO) diesmal in etwas verkürzter Form stattfinden wird, ist die Tagesordnung mehr als interessant: Am Nachmittag kommen wir gemeinsam mit dem Rechtsausschuss für einen Workshop zusammen, der sich dem seit langem in der Diskussion befindlichen Fragestellungen nach dem Verhältnis von EU-Rechtsetzung zur nationalen Rechtsetzung widmet und dies auch unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Rechtsetzungsakte zur Bewältigung vieler neuer gemeinschaftlicher Problemlösungen beleuchten wird: Erfahrungen aus den gemeinschaftlichen Beschlüssen zur Pandemiebekämpfung oder neu zu setzender Rechtssetzungen zur Bewältigung von Klimawandel und einer gemeinschaftlichen Entscheidungsmethode zur Untersetzung der dafür notwendigen finanziellen Mittel im EU-Haushalt. Sicherlich wird es dabei auch um Fragen der Weiterentwicklung des in den EU-Verträgen verankerten Primärrechts gehen. Danach wird sich der AFCO allein als zuständiger Ausschuss mit der Lage der Grundrechte in der EU beschäftigen: wo stehen wir in Bezug auf die Umsetzung der Grundrechtecharta und welche Schlussfolgerungen sind institutionell zu ziehen? Als dritter gewichtiger Tagesordnungspunkt wird eine Aussprache über die Änderungsanträge zum Berichtsentwurf „Parlamentarismus und Demokratie in Europa“ die Beratung prägen. Die Sitzung können sie wie immer auch im Livestream verfolgen. Doch zu erwähnen bleibt vielleicht auch mit Blick auf die kommende Woche, dass neben dieser ordentlichen Ausschussberatung auch mehrere Arbeitstreffen der Ausschuss-Arbeitsgruppe stattfinden, die sich als ständige interne Arbeitsstruktur seit März dieses Jahrs vor allem mit der weiteren Überarbeitung der Geschäftsordnung mit Blick auf zu ziehende Lehren und Veränderungsnotwendigkeiten nach dem „Quatargate“ befasst. Und wir wollen noch vor der parlamentarischen Sommerpause unsere Vorschläge beschlussfähig als Entwurf vorlegen. Einer der Schwerpunkte dabei: die Überarbeitung der parlamentarischen Ethik-Standards für Abgeordnete. Auch in dieser Woche werden die Diskussionen fortgeführt – und für mich als Mitglied der Europäischen Linksfraktion ist klar: höchstmögliche Standards und mehr Transparenz müssen Eckpunkte einer solchen Überarbeitung des „Code of Conduct“ sein. Auch die anderen Arbeitsgruppen im institutionellen Bereich, wie die Arbeitsgruppe „Das (künftige) Europaparlament 2024“ (diese übrigens auch im fast wöchentlichen Rhythmus seit Februar 2023), werden in der kommenden Woche ihre Arbeit fortsetzen. |
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